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Joe Biden will US-Truppenabzug aus Afghanistan bis 11. September

Bewaffnete US-Soldaten bei einem Überraschungsbesuch des US-Ex-Präsidenten Donald Trump in Bagram Air Field. Laut Regierungskreisen plant US-Präsident Biden den Abzug aus Afghanistan bis zum 11. September. Foto: Alex Brandon/AP/dpa
Bewaffnete US-Soldaten bei einem Überraschungsbesuch des US-Ex-Präsidenten Donald Trump in Bagram Air Field. Laut Regierungskreisen plant US-Präsident Biden den Abzug aus Afghanistan bis zum 11. September. Foto: Alex Brandon/AP/dpa

Die Entscheidung über einen Truppenabzug aus Afghanistan ist bislang eine der heikelsten für US-Präsident Biden. Nun steht ein Termin für den Abzug fest. Das Datum besitzt hohe Symbolkraft.

US-Präsident Joe Biden will den internationalen Militäreinsatz in Afghanistan nach fast 20 Jahren beenden und den US-Truppenabzug bis zum 11. September vollenden – also deutlich später als mit den Taliban vereinbart.

Ein hochrangiger Regierungsvertreter der USA sagte am Dienstag, der Abzug der Truppen sei nicht an Bedingungen geknüpft und solle noch vor dem 1. Mai geordnet beginnen. Er solle spätestens bis zum 11. September – dem 20. Jahrestag der Terroranschläge von New York und Washington – abgeschlossen sein. Unter Bidens Vorgänger Donald Trump hatte die US-Regierung mit den Taliban einen Abzug bis zum 1. Mai vereinbart.

Der US-Regierungsvertreter sagte, der Abzug werde mit Nato-Staaten und anderen Partnern koordiniert. „Wir sind gemeinsam hineingegangen, haben uns gemeinsam abgestimmt, und jetzt werden wir uns darauf vorbereiten gemeinsam wegzugehen.“

Trotz der anhaltenden Gewalt betonte er, der Abzug werde ohne Bedingungen geschehen. „Der Präsident hat entschieden, dass ein auf Bedingungen basierender Ansatz, der der Ansatz der vergangenen zwei Jahrzehnte war, ein Rezept für einen ewigen Verbleib in Afghanistan ist.“

Die Bundesregierung hatte sich zuletzt dafür ausgesprochen, das Ende des Nato-Einsatzes in Afghanistan vom Erfolg der Friedensverhandlungen zwischen den militant-islamistischen Taliban und der Regierung in Kabul abhängig zu machen.

„Wir wollen nicht durch einen zu frühzeitigen Abzug aus Afghanistan riskieren, dass die Taliban zurückkehren zur Gewalt und versuchen, mit militärischen Mitteln an die Macht zu kommen“, erklärte Bundesaußenminister Heiko Maas im März bei einem Nato-Treffen in Brüssel. Deutschland habe das Ziel, das Land nach rund zwei Jahrzehnten Einsatz nicht so zu hinterlassen, wie man es vorgefunden habe.

Die Aufständischen hatten zuletzt neue Gewalt gegen Nato-Truppen angedroht, sollte die Frist bis zum 1. Mai nicht eingehalten werden. Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid sagte am Dienstag, die Aufständischen würden auf die neuen Abzugspläne erst reagieren, wenn sie offiziell verkündet würden.

Eine Reaktion der afghanischen Regierung gab es zunächst nicht. Ein Berater des afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani, Wahid Omer, schrieb auf Twitter, Präsident Biden werde voraussichtlich in naher Zukunft mit Ghani sprechen, um Einzelheiten des neuen Rückzugsplans offiziell mitzuteilen. Bis dahin werde man die Details nicht kommentieren.

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, sagte, Biden wolle sich an diesem Mittwoch zum Fahrplan äußern. Der Abzug soll auch ein zentrales Thema einer Schalte der Außen- und Verteidigungsminister der Nato-Staaten am Mittwoch sein.

Der US-Regierungsvertreter warnte die Taliban vor Angriffen auf ausländische Truppen während des Abzugs. In einem solchen Fall würden die USA hart zurückschlagen, drohte er. Mit Blick auf die Frauenrechte in Afghanistan fügte er hinzu, die USA würden sich mit allen diplomatischen, humanitären und wirtschaftlichen Mitteln für deren Schutz einsetzen. Experten warnen davor, dass die Errungenschaften seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 bei einem voreiligen Truppenabzug zunichte gemacht werden könnten.

Unter Trump hatten die USA sich in einem im Februar vergangenen Jahres in Doha vereinbarten Abkommen mit den Taliban verpflichtet, ihre Truppen und die ihrer internationalen Verbündeten bis zum 1. Mai vollständig aus Afghanistan abzuziehen. US-Regierungsvertreter verwiesen in den vergangenen Wochen allerdings darauf, dass es schon aus logistischen Gründen schwierig werde, die Frist einzuhalten. Zugleich warfen sie den Taliban vor, ihre Verpflichtungen nicht zu erfüllen, weil sie die Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zivilisten nicht einstellten und dem Terrorismus nicht abschwörten.

Die Taliban hatten in dem Abkommen von Doha versprochen, dass von Afghanistan keine Terrorbedrohung gegen die USA und ihre Verbündeten mehr ausgehen werde. Außerdem haben sie Friedensverhandlungen mit der Regierung in Kabul zugesagt, die zu einem dauerhaften Waffenstillstand und einem politischen Fahrplan für die Zukunft führen sollten. Eine innerafghanische Verhandlungslösung ist aber weiterhin nicht in Sicht.

Die Afghanistan-Entscheidung gehört zu den heikelsten, die Biden in seiner jungen Amtszeit treffen musste. Beide Optionen – Rückzug oder Verbleib – gelten als riskant. Eine vom US-Kongress eingesetzte Expertengruppe hatte im Februar empfohlen, dass die US-Regierung im Doha-Abkommen verbleibt, die Truppen aber nicht zum 1. Mai abzieht, sondern erst dann, wenn die Taliban ihre Verpflichtungen erfüllt haben.

Im Fall eines Rückzugs zum 1. Mai sahen die Experten unter anderem die Gefahr einer Machtübernahme der Taliban, eines erneuten Bürgerkrieges, einer terroristischen Bedrohung für die USA und einer weiteren Flüchtlingskrise mit Auswirkungen auch auf die EU.

Der US-Regierungsvertreter betonte, der 11. September sei das späteste Datum, um den Abzug abzuschließen – das Ziel könne aber auch deutlich vorher erreicht werden. Danach sollten nur noch Soldaten zum Schutz der US-Diplomaten in Afghanistan im Land verbleiben.

Nach offiziellen Angaben befinden sich derzeit noch rund 2500 US-Truppen in Afghanistan. Zum Höhepunkt vor zehn Jahren waren es rund 100.000 amerikanische Soldaten. Zuletzt waren inklusive der US-Truppen insgesamt noch etwa 10.000 Soldaten aus Nato-Ländern und Partnernationen in Afghanistan, um die demokratisch gewählte Regierung durch die Ausbildung und Beratung von Sicherheitskräften zu unterstützen. Unter ihnen sind rund 1000 deutsche Soldaten.

Die Anschläge vom 11. September 2001, für die das Terrornetz Al-Kaida verantwortlich gemacht wurde, hatten den Einmarsch der US-geführten Truppen in Afghanistan im Monat darauf ausgelöst. Der internationale Militäreinsatz führte zum Sturz des Taliban-Regimes, das sich geweigert hatte, Al-Kaida-Chef Osama bin Laden auszuliefern.

© dpa-infocom, dpa:210413-99-191421/4

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