Olympia

„Herr der Ringe“: Kritik vor Wiederwahl von IOC-Präsident Thomas Bach

IOC-Präsident Thomas Bach steht vor der Wiederwahl. Foto: Greg Martin/IOC/dpa
IOC-Präsident Thomas Bach steht vor der Wiederwahl. Foto: Greg Martin/IOC/dpa

Als IOC-Präsident musste Thomas Bach bis hin zur Pandemie mit der Olympia-Verlegung große Krisen managen. Wie er es gemacht hat, gefiel vielen nicht. Geteilt ist auch das Urteil über die Umsetzung seiner Reformagenda 2020. Am Mittwoch steht er vor der Wiederwahl.

Für die einen ist er der allmächtige „Herr der Ringe“, andere schätzen ihn als Reformer und Visionär. Thomas Bach polarisiert in der Sportwelt und genießt im Internationalen Olympischen Komitee quasi den Status der Unantastbarkeit.

Bei der virtuellen 137. Session des IOC am Mittwoch gilt die Wiederwahl des 67-jährigen Tauberbischofsheimers als Präsident ohne Gegenkandidaten als Formsache und das Mandat für vier weitere Jahre als sicher.

„Seine Amtszeit ist mit Krisen für den olympischen Sport verbunden, wie es sie in den vergangenen 30 Jahren nicht gegeben hat“, sagte Max Hartung, Vorsitzender von Athleten Deutschland. In den acht Jahren war Bach oft als Krisenmanager gefragt, wurde für seine Strategien und Problemlösungen aber viel kritisiert – auch von Hartung.

Kritik von Athletensprecher Hartung

Besonders kreidet der Säbel-Weltklassefechter Bachs Umgang mit dem Doping-Skandal in Russland an, weil das IOC trotzdem knapp 300 Athleten des Landes bei den Olympischen Spielen in Rio starten ließ.

„Das hat viel Vertrauen gekosten“, bekräftigte Hartung, der sich im Gegensatz zu Bach frühzeitig für eine Verlegung der Tokio-Spiele nach dem Ausbruch der Pandemie im vergangenen Jahr ausgesprochen hatte.

Abgesehen vom Zaudern Bachs fühlten sich die Athleten nicht gut eingebunden. Die Kommunikation des IOC hat sich laut Hartung verbessert, beschränke sich bei Auskünften über die Corona-Version der Spiele im Sommer aber auf ein „farbenfrohes Playbook“.

Auch die Rolle des ersten deutschen IOC-Chefs als Reformer bewertet Hartung kritisch. Die Bach’sche Agenda 2020 enthalte wichtige Themen wie Nachhaltigkeit, kostengünstigere Spiele, Athleten mehr in den Mittelpunkt rücken oder mehr Transparenz.

„Damit hat sich eine sehr große Hoffnung auf grundlegende Veränderungen verknüpft“, sagte Hartung. Diese seien aber ausgeblieben: „Wenn er als Reformer wahrgenommen werden will, muss er in der kommenden Amtszeit liefern.“

IOC sieht Wandel und Fortschritt

Das Bild, das man sehe, „ist eines von tiefgreifendem Wandel und Fortschritt“, heißt es hingegen im Abschlussbericht der Agenda 2020, die nun als Agenda 2020+5 fortgeschrieben werden soll.

Auch Alfons Hörmann lobt die Errungenschaften der Agenda Teil 1, die die Vergabe der Olympischen und Paralympischen Spiele „deutlich verändert“ habe. Die Doppel-Vergabe der Sommerspiele 2024 und 2028 könne nach Ansicht des Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes „getrost als ein großer Coup seiner Amtszeit“ bewertet werden.

Es war aber auch ein Befreiungsschlag, der nach dem Absprung von Hamburg, Boston, Budapest und Rom, aus der Not geboren war. Zum Teil waren die Bürger in den Ländern abgeschreckt vom olympischen Gigantismus der Winterspiele 2014 in Sotschi, der bis Tokio 2020/21 anhält. Die Spiele in Japan galten schon vor der Verlegung als eine der teuersten überhaupt.

Die Auswirkungen der 2019 erneut geänderten Olympiastädte-Kür bekam jüngst auch der DOSB zu spüren. Überraschend hatte das IOC verkündet, Brisbane als bevorzugten Kandidaten für 2032 anzusehen und damit auch die deutsche Initiative Rhein-Ruhr-City ausgebootet.

Kritik von Dagmar Freitag

Nicht nur deshalb geht die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag mit dem IOC-Boss hart ins Gericht. „Das IOC war und ist ein exklusiver Zirkel der sportpolitischen Macht, und dank der Olympischen Spiele ein gigantisches Geschäftsmodell“, sagte die SPD-Politikerin. Die für den Erfolg des Businessmodells notwendige Klaviatur spiele Bach „zweifellos virtuos“ und sichere damit seine unangefochtene Macht.

Große Zweifel hat Freitag auch am Ruf Bachs als Reformer mit seiner Agenda inklusive 40 Reformvorschlägen. „Von bedingungslosem Einsatz des IOC für die Kernidee der olympischen Bewegung – die olympischen Werte – habe ich persönlich aber wenig gesehen“, befand Freitag.

Außerdem sei die Präsidentschaft des Fecht-Olympiasiegers von 1976 von Nachsicht gegenüber Staaten, „die die Werte des Sports wie Good Governance, Fairness und Respekt demonstrativ mit Füßen“ treten würden, geprägt. Olympische Spiele würden weiter in Staaten vergeben, in denen Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung seien.

„Es ist auch nur eine in der internationalen Sportszene gern gestreute Mär, dass Sportgroßveranstaltungen in solchen Staaten zu spürbaren und nachhaltigen gesellschaftspolitischen Verbesserungen führen würden“, sagte sie. „Was soll nach den Spielen 2008 in Peking besser geworden sein?“ Sie meine nichts, weil 2022 die Winterspiele in Peking anstünden, „trotz weiterhin unbestritten vorhandener und weltweit kritisierter Menschenrechtsverletzungen“.

Eine positive Zwischenbilanz der Ära Bach zieht hingegen Richard Pound, das dienstälteste IOC-Mitglied. „Wenn er 2025 die Präsidentschaft an seinen Nachfolger übergibt, wird Thomas Bach nach meiner Meinung eine bessere Organisation übergeben als die, die er geerbt hat“, sagte der Kanadier in einem Gastbeitrag für „Die Welt“.

© dpa-infocom, dpa:210309-99-749535/2

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