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Amoklauf: Mehrere Tote bei Angriff auf Schule in Russland

Bei einem Angriff auf ein russisches Gymnasium sind mehrere Menschen getötet worden. Foto: Maksim Bogodvid/Sputnik/dpa
Bei einem Angriff auf ein russisches Gymnasium sind mehrere Menschen getötet worden. Foto: Maksim Bogodvid/Sputnik/dpa

In einer Schule in Russland schießt ein junger Mann bei einem Amoklauf um sich. Mindestens neun Menschen sterben. Das Entsetzen im Land ist groß. Präsident Wladimir Putin kündigt strengere Waffenregelungen an.

Bei einem Amoklauf mit Schusswaffen an einer Schule in Russland sind mindestens neun Menschen getötet worden – der Großteil Schüler einer achten Klasse. Verantwortlich für die Bluttat in der Großstadt Kasan in der Republik Tatarstan ist nach Darstellung der Behörden ein Einzeltäter. Die Behörden bestätigten die Festnahme eines 19-Jährigen, sie schlossen zunächst einen terroristischen Hintergrund aus.

Kasan steht an diesem ersten Schultag nach den Maiferien unter Schock: Fernsehbilder zeigen weinende Menschen vor dem abgesperrten Schulgelände, Eltern bangen um das Schicksal ihrer Kinder. Zahlreiche Krankenwagen sind vor Ort, schwerbewaffnete Sicherheitskräfte haben vor den Schultoren Stellung bezogen. Kinder werden teils über Leitern aus dem Gebäude gebracht – einige in einen benachbarten Kindergarten, andere sitzen verletzt auf Bürgersteigen. Viele weinen.

Kurz zuvor hatte es am Vormittag erste Berichte über Schüsse in dem Gymnasium gegeben. Zeugen berichteten von explosionsartigen Geräuschen. In Amateurvideos ist zu sehen, wie Rauch aus einem mehrstöckigen weißen Gebäude steigt. Es sind laute Schreie zu hören. Später werden Aufnahmen aus dem Innern der Schule veröffentlicht. Sie zeigen verwüstete Gänge, zersplittertes Glas auf dem Boden. In Panik sollen einige Kinder aus Fenstern im dritten Stock gesprungen sein.

Warum der festgenommene 19-Jährige mit einer Waffe um sich geschossen haben soll, ist zunächst weitgehend unklar. Medienberichten zufolge wurde er kürzlich wegen Schulden von einer Berufsschule verwiesen. Die Staatsagentur Tass schrieb unter Berufung auf Sicherheitskreise von „Hass“ als möglichem Motiv.

Medien berichteten, der 19-Jährige habe seine Tat kurz zuvor auf Telegram angekündigt. Er sei der Polizei vorher nie aufgefallen. „Er wuchs ganz gewöhnlich auf.“ Der Republikchef von Tatarstan, Rustam Minnichanow, sprach von einer „großen Tragödie“ und nannte den Täter einen „Terroristen“.

Zunächst war auch ein Anti-Terror-Einsatz ausgerufen worden. Am Nachmittag gab es dann aber keinen Terror-Verdacht mehr. Wie das Ermittlungskomitee mitteilte, wurde gegen den jungen Mann ein Strafverfahren wegen Mordes eingeleitet.

„Es gab nur einen Täter“, sagte unterdessen eine Behördensprecherin der Agentur Interfax zufolge und betonte: „Informationen über zwei sind nicht richtig.“ Die beiden staatlichen Nachrichtenagenturen Tass und Ria Nowosti hatten zwischenzeitlich elf Todesopfer gemeldet. Später war dann von neun die Rede.

Rettungswagen und Polizeifahrzeuge mit Blaulicht und Sirene: der Tatort in der russischen Stadt Kasan nach dem tödlichen Angriff. Foto: Maksim Bogodvid/Sputnik/dpa
Rettungswagen und Polizeifahrzeuge mit Blaulicht und Sirene: der Tatort in der russischen Stadt Kasan nach dem tödlichen Angriff. Foto: Maksim Bogodvid/Sputnik/dpa

Die genutzte Waffe ist den Behörden zufolge auf den jungen Mann registriert gewesen sein, der laut Medienberichten vor etwa vier Jahren seinen Schulabschluss gemacht haben soll. Den Waffenschein soll er erst im April bekommen haben.

Der Täter soll zunächst mit einem Maschinengewehr die Schule durch einen Haupteingang betreten und sofort um sich geschossen haben. In Russland hatten die Schulen erst am Dienstag wieder begonnen nach mehr als einwöchigen Ferien.

Rund 20 Menschen wurden teils schwer verletzt in Krankenhäuser gebracht. Unter ihnen sind laut regionalem Bildungsministerium 18 Kinder im Alter von 7 bis 15 Jahren. Die Bürger in Tatarstan wurden zu zusätzlichen Blutspenden aufgerufen. Nach den Worten von Vize-Regierungschefin Tatjana Golikowa wurde medizinisches Fachpersonal in die muslimisch geprägte Republik geflogen.

Die Tat löste landesweit Entsetzen aus. In der Hauptstadt Moskau gedachten Regierungsvertreter und Abgeordnete der Staatsduma mit einer Schweigeminute der Opfer. Das Bildungsministerium empfahl allen russischen Schulen, die Sicherheit zu erhöhen. Dazu sollten „zusätzliche Maßnahmen“ ergriffen werden, hieß es.

Russlands Präsident Wladimir Putin drückte sein Mitgefühl mit den Angehörigen der Opfer aus. „Der Präsident spricht den Angehörigen der Kinder, die durch die Hand des Schützen gestorben sind, sein tiefes Beileid aus und wünscht den Schulkindern, die verletzt wurden, baldige Genesung“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Putin wies demnach außerdem an, eine verschärfte Regelung für zivilen Waffenbesitz auszuarbeiten. Es sollten schnell neue Vorgaben zu den Typen von Waffen geben, die die Bevölkerung besitzen dürfe, sagte Peskow. Die Waffengesetze in Russland gelten im Vergleich zu anderen Ländern als strikt. So dürfen etwa nur bestimmte Waffen erst nach vorheriger Prüfung in den Besitz von Bürgern.

Nach früheren Angriffen auf Schulen haben viele Bildungseinrichtungen in Russland Wachpersonal - ob das auch bei der Schule Nummer 175 in Kasan der Fall war, ist unklar. Foto: Yegor Aleyev/Tass/dpa
Nach früheren Angriffen auf Schulen haben viele Bildungseinrichtungen in Russland Wachpersonal – ob das auch bei der Schule Nummer 175 in Kasan der Fall war, ist unklar. Foto: Yegor Aleyev/Tass/dpa

Nach früheren Angriffen auf Schulen haben viele russische Bildungseinrichtungen Wachpersonal an Eingängen. Laut stellvertretender Direktorin soll es an der Schule Nummer 175 in Kasan aber lediglich einen Notfallknopf gegeben haben.

In Russland gab es in der Vergangenheit immer wieder Festnahmen, weil Jugendliche angeblich Angriffe oder einen Amoklauf auf Schulen geplant hatten. Solche Angriffe auf Schulen sind aber vergleichsweise selten.

Die letzte große Tragödie gab es im Oktober 2018, als in der Stadt Kertsch auf der von Russland einverleibten Schwarzmeer-Halbinsel Krim ein 18-Jähriger an einer Berufsschule um sich geschossen und einen Sprengsatz gezündet hatte. Er und 20 weitere Menschen starben.

Das Verbrechen in Kasan rief auch Erinnerungen an einen der schlimmsten Überfälle auf eine russische Schule im Jahr 2004 wach: Damals brachten tschetschenische Rebellen in Beslan in Nordossetien mehr als 1000 Lehrer, Schüler und Eltern in ihre Gewalt, die sich dort zum Beginn des neuen Schuljahres versammelt hatten. Zwei Tage später stürmten russische Spezialeinheiten die Turnhalle. Dabei kamen mehr als 300 Menschen um, mehr als die Hälfte waren Kinder.

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