Der Titel ist fast sicher, Rekorde sind greifbar nahe, und während der beeindruckenden Siegesserie unter Trainer Hansi Flick kann der FC Bayern München mit Leon Goretzka auf einen bemerkenswert starken Leader vertrauen.
Als Techniker mit Kampfgeist und Führungsqualitäten nimmt Leon Goretzka mehr und mehr eine Chef-Rolle ein und ist so etwas wie das Gesicht des aktuellen Höhenflugs.
„Unser Vorteil aktuell ist, dass wir elf Chefs auf dem Platz haben“, sagte der 25-Jährige nach dem 4:2 (3:1) bei Bayer Leverkusen, an dem er mit einer Vorlage und einem Tor maßgeblichen Anteil hatte.
Goretzkas Stellenwert hebt auch der Bundestrainer hervor. „Gerade seine jüngste Entwicklung ist sehr erfreulich, Leon hat sich bei Bayern München eine sehr gute Position erarbeitet“, sagte Joachim Löw dem Kicker und berichtete: „Zurzeit fühlt er sich so gut wie selten zuvor, wie er mir kürzlich am Telefon sagte.“
Flick: „Aktuell eine wahnsinnige Präsenz“
Goretzka ist momentan derjenige, der bei den Bayern vorangeht. „Er hat aktuell eine wahnsinnige Präsenz“, lobte Flick nach dem elften Pflichtspiel-Sieg in Folge. Mit Joshua Kimmich gemeinsam als Organisator und Initiator der Hilfsaktion We kick Corona und engagierter Kämpfer gegen Rassismus zeigt der frühere Schalker Goretzka schon seit Langem Haltung.
Auch Löw schätzt Goretzka als jemanden, „auf den man sich verlassen kann. Als Mensch und als Spieler. Er hat einen gewissen Tiefgang, ist sehr professionell, lebt sehr bewusst, ist sich über seine Rolle im Klaren und mit seiner Einstellung ein Vorbild“, wie Löw dem Kicker sagte.
Mit neuen Muskelpaketen nach der Corona-Pause hatte Leon Goretzka für Aufsehen gesorgt und überzeugt in der Erfolgsserie des FC Bayern München auch sportlich so sehr wie lange nicht. Sollten die Bayern am kommenden Samstag gegen Borussia Mönchengladbach gewinnen und Borussia Dortmund zuvor bei Fortuna Düsseldorf verlieren, wäre die achte Meisterschaft in Serie schon am 31. Spieltag fix.
Nach dem Hinspiel in Gladbach Anfang Dezember waren die Bayern noch Siebter, doch in der Rückserie überzeugt der Rekordmeister. Mit schon 90 Treffern wackelt sogar der Tor-Rekord aus dem Jahr 1972 mit 102 Toren. Mit dem Flick sich nicht beschäftigt. „Es geht erst einmal darum, dass wir Meister werden wollen“, sagte er: „Alles weitere ist Beiwerk.“ Wie es in der Champions League weiter geht, ist derzeit noch offen.
Moderner Leader
Am Samstag hätte sein Team nach dem frühen 0:1 durch Lucas Alario (9. Minute) ins Wanken kommen können. Doch dann kam Goretzka. Eroberte einen Ball im Mittelfeld und bediente mit einem Traumpass Kingsley Coman zum 1:1 (27.), dann erzielte er das 2:1 selbst (42.). Goretzka, den Flick entgegen seiner Gewohnheit schon in der Vorwoche hervorgehoben hatte, hatte das Spiel gedreht.
Und das als moderner Leader. Ganz ohne symbolische Wachrüttel-Fouls oder verbale Aufplusterei à la Stefan Effenberg, Lothar Matthäus oder Oliver Kahn. Dabei agiert der 25-malige Nationalspieler im Wortsinne mit breiter Brust. Durch Cybertraining kam Goretzka deutlich muskulöser aus der Corona-Pause. Und ist auch fußballerisch stark wie nie.
„Man sieht Leon an, dass er an Muskelmasse zugelegt hat. Das kommt seinem Spiel zugute“, sagte Flick. Manch einer fragte gar, ob Goretzka es nicht übertrieben habe. Doch dem widerspricht er energisch. „Man kann schon davon ausgehen, dass das alles abgesprochen ist mit dem Trainerteam“, sagte er.
„Man muss auch aufpassen, dass man es nicht übertreibt, wir spielen immer noch Fußball. Ich fühle mich aktuell sehr gut und gewappnet für 90 Minuten. Ich habe nicht an Geschwindigkeit verloren – im Gegenteil. Dementsprechend ist das eine runde Sache“, so Leon Goretzka.
Bei Bayern läuft es rund
Rund läuft es nach größtenteils verkorkster Hinserie derzeit allgemein beim FC Bayern. Sollten die letzten vier Spiele gewonnen werden, wäre es die beste Rückrunde der Liga-Historie. Robert Lewandowski hat auf dem Weg zu seiner fünften Torjäger-Kanone mit dem 30. Saisontor (66.) seine persönliche Bestmarke eingestellt. Thomas Müller egalisierte mit der 20. Tor-Vorlage die Bestmarke des damaligen Wolfsburgers Kevin de Bruyne aus der Saison 2014/15.
Beide haben allerdings noch maximal drei Spiele, um ihre Werte auszubauen. Denn gegen Gladbach sind sie gelbgesperrt. Und während der wegen eines vermeintlichen Ellbogenschlags belangte Lewandowski sich darüber mächtig ärgerte und noch nach lange nach Spielschluss auf Schiedsrichter Manuel Gräfe einredete, nahm Flick auch das gelassen.
Die Sperren seien „schon ärgerlich“, sagte der Erfolgstrainer, sagte aber: „Wir werden gegen Mönchengladbach zwei andere Spieler sehen, das ist auch mal gut. Und die beiden können gegen Eintracht Frankfurt 90 Minuten Vollgas geben.“
Gegen die Hessen können die Münchner am Mittwoch ins Endspiel des DFB-Pokals einziehen. Und im Moment scheint nichts und niemanden sie aufhalten können. Denn nicht nur Goretzka ist stark wie nie. „Das sind aktuell möglicherweise die besten Bayern der letzten zehn oder fünfzehn Jahre“, sagte der Sky-Experte und Ex-Bayern-Profi Dietmar Hamann.