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Brexit-Handelspakt: Fortschritte, aber immer noch Streit um den Fisch

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat einmal mehr mit dem britischen Premier Boris Johnson telefoniert. Foto: John Thys/AFP Pool/AP/dpa
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat einmal mehr mit dem britischen Premier Boris Johnson telefoniert. Foto: John Thys/AFP Pool/AP/dpa

Das EU-Parlament will ein Handelsabkommen bis spätestens Sonntag auf dem Tisch liegen haben. Aber auch nach einem weiteren Telefonat auf Spitzenebene wird klar: Man ist noch längst nicht am Ziel.

Im Streit über einen Brexit-Handelspakt sehen London und Brüssel trotz Fortschritten noch große Differenzen – insbesondere im Bereich Fisch. Vor allem in London werden die Chancen für einen Deal als nicht gut bewertet.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen teilte nach einem Telefonat mit dem britischen Premier Boris Johnson am Donnerstagabend mit, es gebe vor allem beim Thema Fischfang noch Differenzen. „Sie zu überbrücken, wird sehr herausfordernd.“

Der britische Premier warnte, die Gespräche seien in einer „ernsten Lage“. Die Zeit sei knapp und es sei sehr wahrscheinlich, dass keine Einigung erreicht werde, sollte die EU ihre Position nicht „substanziell ändern“.

Dabei macht das Europaparlament Druck. Nur wenn der Vertrag bis Sonntag fertig sei, könne man ihn noch in diesem Jahr ratifizieren, erklärte die Parlamentsspitze mit Blick auf den Brexit-Handelspaket und den Streit um den Fisch.

Differenzen bei Schlüsselthemen

Die Verhandlungen sollen am Freitag fortgesetzt werden, erklärte von der Leyen. Bereits am Donnerstagmorgen hatte EU-Unterhändler Michel Barnier von „guten Fortschritten“, aber auch von „letzten Stolpersteinen“ gesprochen. E

in britischer Regierungssprecher meinte hingegen: „Wir haben ein wenig Fortschritt auf einigen Feldern gemacht, aber es gibt noch erhebliche Differenzen bei Schlüsselthemen.“ Aus britischer Sicht ist beim Brexit-Streit der Fisch und die Fangzonen ein zentrales Thema.

Ohne Vertrag drohen beiden Seiten Zölle und andere Handelshemmnisse, die die Wirtschaft bremsen. Wichtigste Streitpunkte sind nach wie vor die Themen faire Wettbewerbsbedingungen und der Zugang europäischer Fischer zu britischen Gewässern.

Keine Neu-Aufnahme der Verhandlungen 2021

Der britische Staatsminister Michael Gove betonte am Donnerstagnachmittag, man werde trotz der knappen Zeit „alles tun, um ein gutes Freihandelsabkommen im Interesse des gesamten Vereinigten Königreichs zu sichern“. Die Chancen dafür stünden derzeit jedoch bei weniger als 50 Prozent.

Dass die Verhandlungen nach einem Scheitern im neuen Jahr wieder aufgenommen werden könnten, schloss Gove aus. Er sprach aber von der Möglichkeit, bis nach Weihnachten weiter zu verhandeln. In dem Fall könnte ein mögliches Abkommen zunächst ohne Ratifizierung durch das EU-Parlament vorläufig angewendet werden. Das Europaparlament lehnt dies ab.

Das britische Unterhaus tagte am Donnerstag ein letztes Mal vor der Weihnachtspause. Die Regierung hat jedoch angekündigt, die Abgeordneten zurückzubeordern, sollte ein Deal zustande kommen. Man sei zuversichtlich, dass die Zeit ausreichen werde, um die notwendige Gesetzgebung durchs Parlament zu bringen, sagte Johnsons Sprecher.

Sitzungen an Weihnachten oder anderen Feiertagen über den Jahreswechsel kämen nicht infrage und eine außerordentliche Sitzung müsse 48 Stunden im Voraus angekündigt werden. Damit bleiben nur noch wenige Tage für die Ratifizierung übrig, entweder unmittelbar vor Weihnachten oder kurz vor Silvester.

Umsetzung des Austrittsvertrags

Nur zwei Wochen vor Ende der Brexit-Übergangsphase am 31. Dezember verhandelt die Europäische Union immer noch mit Großbritannien über ein Anschlussabkommen.

Sollte es zustande kommen, müsste es noch vor Jahresende ratifiziert werden. Zahlreiche frühere Fristen für einen Verhandlungsabschluss wurden bereits gerissen. „Inszeniertes Drama oder schwere Kalkulation„, so die Frage dazu.

Einig sind sich beide Seiten hingegen inzwischen über die Umsetzung des bereits gültigen EU-Austrittsvertrags. Dieser bringt nach Ablauf der Übergangsfrist etliche Neuerungen. „Es ist uns gelungen, für alles umsetzbare Lösungen zu finden“, sagte EU-Kommissionsvize Maros Sefcovic nach letzten Beratungen mit Staatsminister Gove.

Das Abkommen regelt unter anderem im sogenannten Nordirland-Protokoll die Einzelheiten, wie künftig eine harte Grenze zum EU-Staat Irland vermieden werden soll. Großbritannien hatte zeitweise versucht, Klauseln des Vertrags mit einem eigenen Gesetz zu unterlaufen. Dies hat London inzwischen aufgegeben.

© dpa-infocom, dpa:201217-99-732629/4

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