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Arminia Bielefeld: Geister-Aufstiegsfeier mit Weißwein und Eiweiß-Shake

Bielefeld-Fans feiern vor dem Stadion den Sieg und damit den nahezu feststehendenf Aufstieg. Foto: Friso Gentsch/dpa
Bielefeld-Fans feiern vor dem Stadion den Sieg und damit den nahezu feststehendenf Aufstieg. Foto: Friso Gentsch/dpa

Rechnerisch war der Aufstieg von Arminia Bielefeld am Montagabend noch nicht perfekt. Doch die 99,9 Prozent reichten Fans, Profis und sogar dem Trainer. Zumindest verhalten wurde der achte Bundesliga-Aufstieg gefeiert.

Die erste Geister-Aufstiegsfeier im deutschen Profi-Fußball fiel bei Arminia Bielefeld bescheiden aus. Auch in der Stadt. Die Polizei sah „nichts, wo wir einschreiten mussten“.

Jonathan Clauss freute sich auf „ein bisschen Weißwein aus dem Elsass mit der Freundin“, Andreas Voglsammer auf „einen Eiweiß-Shake mit Shot“ und Fabian Klos ganz klassisch auf „ein, zwei Bier“:

Mit theoretischen Zweifeln hatte dies alles aber nichts zu tun. Die hatten bei Spielern und Funktionären des Vereins nach dem 4:0 (1:0) am Montag gegen Schlusslicht Dynamo Dresden keinen Platz. Neun Punkte und 18 Treffer Vorsprung hatten sie zu diesem Zeitpunkt auf Rang drei.

Das kann in drei Spielen eigentlich niemand mehr verspielen. „Wir haben das Gefühl, dass uns niemand mehr einholen wird“, sagte Trainer Uwe Neuhaus: „Und auch, wenn es rechnerisch noch nicht perfekt ist: Wer jetzt noch daran zweifelt, den schmeiß ich raus.“

Das letzte theoretische Fragezeichen wurde einen Tag später getilgt, der Aufstieg folgte auf der Couch: Nach dem 1:1 (1:0) des Hamburger SV gegen den VfL Osnabrück sind die Ostwestfalen nicht mehr von einem der ersten beiden Plätze zu verdrängen.

Die Bielefelder feierten aber schon am Montagabend die Rückkehr in die Fußball-Bundesliga nach elf Jahren. Und den achten Aufstieg, der die Ostwestfalen zusammen mit dem 1. FC Nürnberg zum Rekord-Aufsteiger macht. Doch ohne Fans, im (fast) leeren Stadion fühlte es sich auch ein bisschen seltsam an.

Die La Ola vor der Haupttribüne wurde nur symbolisch erwidert, es gab keinen Platzsturm und keine Bierdusche. Stattdessen stand noch eine Stunde nach Schlusspfiff fast die ganze Mannschaft um einen Kasten Bier neben der Ersatzbank. Die Geschäftsführer von Arminia Bielefeld, Samir Arabi und Markus Rejek, sowie Präsident Hans-Jürgen Laufer stießen zu dieser Corona-Aufstiegsfeier zwischenzeitlich dazu.

Fans vor dem Stadion

Von dem, was sich vor der Schüco-Arena abspielte, bekam da noch niemand etwas mit. Rund 200 Fans warteten vor dem Stadion – in das sie wie alle anderen im Moment nicht reindürfen – auf ihre Helden. Sie sangen und brannten Bengalos ab.

Fuhr ein Spieler durch die Menge, musste er kurz anhalten und wurde bejubelt. Die meisten ließen die Scheibe runter und sangen mit. Marcel Hartel und Sven Schipplock hängten ihre Köpfe durch das Schiebedach und jubelten in die Menge.

Arminia-Ikone Ansgar Brinkmann kündigte als Sky-Experte an, wenn der Aufstieg auch rechnerisch perfekt ist, wolle er mit einer Flasche Whiskey vom Berg aufs Stadion schauen. „Dann schließen wir uns kurz und du kommst zu uns in die Stadt“, sagte Klos: „Dann stellen wir zwei, drei Stühle zwischen uns. Um den Mindestabstand zu wahren. Und um die Getränke abzustellen.“

Auch die Stadt will ihre Aufsteiger angemessen würdigen. Der Rathaus-Balkon wird geschlossen bleiben, doch Bürgermeister Pit Clausen kündigte schon an, er habe einige Ideen. Auch Uwe Neuhaus kündigte eine Aufstiegsfeier von Arminia Bielefeld „im angemessenen Rahmen“ an.

Er war 2002 als Assistent von Matthias Sammer schon deutscher Meister mit Borussia Dortmund geworden. Nun kommt er erstmals als Chefcoach in die erste Liga. Mit 60. Was passt, weil er sie als Profi auch erst mit 30 erreichte.

Der Coach aus Hattingen im Ruhrpott gilt als Vater des überraschenden Erfolgs. Wohl auch, weil er sich intern anders gibt als in der Öffentlichkeit. „Man spricht mir ja oft die Lockerheit ab“, sagte er am Montag lachend.

Und dann erzählte Uwe Neuhaus, wie er in der Corona-Pause die Stimmung hochzuhalten versuchte. „Wir haben Reime aufsagen lassen. Echte Kindereien“, verriet er: „Es gab immer einen Loser der Woche, der musste dann Fischers Fritz oder so was aufsagen. Wir haben uns kaputtgelacht.“

Achter Aufstieg für Bielefeld

DFL-Geschäftsführer Christian Seifert schickte Aufstiegsgrüße ins Ostwestfälische: „Zum frühzeitigen Aufstieg herzliche Glückwünsche an Arminia Bielefeld – die Spieler des DSC, Trainer Uwe Neuhaus und seinen Stab sowie alle Verantwortlichen. Die Mannschaft hat einen großen Teil dieser alles andere als gewöhnlichen Saison an der Tabellenspitze der 2. Bundesliga verbracht und sich die Rückkehr in die Bundesliga redlich verdient“, teilte Seifert am Abend mit.

Auch Bielefelds ehemaliger Torjäger Artur Wichniarek freute sich für seinen früheren Club. „Das ist eine wunderbare Nachricht. Ich freue mich besonders, denn der Verein liegt mir sehr am Herzen“, twitterte der Pole. Glückwünsche schickte Vorjahres-Aufsteiger Union Berlin via Twitter. „Unsere herzlichsten Glückwünsche gehen an unseren langjährigen Trainer Uwe Neuhaus und sein Team Arminia.“ Auch Bundesligist Fortuna Düsseldorf und Handball-Bundesligist TBV Lemgo Lippe gratulierten mit Tweets.

Mit dem achten Aufstieg sind die Ostwestfalen, die bestenfalls als Außenseiter in die Saison gegangen waren, nun zusammen mit dem 1. FC Nürnberg Rekord-Aufsteiger in die Bundesliga. Zuletzt waren die Ostwestfalen 2004 aufgestiegen, blieben damals fünf Jahre, brauchten nach dem Abstieg 2009 aber elf Jahre zur Rückkehr.

Zwischenzeitlich war die Arminia zweimal in die 3. Liga abgerutscht und stand finanziell vor dem Aus. Ende 2017 betrug der Schuldenstand rund 30 Millionen. Dann kam das „Bündnis Ostwestfalen“. Dieser Zusammenschluss regionaler und lokaler Unternehmen, Sponsoren und Unterstützer rettete den Traditionsverein und stellte ihn auf gesunde Füße. Große Sprünge sind in Bielefeld nicht erst seit Corona noch nicht möglich, doch der Verein gilt heute als schuldenfrei.

Insgesamt spielte die Arminia bisher 16 Jahre in der Bundesliga. Die besten Platzierungen waren zwei achte Plätze 1983 und 1984. 1972 wurden die Ostwestfalen im Zuge des Bundesligaskandals wegen Bestechung zum Zwangsabstieg in die Regionalliga verurteilt.

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Hinweis: Nach dem Unentschieden des HSV Hamburg wurde der Artikel am 16. Juni um 22:30 Uhr u.a. auch mit den Stimmen zum Aufstieg ergänzt.

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