Per Günther ist kein Basketballer, der seine mitunter auch kritische Meinung zurückhält. Dass er und zahlreiche weitere Bundesliga-Profis für das am Wochenende beginnende BBL-Turnier um die Meisterschaft streng in einem Münchner Hotel abgeschottet werden, ist für den Ex-Nationalspieler kein Problem.
Dafür hat Günther schon ganz andere Dinge erlebt. „Mit Jugendnationalmannschaften bin ich elf Jahre hintereinander wochenlang durch rumänische Zwei-Sterne-Hotels getingelt“, erzählt der 32-Jährige von ratiopharm Ulm.
Am Samstag startet Ulm mit neun anderen Mannschaften in das Meisterturnier. Rund drei Wochen werden die Spieler dem BBL-Konzept zu Folge in einem Vier-Sterne-Hotel nahe des Olympiazentrums kaserniert. Günther geht von einem holprigen Start aus. Derzeit sei die Erwartungshaltung nicht so hoch wie sonst.
„Es fühlt sich an, als wäre weniger Druck da, weil es bizarre Voraussetzungen sind für sportliche Höchstleistungen“, so Per Günther über das BBL-Turnier. Ulm spielt zunächst drei Spiele in fünf Tagen, die Vorbereitung war kurz. Es gibt keine perfekte Lösung, ist er überzeugt. Spiele über mehrere Wochen mit etlichen Tagen Pause hätte er weniger gut gefunden.
Per Günther stand dem BBL-Turnier anfangs kritisch gegenüber. „Ich habe nicht richtig verstanden, wie das umsetzbar sein kann.“ Auch Nationalspieler wie Berlins Niels Giffey oder Frankfurts Akeem Vargas äußerten Zweifel, viele Profis fühlten sich zu wenig eingebunden in die Pläne der Liga.
Der 32-Jährige sieht aber auch die finanziell angespannte Lage der Clubs. Mittlerweile sei das Turnier umsetzbarer als es ihm vorher erschien. Allgemein sei es eine komfortable Situation für die Spieler im Gegensatz zu vielen anderen in der Gesellschaft. Von der Bundesregierung wurden zudem Nothilfen für die Sportligen angekündigt.
Tweet von Per Günther zu Sanktionen bei BBL-Turnier
Günther gilt als Publikumsliebling und wird für seine Meinung geschätzt. Um dem Verein zu helfen, verzichteten Günther und seine Mannschaftskollegen in der Corona-Unterbrechung auf einen Teil ihres Gehalts.
Erst am Mittwoch machte er mit einem Tweet auf sich aufmerksam, in welchem er Bundesliga-Spieler motiviert hatte, sich gegen Rassismus zu positionieren: „Die ersten 10.000 an Strafe gehen auf mich.“ BBL-Geschäftsführer Stefan Holz hatte zunächst erklärt, Proteste seien verboten. Inzwischen gab es aber eine Kehrtwende, der BBL-Boss hat seine Vorgaben zurückgenommen.
Die Spiele in München finden ohne Fans statt. Das Hygiene-Konzept verbietet zudem den Besuch von Familie und Freunden im Hotel. Langeweile soll nicht aufkommen: Normalerweise bereite sich die Ulmer Mannschaft eine Woche auf den nächsten Gegner vor – jetzt ist es teilweise ein Tag.
„Ich glaube, Außenstehende unterschätzen, wie viel Programm wir haben“, sagt Per Günther vor dem BBL-Turnier. Neben Spielen und der Analyse des Gegners stehen gemeinsames Frühstücken, Vor- und Nachbereitungen sowie Training an. Auch der große Bruder in den USA plant derzeit die Saison in Form eines finalen NBA-Turniers zu beenden.
Sein erstes Spiel bestreitet Ulm gegen Titelverteidiger FC Bayern München. Vor der Unterbrechung der Saison waren die Bayern Erster, Ulm Zehnter. Aufgrund der wegen der Corona-Krise holprigen Vorbereitung sieht Günther sein Team nun nicht chancenlos.
In der Liga hatten die Münchner das letzte Duell 83:69 gewonnen. Auch Mitspieler Thomas Klepeisz glaubt an einen Sieg. Er und Trainer Jaka Lakovic sehen im Point Guard Günther einen Leader, der mit seiner Erfahrung helfen soll. „Er wird ein wichtiger Teil, unsere Offensive zu organisieren“, sagt Lakovic.
Günther freut sich darauf, Freunde aus anderen Teams abends an der Bar zu treffen. Mannschaftskollege Patrick Heckmann will Kartenspiele und Playstation mitnehmen. „Nicht besonders spannend, was ich mitnehme. Das sind Dinge, die ich als zweifacher Vater sonst nicht tun kann“, sagt er und begnügt sich mit Büchern und nicht angesehenen Fernsehshows.
In der monatelangen Pause wurde er zum zweite Mal Vater und beendete sein Wirtschaftspsychologie-Studium. Beim Thema Karriereende möchte Günther den richtigen Zeitpunkt erwischen. „Meine Rolle ist kleiner, mein sportlicher Output ist kleiner, aber ich habe immer noch das Gefühl, Spiele entscheiden zu können.“