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Corona: Bund und Länder für schnelleres Impfen und vorsichtiges Öffnen

Kanzlerin Angela Merkel und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller zu Beginn der Videokonferenz. Foto: Guido Bergmann/Bundesregierung/dpa
Kanzlerin Angela Merkel und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller zu Beginn der Videokonferenz. Foto: Guido Bergmann/Bundesregierung/dpa

Wie weiter in der Pandemie? Bei den Corona-Beratungen der Länder-Regierungschefs mit Kanzlerin Angela Merkel gibt es offenbar eine erste Einigung.

Bund und Länder wollen die stockende Impfkampagne beschleunigen: Ab Ende März oder spätestens Anfang April sollen Haus- und Fachärzte in vielen Praxen umfassender als bisher ebenfalls gegen Corona impfen können – der Lockdown soll unterdessen grundsätzlich bis zum 28. März verlängert werden – allerdings mit stufenweisen Öffnungsmöglichkeiten.

Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus mehreren Quellen aus den Beratungen von Bund und Ländern. Ein endgültiger Beschluss über die künftigen Maßnahmen stand aber noch aus. Die Verhandlungen gestalteten sich schwierig und waren auch nach gut acht Stunden noch nicht beendet.

Nach mehr als sechsstündiger Beratung wurde am Abend die Videokonferenz erstmals unterbrochen. Hintergrund ist nach dpa-Informationen eine „festgefahrene“ Diskussion über die für weitere Lockerungen zugrunde gelegte Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner.

Merkel soll dem Vernehmen nach vor der Pause ihre Bereitschaft signalisiert haben, Lockerungen für den Handel schon ab einer Inzidenz von 50 zuzulassen, bisher hatte sie hier einen Wert von 35 verlangt. Auf Länderseite sei daraufhin aber keine Einigkeit zu erzielen gewesen, hieß es weiter. In einer kleineren Runde soll dem Vernehmen nach nun ein für alle Seiten gangbarer Kompromiss gesucht werden.

Ab nächsten Montag (8. März) wollen Bund und Länder demnach die strikten Kontaktregeln lockern. Dann sollen wieder Treffen des eigenen Haushalts mit einem weiteren Haushalt erlaubt sein – beschränkt auf fünf Teilnehmer, Kinder bis 14 Jahre nicht mitgezählt.

Und: Paare, die nicht zusammenwohnen, sollen künftig als ein Hausstand gelten, wie die Deutsche Presse-Agentur weiter erfuhr. Derzeit sind private Zusammenkünfte nur im Kreis des eigenen Hausstands mit einer weiteren Person von außerhalb gestattet.

Impfstrategie als zentrales Thema

Als ein zentrales Thema zeichnete sich die Impfstrategie ab. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder forderte in der Online-Konferenz eine Beschleunigung der Impfungen auch unter Einbeziehung von Ärzten in der Fläche.

Das Motto müsse sein: „All you can vaccinate“, sagte der CSU-Vorsitzende nach dpa-Informationen. Man müsse aus der starren „Impfbürokratie“ zu mehr Flexibilität kommen. Deshalb seien so schnell wie irgend möglich alle Ärzte einzubeziehen, niedergelassene Hausärzte, Betriebsärzte, Krankenhäuser und dann auch Schulärzte.

Markus Söder bezog sich dabei dem Vernehmen nach zunächst auf den Impfstoff von Astrazeneca, später müsse dies auch für andere Impfstoffe gelten. In der Schalte wurde nach dpa-Informationen aus mehreren Quellen beschlossen, dass ab Ende März oder spätestens Anfang April Haus- und Fachärzte in vielen Praxen umfassender als bisher gegen Corona impfen sollen.

Der Corona-Impfstoff von Astrazeneca soll dabei voraussichtlich demnächst für alle Altersgruppen freigegeben werden. Bislang ist das Mittel nur für 18- bis 64-Jährige zugelassen, da für Ältere Studiendaten fehlten. Die Ständige Impfkommission (Stiko) wolle das aufgrund neuer Daten jedoch bald ändern, hieß es.

Übergang in eine neue Phase?

Merkel hob zu Beginn der Online-Beratungen deren besondere Bedeutung hervor. Es sei ein „wichtiger Tag“, sagte sie nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen. Sie wurde mit den Worten zitiert: „Wir können den Übergang in eine neue Phase gehen.“

Der Beschlussentwurf trug die Uhrzeit 7.30 Uhr und lag der dpa aus mehreren voneinander unabhängigen Quellen vor. Nach ihm soll der Lockdown grundsätzlich bis zum 28. März verlängert werden – jedoch mit vielen Öffnungsmöglichkeiten je nach Infektionslage.

Schon von kommender Woche an sollen wieder Treffen des eigenen Haushalts mit einem weiteren Haushalt möglich sein – beschränkt auf fünf Teilnehmer, Kinder bis 14 Jahre nicht mitgezählt. Derzeit sind private Zusammenkünfte nur im Kreis des eigenen Hausstands mit einer weiteren Person gestattet.

Das Papier wurde nach dpa-Informationen vom Kanzleramt verschickt, war dem Vernehmen nach aber noch nicht mit allen Ländern vorabgestimmt. Über die einzelnen Öffnungsschritte und ihre konkrete Ausgestaltung wurden langwierige Diskussionen erwartet.

Das Papier sah als nächsten Öffnungsschritt vor, dass nun bundesweit Buchhandlungen, Blumengeschäfte und Gartenmärkte wieder aufmachen dürfen. In einigen Bundesländern ist dies bereits der Fall. Geknüpft wurde dies an das Einhalten von Hygienekonzepten und eine Begrenzung der Kundenzahl. Auch Fahr- und Flugschulen sollen unter bestimmten Bedingungen wieder loslegen dürfen.

Stufenplan mit Notausstieg 100

Vorgesehen ist eine Art Stufenplan für Öffnungen abhängig vom Infektionsgeschehen in einem Land oder einer Region sowie eine Notbremse bei einem Springen der Sieben-Tage-Inzidenz auf über 100 Neuinfektionen. Dann sollen alle Lockerungen automatisch wieder rückgängig gemacht werden.

Bei einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz von unter 35 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner soll der Einzelhandel mit einer begrenzten Kundenzahl wieder aufmachen können, ebenso Museen, Galerien, Zoos und botanische Gärten. Auch kontaktfreier Sport in kleinen Gruppen im Freien soll dann wieder möglich sein.

Eingeschränkte Öffnungen könnte es schon in Regionen geben, in denen lediglich die 100er-Marke unterschritten wird. Neben Terminshopping-Angeboten könnten dann Museen, Galerien, zoologische und botanische Gärten „für Besucher mit vorheriger Terminbuchung“ geöffnet werden. Ebenso könnte dort „Individualsport alleine oder zu zweit und Sport in Gruppen von bis zu zehn Kindern bis 14 Jahren im Außenbereich“ erlaubt werden.

Auch der nächste Öffnungsschritt – von Außengastronomie, Theatern, Konzert- und Opernhäusern, Kinos sowie kontaktfreiem Sport im Innenbereich und Kontaktsport im Außenbereich – könnte dem Entwurf zufolge schon bei Sieben-Tage-Inzidenzen bis 100 erfolgen.

Liegt die Inzidenz zwei Wochen nach dem vorherigen Öffnungsschritt unter 35, soll es dafür keine Beschränkungen geben. Bei einer Inzidenz bis 100 sollen dagegen tagesaktuelle negative Corona-Tests zwingende Bedingung für die jeweiligen Gäste und Teilnehmer sein.

Ein fünfter Öffnungsschritt ist vorgesehen, wenn weitere zwei Wochen nach den vorhergehenden Lockerungen die Inzidenz stabil unter 35 bleibt. Dann können Freizeitveranstaltungen mit bis zu 50 Teilnehmern im Außenbereich möglich sein, ebenso Kontaktsport in Innenräumen.

In Regionen mit einer stabilen Inzidenz bis 100 soll dann auch der Einzelhandel über Terminshopping-Angebote hinaus geöffnet werden dürfen, mit einer Beschränkung der Kundenzahl je nach Verkaufsfläche.

Schnelltests als Mittel

Die geplanten Regelungen für Unternehmen in der Teststrategie wurden im Vergleich zu einem früheren Papier entschärft. So war nun nicht mehr von einer Verpflichtung für Firmen die Rede, ihren in Präsenz Beschäftigten kostenlose Schnelltests anzubieten.

Vielmehr werde die Bundesregierung mit der Wirtschaft noch diese Woche abschließend beraten. Am Vorabend hatte es unter anderem zu dieser Frage noch Gespräche Merkels mit Spitzenverbänden der Wirtschaft gegeben.

Nach dem Beschlussentwurf soll zudem allen, die noch keine Symptome zeigen, mindestens ein kostenloser Schnelltest pro Woche inklusive einer Bescheinigung über das Testergebnis ermöglicht werden. Die Kosten soll demnach der Bund übernehmen.

Auch die weitere Öffnung der Schulen soll mit Hilfe von Schnelltests flankiert werden. Die Länder sollen demnach sicherstellen, „dass das Personal in Schulen und Kinderbetreuung sowie alle Schülerinnen und Schüler pro Präsenzwoche das Angebot von mindestens einem kostenlosen Schnelltest erhalten“.

Parallel-Kritik der Opposition:

Parallel zur Bund-Länder-Runde attackierte die Opposition im Bundestag das Vorgehen der Regierung scharf. Der Linke-Gesundheitspolitiker Achim Kessler forderte die Regierung auf: „Hören Sie endlich auf, immer nur auf Sicht zu fahren.“

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen verlangte ein „Sicherheitsgeländer“ als Voraussetzung für Öffnungen. Dazu müssten bundesweit alle positiven Corona-Tests auf ansteckendere Virus-Varianten untersucht werden. Flächendeckende und regelmäßige Schnell- und Selbsttests müssten zu „Gemeingut“ werden – nicht erst im April.

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer forderte mehr Tempo und verwies darauf, dass in den USA vergleichsweise „mit Lichtgeschwindigkeit“ geimpft werde. Nötig sei auch mehr Ehrgeiz in der Teststrategie, um zu Öffnungen kommen zu können.

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