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Multi-Rauswurf auf Schalke 04 trifft nicht nur Trainer Christian Gross

Der FC Schalke 04 hat sich von Trainer Christian Gross getrennt. Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Der FC Schalke 04 hat sich von Trainer Christian Gross getrennt. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Auf dem unaufhaltsamen Weg in die 2. Liga muss auf Schalke mal wieder der Trainer gehen. Auch der Sportchef ist nun endgültig weg. Der Tabellenletzte reagiert mit einer Interimslösung.

Der FC Schalke 04 hat bald mehr Trainer als Punkte in einer Saison und gibt beim Sturzflug in Richtung Liga 2 ein Bild des Grauens ab, die Konsequenz: Cheftrainer Christian Gross, Sportvorstand Jochen Schneider, Teammanager Sascha Riether und Fitnesscoach Werner Leuthard müssen gehen.

Eine radikale Reaktion des FC Schalke 04 auf das desaströse 1:5 (1:3) am gestrigen Samstag beim VfB Stuttgart und eine angebliche Revolte einiger Spieler vor der Partie. Mit neun Punkten aus 23 Spielen liegt Schalke abgeschlagen auf dem letzten Platz und steht vor dem Gang in die Zweitklassigkeit.

„Die getroffenen Entscheidungen sind nach den enttäuschenden Auftritten gegen Dortmund und Stuttgart unausweichlich geworden“, sagte Aufsichtsratschef Jens Buchta.

Er leitete endgültig die Planungen für den vierten Bundesliga-Abstieg ein. „Wir brauchen nicht Drumherum zu reden: Die sportliche Situation ist eindeutig, deshalb müssen wir bei jeder noch zu treffenden Personalentscheidung auch über die Saison hinausdenken.“

„Gleichzeitig steht nun die Mannschaft in der Pflicht, das letzte Drittel der laufenden Spielzeit so erfolgreich wie möglich zu bestreiten. Das sind die Spieler Club und Fans schuldig“, fügte Buchta als Vorsitzender des Aufsichtsrates an.

„Im Namen des Aufsichtsrates möchte ich mich insbesondere bei Jochen Schneider für seinen unermüdlichen Einsatz für Schalke 04 bedanken. Ihm, genauso wie Christian Gross, Sascha Riether, Werner Leuthard und Rainer Widmayer, wünschen wir für die private und berufliche Zukunft alles Gute“, so Buchta.

Übergangslösungen

Übergangsweise soll der frühere Manager des Hamburger SV und bisherige Leiter des Schalker Nachwuchsleistungszentrums, Peter Knäbel, Schneiders Nachfolge antreten. Zunächst bis zum Saisonende springt Ex-Profi Gerald Asamoah als Teammanager ein.

„Mit Blick auf die Planungen für die neue Saison wird der Direktor Nachwuchs und Entwicklung wie bisher von U19-Chef-Trainer Norbert Elgert und Mike Büskens unterstützt“, betonte Schalke in einer Meldung auf der Vereins-Homepage.

Wer das taumelnde Team von Schalke 04 als Nachfolger von Christian Gross auf das Spiel gegen den FSV Mainz 05 am Freitag vorbereitet, ist noch unklar. „Die für Montag (1.3.) angesetzte Trainingseinheit wird von den Athletik-Trainern geleitet“, so der Bundesligist. Wenn ein fünfter Trainer in einer Saison auf der Bank säße, wäre dies Rekord in der Bundesliga-Geschichte.

Zuvor hatte der mit 240 Millionen Euro verschuldete Revierclub unter David Wagner, Manuel Baum, Huub Stevens und zuletzt Gross in 23 Spielen gerade einmal neun Pünktchen erreicht. Seit 55 Jahren stand kein Bundesligateam zu diesem Zeitpunkt schlechter da als der einstige Champions-League-Dauergast, der 2018 noch Vizemeister war.

Fehlentscheidungen prägen die Saison

Jochen Schneider ist nicht mehr Sportvorstand des FC Schalke 04. Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Jochen Schneider ist nicht mehr Sportvorstand des FC Schalke 04. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Die Trennung vom glücklosen Jochen Schneider spätestens zum Saisonende hatte zuvor bereits festgestanden. Buchta dankte ausdrücklich ihm für dessen „unermüdlichen“ Einsatz. Der 50-Jährige war im März 2019 nach Gelsenkirchen gekommen und hatte aufgrund einiger Fehler in der Zeit vor ihm von Beginn an einen schweren Stand.

Der von ihm verpflichtete Wagner schien zunächst ein Glücksgriff, doch nach einer überragenden Hinserie 2019/2020 folgte seit Januar 2020 ein beispielloser Absturz, der bis dato anhält.

Seit jenem Zeitpunkt gelangen ganze zwei Siege in der Bundesliga. Die Trennung von Wagner folgte bereits nach dem zweiten Spieltag dieser Saison. Mit seinen weiteren Trainer-Entscheidungen lag Schneider dann komplett daneben.

Baum musste ohne einen einzigen Sieg im Dezember gehen. Es folgte auf der Trainerbank von Schalke 04 kurz vor dem Jahreswechsel der 66 Jahre alte Christian Gross, den Schneider aus gemeinsamen Stuttgarter Zeiten kannte.

Doch auch unter dem Schweizer gab es indes keine Wende. Im Gegenteil: Nach der 0:4-Klatsche im Derby gegen Dortmund vor einer Woche sollen laut Medienberichten Führungsspieler bei Schneider vorgesprochen haben und die Trennung von Gross gefordert haben, was aber abgelehnt worden sei.

Laut Bild handelte es sich dabei um die erst im Winter verpflichteten Sead Kolasinac, Shkodran Mustafi und den dauer-verletzten Klaas-Jan Huntelaar. Ein Clubsprecher hatte entsprechenden Berichte über eine Spieler-Revolte vor dem Spiel gegen Stuttgart entschieden zurückgewiesen. Riether ließ die genauen Inhalte von Gesprächen mit Spielern, die es diese Woche gegeben hatte, offen.

Erschreckendes Bild in Stuttgart

Beim VfB folgte dann erneut eine unterirdische Leistung der Spieler. Sinnbildlich dafür stand der geradezu grotesk verschossene Elfmeter von Nabil Bentaleb (72. Minute), durch den die Königsblauen nach einem schnellen 0:3 noch einmal auf 2:3 hätten herankommen können.

Der als schwierig geltende 26-Jährige war auf Schalke schon sechsmal suspendiert und immer wieder begnadigt worden. Zuletzt hatte es der Club noch einmal mit dem technisch versierten Offensivspieler versucht, obwohl zuvor eine erneute Rückkehr Bentalebs kategorisch ausgeschlossen worden war.

Erschreckend war zudem auch das Bild, das einige Spieler nach dem 1:5 in Stuttgart abseits des Feldes abgaben. Angesprochen darauf, ob er tatsächlich die Trennung von Gross gefordert habe, wich Mustafi bei Sky aus: „Mein Job ist, auf den Platz zu gehen und zu helfen“, sagte der Weltmeister von 2014.

„Im Endeffekt ist jetzt nicht die Zeit, wo wir versuchen müssen, dass der eine den Job vom anderen macht, sondern jeder muss seinen Job machen“, so Mustafi. Dies taten die Spieler unter wechselnden Trainern über Monate aber nur unzureichend.

Auch bereits 61 Gegentore – mit Abstand Liga-Höchstwert – stellen eine desaströse Bilanz dar. Die Tordifferenz ist mit -45 schlechter als die der beiden auf den Plätzen 16 und 17 der Tabelle liegenden Clubs aus Mainz (-20) und Bielefeld (-23) zusammen.

Gross enttäuscht

Christian Gross zeigte sich zudem enttäuscht von den im Raum stehenden Vorwürfen einiger Spieler von Schalke 04, er habe falsch trainiert und immer wieder Spielernamen verwechselt.

„Ich denke, dass, wenn Konflikte da sind, dass man sie selbstverständlich ansprechen muss, aber auf die richtige Art“, sagte Christian Gross. Er könne das, was in den Medien steht, „nicht unbedingt nachvollziehen“ und schloss einen eigenen Rücktritt aus.

Er habe Spieler nicht zur Rede gestellt, sagte Christian Gross. “Ich habe nur grundsätzlich gesagt, wie ich das sehe, wenn sie ein Problem hätten mit mir, dass sie auf mich zukommen müssen und wir das dann gemeinsam anschauen und offen und direkt ansprechen.” Einen Rücktritt schloss Christian Gross auch nach dem Debakel erneut aus. “Nein, nein. Ich bin diese Mission angetreten. Für mich gibt es kein Aufgeben, nie.”

Trainer Christian Gross sah sich am Samstag nach eigenen Worten nicht von den Spielern des FC Schalke 04 im Stich gelassen. „Nein, das fühle ich mich nicht“, sagte der 66 Jahre alte Schweizer nach der Niederlage in Stuttgart. Am Sonntag kam er mit einer Sporttasche über der Schulter und in Schalker Trainingshose auf das Vereinsgelände – wenig später gab der Club die radikalen Trennungen bekannt.

© dpa-infocom, dpa:210228-99-625309/6

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