Alfred Gislason ist um seinen Job derzeit nicht zu beneiden: Gleich vier prominente Corona-Absagen und insgesamt sieben Ausfälle trüben die Erfolgsaussichten der deutschen Auswahl bei der Handball-WM Mitte Januar in Ägypten – um die wenige Tage zuvor angesetzte EM-Quali gibt es Streit.
Die verletzungsbedingten Ausfälle und Absagen stellen den Handball-Bundestrainer vor ein kompliziertes Personalpuzzle: „Wir werden jetzt mit anderen Spielern planen und investieren weiterhin alles, um bei der WM das bestmögliche Ergebnis zu erreichen“, versprach der 61 Jahre alte Isländer kämpferisch. „Jeder Verlust ist auch eine Chance.“
Von ursprünglich 35 Spielern aus dem vorläufigen Kader für die Handball-Weltmeisterschaft 2021, der Mitte November an den Weltverband gemeldet werden musste, sind Gislason nur noch 28 geblieben. Aus diesem Kreis wird er am kommenden Montag jene 20 Akteure benennen, mit denen er zur am 13. Januar beginnenden WM nach Ägypten reist.
„Wir gehen davon aus, dass keine weiteren Absagen mehr folgen werden“, betonte DHB-Sportvorstand Axel Kromer im ZDF-Morgenmagazin. Zugleich räumte er ein: „Wir haben derzeit relativ viel zu leiden, auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Andere Nationen sind da deutlich positiver.“
Vier Corona-Absagen
Wegen der anhaltenden Corona-Pandemie haben die Kieler Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek und Steffen Weinhold sowie Finn Lemke von der MT Melsungen ihren freiwilligen WM-Verzicht erklärt. Damit bricht Gislason der komplette Abwehrblock weg, der bei den vergangenen Großereignissen stets das Prunkstück der deutschen Mannschaft war.
Vorwürfe gab es jedoch weder von Funktionären noch aus dem Kreis der Teamkollegen. „Ich habe den Jungs alles Gute gewünscht und habe totales Verständnis dafür in dieser speziellen Situation. Ich war auch mal in einer ähnlichen Phase, in der die Nationalmannschaft für mich kein Thema mehr war“, sagte Torwart-Oldie Johannes Bitter.
Und Kapitän Uwe Gensheimer erklärte mit Blick auf die Absagen, die den Spieler eigener Aussage zu Folge alles andere als leicht gefallen und vor allem auch der familiären Situation geschuldet ist: „Ich respektiere die Entscheidung, auch wenn ich es sehr schade finde, dass die Jungs nicht dabei sind.“
Verzichten muss Alfred Gislason sowohl bei der EM-Quali direkt Anfang Januar sowie bei der kurz darauf startenden Handball-WM in Ägypten zudem auf die verletzten Franz Semper und Tim Suton sowie Fabian Wiede, der sich nach einer langwierigen Schulterverletzung noch nicht fit genug für die WM fühlt.
DHB-Präsident für Verzicht auf EM-Quali
Trotz der personellen Rückschläge ist DHB-Präsident Andreas Michelmann aber zuversichtlich, mit einer schlagkräftigen Mannschaft an den Nil zu reisen. Schließlich habe man weltweit wahrscheinlich die größte Breite in der Spitze. „Das wird uns zugute kommen“, sagte der 61-Jährige und verwies auf die Historie: „Wir haben schon bei der EM 2016 ohne vier, fünf Topleute gespielt.“ Damals gab es Gold.
Ohnehin sind die Sorgen um die Gesundheit der Spieler im Deutschen Handballbund größer als die Angst vor einem sportlichen Misserfolg. Michelmann richtete daher einen dringlichen Appell an die Europäische Handball-Föderation, die Anfang Januar unmittelbar vor der Handball-WM geplanten Spiele in der EM-Quali abzusagen, um die Gefahr einer Infizierung mit dem Corona-Virus für alle Beteiligten zu minimieren.
„Ich würde mir wünschen, dass die EHF konsequent darüber nachdenkt, ob zu diesen Zeiten eine EM-Qualifikation unbedingt erforderlich ist oder ob es mit Blick auf eine WM nicht Wert wäre zu sagen, okay, wir verzichten auf die EM-Qualifikationsspiele im Interesse der Sicherheit für die Spieler“, sagte Michelmann am Rande der Frauen-EM.
Im Kampf um die Tickets für die EM 2022 muss die DHB-Auswahl am 6. und 10. Januar 2021 zweimal gegen Österreich spielen. Nur drei Tage nach dem Rückspiel beginnt die WM-Endrunde. Für Michelmann wäre es aber dringend geboten, das Team vor dem Turnier für eine Woche zu isolieren. „Die sieben Tage braucht eine Mannschaft, damit die Spieler sicher in die Bubble reingehen können“, mahnte der DHB-Boss.
Der, übrigens wie Deutschland für die WM qualifizierte, Österreichische Handballbund (ÖHB) geht davon aus, dass die Partien wie geplant in Graz und Köln stattfinden. „Die Vorbereitungen auf das Heimspiel in Graz sind nahezu abgeschlossen, auch die Planungen für das Auswärtsspiel in Deutschland am 10. Jänner sind in der finalen Vorbereitungsphase“, erklärte ÖHB-Generalsekretär Bernd Rabenseifner.
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Verbleibender DHB-Kader für die WM:
Tor
- Andreas Wolff, KS Vive Kielce
- Johannes Bitter, TVB Stuttgart
- Silvio Heinevetter, MT Melsungen
- Till Klimpke, HSG Wetzlar
- Dario Quenstedt, THW Kiel
Linksaußen
- Marcel Schiller, Frisch Auf Göppingen
- Uwe Gensheimer, Rhein-Neckar Löwen
- Rune Dahmke, THW Kiel
- Patrick Zieker, TVB Stuttgart
Rückraum Links
- Finn Lemke*, MT Melsungen
- Fabian Böhm, TSV Hannover-Burgdorf
- Julius Kühn, MT Melsungen
- Christian Dissinger, Vardar Skopje
- Sebastian Heymann, Frisch Auf Göppingen
- Paul Drux, Füchse Berlin
- Sebastian Firnhaber HC Erlangen
Rückraum Mitte
- Tim Suton*, TBV Lemgo
- Marian Michalczik, Füchse Berlin
- Philipp Weber, SC DHfK Leipzig
- Juri Knorr, GWD Minden
Rückraum Rechts
- Steffen Weinhold*, THW Kiel
- Franz Semper*, SG Flensburg-Handewitt
- Fabian Wiede*, Füchse Berlin
- Kai Häfner, MT Melsungen
- David Schmidt, Bergischer HC
- Antonio Metzner, HC Erlangen
Rechtsaußen
- Tobias Reichmann, MT Melsungen
- Timo Kastening, MT Melsungen
- Patrick Groetzki, Rhein-Neckar Löwen
- Marius Steinhauser, SG Flensburg-Handewitt
Kreis
- Patrick Wiencek*, THW Kiel
- Hendrik Pekeler*, THW Kiel
- Moritz Preuss, SC Magdeburg
- Johannes Golla, SG Flensburg-Handewitt
- Jannik Kohlbacher, Rhein-Neckar Löwen
* verletzt oder abgesagt
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