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BGH: „Recht auf Vergessen“ vom Einzelfall abhängig

Der BGH entscheidet erstmals zu zwei Klagen gegen Google zum «Recht auf Vergessenwerden» im Internet auf Basis der europäischen Datenschutz-Grundverordnung. Foto: Lukas Schulze/dpa
Der BGH entscheidet erstmals zu zwei Klagen gegen Google zum «Recht auf Vergessenwerden» im Internet auf Basis der europäischen Datenschutz-Grundverordnung. Foto: Lukas Schulze/dpa

Muss Google Suchtreffer zu negativen Berichten über Personen auf Verlangen löschen? In zwei konkreten Fällen hat der BGH erstmals auf Grundlage der neuen EU-Datenschutz-Grundverordnung sein Urteil gesprochen und ein uneingeschränktes „Recht auf Vergessen“ verneint.

Gegenüber Suchmaschinen-Betreibern wie Google gibt es kein automatisches „Recht auf Vergessen“ im Internet, das hat der BGH heute in einem Urteil festgestellt.

Ob Links zu kritischen Artikeln aus der Trefferliste entfernt werden müssen, ist immer von einer umfassenden Grundrechtsabwägung im Einzelfall abhängig, so der Bundesgerichtshof in einem am Montag verkündeten Urteil.

Genauso maßgeblich wie die Rechte des Betroffenen seien das öffentliche Interesse an den verlinkten Informationen, die unternehmerische Freiheit des Suchmaschinen-Betreibers und die Rechte des Inhalteanbieters. Das „Recht auf Vergessen“ ist laut BGH somit in jedem Einzelfall mit anderen Rechtsinteressen abzuwägen.

„Nach diesen Grundsätzen haben die Grundrechte des Klägers auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufs im konkreten Fall hinter den Interessen der Beklagten und den in deren Waagschale zu legenden Interessen ihrer Nutzer, der Öffentlichkeit und der für die verlinkten Zeitungsartikel verantwortlichen Presseorgane zurückzutreten, wobei der fortdauernden Rechtmäßigkeit der verlinkten Berichterstattung entscheidungsanleitende Bedeutung für das Auslistungsbegehren gegen die Beklagte zukommt“, so das BGH in einer Pressemeldung zum Urteil.

Im entschiedenen Fall hat der frühere Geschäftsführer eines regionalen Wohlfahrtsverbandes für Mittelhessen keinen Anspruch darauf, dass ältere Presseberichte über eine Erkrankung und ein Finanzdefizit des Verbandes nicht länger gefunden werden. (Az. VI ZR 405/18)

Ein zweites Verfahren setzten die Richter aus, um zentrale Fragen vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) klären zu lassen. Zum einen ist offen, was passieren soll, wenn umstritten ist, ob die verlinkte Berichterstattung wahr ist oder falsch. Zum anderen geht es um kleine Vorschaubilder (Thumbnails), die in der Trefferliste auftauchen, ohne dass der Kontext ersichtlich ist. (VI ZR 476/18)

© dpa-infocom, dpa:200727-99-935128/4

weiterführende Informationen:
➡️ BGH-Mitteilung zu der Entscheidung
➡️
Urteil des OLG Frankfurt vom 6. September 2018
➡️
Urteil des LG Frankfurt vom 26. Oktober 2017
➡️
Urteil des OLG Köln vom 8. November 2018
➡️
BGH-Urteil von 2018 zu Prüfpflichten von Suchmaschinen-Betreibern
➡️
EuGH-Urteil von 2014 zu Pflichten von Google
➡️
EuGH-Mitteilung zu der Entscheidung
➡️
BVerfG-Beschluss „Recht auf Vergessen I“
➡️
BVerfG-Beschluss „Recht auf Vergessen II“

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