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Joe Biden beschwört vor US-Kongress amerikanischen Neuanfang

US-Präsident Joe Biden spricht während einer gemeinsamen Sitzung des US-Kongresses. Foto: Michael Reynolds/Pool EPA/AP/dpa
US-Präsident Joe Biden spricht während einer gemeinsamen Sitzung des US-Kongresses. Foto: Michael Reynolds/Pool EPA/AP/dpa

„Amerika ist bereit zum Abheben“: Joe Biden will die USA tiefgreifend verändern – und seine erste Ansprache als US-Präsident vor dem US-Kongress nutzt er, um trotz Corona-Krise Optimismus zu verbreiten.

Joe Biden hat in seiner ersten Ansprache als US-Präsident vor beiden Kongresskammern einen amerikanischen Neuanfang nach der Ära seines Amtsvorgängers Donald Trump beschworen.

„Nach 100 Tagen der Rettung und Erneuerung ist Amerika bereit zum Abheben. Wir arbeiten wieder. Träumen wieder. Entdecken wieder. Führen die Welt wieder an“, sagte Biden im Kapitol.

Hoffnungsvoll äußerte sich der Demokrat mit Blick auf die Corona-Pandemie und warb für billionenschwere Pläne, mit denen er tiefgreifenden Wandel in dem Land herbeiführen will. Biden versprach eine Zukunft, in der der Staat den Menschen diene, ihnen Möglichkeiten eröffne und „Fairness und Gerechtigkeit“ garantiere.

Biden ist an diesem Donnerstag 100 Tage im Amt. Der 78-jährige Demokrat löste am 20. Januar den Republikaner Donald Trump im Weißen Haus ab und prägt seither einen gänzlich anderen Stil. Trotz der bisherigen Blockadehaltung der Republikaner im US-Kongress stimmte Biden am Mittwoch versöhnliche statt konfrontative Töne an.

Die erste Rede eines neu gewählten US-Präsidenten bei einer gemeinsamen Sitzung des Repräsentantenhauses und des Senats im US-Kapitol wird traditionell nicht als Rede zur Lage der Nation bezeichnet, die ansonsten jährlich erfolgt.

In diesem Jahr war einiges anders: Erstmals in der Geschichte der USA saßen bei diesem Anlass zwei Frauen hinter dem Präsidenten: Kamala Harris, die erste Vizepräsidentin des Landes, und die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Zudem war Bidens Publikum wegen der Corona-Pandemie deutlich kleiner als in einem normalen Jahr. Die 200 statt üblicherweise 1600 Zuhörer saßen getrennt voneinander und mit Masken in den Rängen im Repräsentantenhaus.

Joe Biden forderte Kongressabgeordnete beider Parteien dazu auf, weitreichende Pläne seiner Regierung zu unterstützen. Ein von ihm vorgeschlagenes Infrastrukturpaket bezeichnete er als größten Anschub für den Arbeitsmarkt seit dem Zweiten Weltkrieg. Das mehr als 2 Billionen US-Dollar (rund 1,7 Billionen Euro) umfassende Programm werde in den kommenden acht Jahren zudem massives Wachstum schaffen, versprach Biden.

Weitreichend sind auch Bidens Pläne zur Unterstützung von Familien und zur Förderung der Bildung. Er will die schmalen Sozialleistungen deutlich ausweiten und die Kosten in Höhe von 1,8 Billionen US-Dollar über Steuererhöhungen stemmen. „Niemand sollte zwischen einem Job und einem Gehaltsscheck oder der Versorgung von sich selbst und eines geliebten Menschen – eines Elternteils, Ehepartners oder Kindes – wählen müssen“, sagte Biden.

Doch die USA sind innenpolitisch weiterhin tief gespalten. Bidens Vorschläge bedürfen der Zustimmung des Kongresses, wo die Demokraten nur eine hauchdünne Mehrheit halten. Der republikanische Senator Tim Scott warf Biden in einer Replik auf die Ansprache vor, dass seine Maßnahmen das Land immer weiter auseinanderrissen und er dem Volk nicht mehr als „hohle Phrasen“ biete. Einige von Bidens Vorhaben könnten selbst bei einzelnen gemäßigten Demokraten im Senat auf Ablehnung stoßen.

Mit Blick auf die Corona-Pandemie zeigte sich Joe Biden hoffnungsvoll: Er zog eine positive Zwischenbilanz seiner Politik und forderte die Amerikaner dazu auf, sich impfen zu lassen. Es seien genügend Impfdosen verfügbar. „Die letzten 100 Tage in einer der schlimmsten Pandemien der Geschichte waren eine der größten logistischen Errungenschaften, die dieses Land jemals gesehen hat“, sagte Biden. Doch noch sei die Seuche nicht besiegt, die USA müssten weiter wachsam bleiben.

Joe Biden widmete sich auch anderen drängenden Problemen des Landes wie der „Epidemie der Waffengewalt“ und dem strukturellen Rassismus, bei denen er die Parteien zur Zusammenarbeit aufrief. „Wir haben alle das Knie der Ungerechtigkeit auf dem Nacken des schwarzen Amerikas gesehen“, sagte Biden in Anspielung auf die Tötung des Afroamerikaners George Floyd, der vergangenes Jahr in der US-Stadt Minneapolis bei einer brutalen Festnahme ums Leben gekommen war. Ein mittlerweile verurteilter und entlassener weißer Polizist kniete damals minutenlang auf Floyds Hals. Nun gelte es, wahre Veränderung herbeizuführen.

Zwar stand Bidens innenpolitische Agenda im Zentrum der Rede, aber er ging auch auf die Herausforderungen durch China, Russland, den Iran und Nordkorea ein. Seinen chinesischen Amtskollegen Xi Jinping rief Biden zur Einhaltung globaler Handelsregeln auf, außerdem gelobte er die Verteidigung amerikanischer Interessen. Den russischen Präsidenten Wladimir Putin warnte Biden inmitten zunehmender Spannungen zwischen den beiden Ländern vor einer weiteren Eskalation. Das Handeln Moskaus habe Konsequenzen, sagte Biden.

Die „Krisen unserer Zeit“ könne keine Nation allein bewältigen, sagte Biden und nannte als Beispiele Terrorismus, Cybersicherheit, den Klimawandel und Pandemien. Die USA seien zurück, um die Welt anzuführen – gemeinsam mit ihren Verbündeten.

Am Redepult rief Biden auch die dramatischen Bilder vom 6. Januar in Erinnerung, als Trump-Anhänger den Sitz des US-Kongresses gewaltsam stürmten. „Der Aufruhr war eine existenzielle Krise – ein Test, ob unsere Demokratie überleben kann“, sagte Biden. Überlebt habe sie – nun gelte es aber, im Wettbewerb mit den Autokratien der Welt zu zeigen, dass die US-Demokratie noch immer funktioniere. „Wir impfen das Land. Wir schaffen Hunderttausende von Arbeitsplätzen. Wir liefern echte Ergebnisse, die die Menschen sehen und in ihren eigenen Leben spüren können.“

© dpa-infocom, dpa:210429-99-395961/3


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