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Schwieriger Neuanfang: DFB-Präsident dringend gesucht

Der Deutsche Fußball-Bund steckt in einer tiefen Krise. Foto: Boris Roessler/dpa
Der Deutsche Fußball-Bund steckt in einer tiefen Krise. Foto: Boris Roessler/dpa

Und nun? Der Deutsche Fußball-Bund steht vor wegweisenden Wochen. Schon wieder wird ein neuer Präsident gesucht. Erstmals führt eine Frau als Generalsekretärin zumindest kommissarisch die Geschäfte.

Unter grauem Himmel deutete am Mittwochmorgen vor der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes nur wenig auf die drastischen Entwicklungen vom Vorabend hin: Vereinzelt machten Fotografen und Kamerateams aktuelle Bilder, Mitarbeiter gingen wie gewohnt durch die gläserne Drehtür.

Doch innerhalb des wankenden Verbandes ist nichts mehr, wie es noch vor wenigen Wochen war. DFB-Präsident Fritz Keller steht vor dem Rücktritt, Generalsekretär Friedrich Curtius vor der Vertragsauflösung. Der lähmende Dauerstreit an der Spitze endet ohne wirklichen Gewinner.

„Die Weichen für eine Neuaufstellung des DFB“ seien gestellt, hatte der DFB am Dienstagabend in einer Mitteilung erklärt. Vizepräsident Rainer Koch und Schatzmeister Stephan Osnabrügge, zusammen mit Friedrich Curtius die Gegenspieler von Fritz Keller, werden beim kommenden Bundestag, der auf Anfang 2022 vorgezogen werden soll, nicht mehr zur Wiederwahl antreten. Neue Führungskräfte werden dringend gesucht – und das wird schwierig.

Der Präsident

Fritz Keller, der sich durch seinen Nazi-Vergleich selbst ins Abseits gestellt hatte, hat laut DFB-Mitteilung „seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt“, am kommenden Montag sein Amt zur Verfügung zu stellen.

Der 64-Jährige folgt damit auf Reinhard Grindel und Wolfgang Niersbach, die ebenfalls wegen Fehltritten zurückgetreten waren. Keller als Grindel-Nachfolger war im September 2019 als große Lösung gefeiert worden – im April 2021 folgte eine folgenschwere Aussage: Fritz Keller bezeichnete während einer Präsidiumssitzung seinen Vizepräsidenten Rainer Koch als „Freisler“ und verglich ihn so mit Roland Freisler, dem Vorsitzenden des Volksgerichtshofes im Nationalsozialismus.

Rekordnationalspieler Lothar Matthäus hatte bereits in der vergangenen Woche Noch-Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge (65) als möglichen Nachfolger genannt, auch im Zusammenspiel mit Rudi Völler (61). Ein Interesse der beiden angesehenen Ex-Nationalspieler ist derzeit eher unwahrscheinlich. Auch der Name von Weltmeister-Kapitän Philipp Lahm (37), Organisationschef der Münchner EM-Spiele im Sommer und des Heim-Turniers 2024, dürfte schnell wieder genannt werden.

Interesse bekundet hatte zuletzt die Anti-Korruptions-Expertin Sylvia Schenk (68). Sie stehe bereit, „mit einem Team von unabhängigen Personen den DFB in ruhiges Fahrwasser zu bringen. Dann kann man einen DFB-Präsidenten wählen“, sagte die langjährige Sportfunktionärin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Auch die Amateursportvertreterin Ute Groth, die zum Wahlkampf gegen Grindel nicht zugelassen worden war, scheint nicht abgeneigt. „Ich kann mir das schon vorstellen – im Team eben. Wichtig ist jetzt aber, dass es eine große Erneuerung gibt – personell und strukturell“, sagte die 62-Jährige der Augsburger Allgemeinen.

Der Vizepräsident

Rainer Koch wird zunächst zusammen mit dem gleichberechtigten und von der Deutschen Fußball Liga entsandten Vizepräsidenten Peter Peters den Verband interimsmäßig führen, wie er es auch nach den Abschieden von Niersbach und Grindel getan hatte – jeweils zusammen mit dem damaligen DFL-Präsidenten Reinhard Rauball.

Danach ist für Rainer Koch laut eigener Aussagen zur ARD-Sportschau endgültig Schluss „als haftender Vorstand des DFB“, was eine Tätigkeit im Präsidium und eigentlich auch an der Spitze eines Regional- oder Landesverbandes ausschließt. Ein Briefwechsel mit DFL-Geschäftsführer Christian Seifert hatte tiefe Gräben zwischen den beiden Funktionären offenbart.

Kompliziert scheint sein gerade bestätigter Posten im Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union bis 2025. Laut UEFA-Statuten müssen die Exko-Mitglieder bis auf wenige Ausnahmen entweder Präsident oder Vizepräsident ihres Heimatverbandes sein, um gewählt werden zu können. Verliert ein gewähltes Mitglied den Posten in der Heimat während der Amtszeit, darf diese zwar zu Ende geführt werden. Wenn aber der Heimatverband den Ausschluss fordert, würde die UEFA-Exekutive dem Wunsch nachkommen.

Rainer Koch scheint derzeit dem Profilager als DFB-Vertreter in der UEFA für die kommenden vier Jahre schwer vermittelbar – zumal Karl-Heinz Rummenigge zuletzt ebenfalls wieder in das Entscheidergremium gewählt worden war. Allerdings würde für Koch nicht automatisch ein DFB-Vertreter nachrücken. Der Posten wäre zunächst vakant, wie es auch nach dem Rücktritt von Grindel der Fall war. Der DFB hatte ab April 2019 fast ein Jahr lang keinen Sitz im UEFA-Exko.

Generalsekretär und Schatzmeister

Friedrich Curtius werde Fritz Keller „nach einer Verständigung über eine Aufhebung seines Arbeitsvertrags und der Übergabe seiner Amtsgeschäfte unmittelbar folgen“, teilte der DFB mit.

Der 44-Jährige ist der höchste hauptamtliche Mitarbeiter und verantwortlich für die DFB-Zentrale in Frankfurt/Main, die nächstes Jahr in die neue Akademie umziehen soll. Keller und Curtius waren in den vergangenen Monaten die Gegenspieler im Dauerstreit an der Führungsspitze. Nach Curtius‘ Ausscheiden soll die stellvertretende Generalsekretärin Heike Ullrich dessen Geschäftsbereiche kommissarisch übernehmen.

Die dauerhafte Beförderung der diplomierten Sportökonomin scheint nicht ausgeschlossen. Bei ihrer Berufung zur Stellvertreterin im Sommer 2020 hatte Ullrich gesagt: „Ich freue mich sehr auf die Aufgaben und sehe diese Entscheidung auch als deutliches Signal, dass der DFB auf dem eingeschlagenen Weg der Erneuerung auch auf weibliche Expertise setzt.“

Dass Schatzmeister Stephan Osnabrügge beim Bundestag nicht mehr zur Wiederwahl antreten wird, war schon seit einigen Tagen spekuliert worden. Er ist seit 2016 Schatzmeister – als Nachfolger von Grindel, der damals zum DFB-Präsidenten aufgestiegen war.

© dpa-infocom, dpa:210511-99-562006/6

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