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Nach erzwungener Flugzeug-Landung: Belarus droht EU mit Sanktionen

Alexander Lukaschenko (l) und Wladimir Putin treffen sich am Freitag in Sotschi am Schwarzen Meer. Foto: -/Pool EPA/AP/dpa
Alexander Lukaschenko (l) und Wladimir Putin treffen sich am Freitag in Sotschi am Schwarzen Meer. Foto: -/Pool EPA/AP/dpa

Die EU hat nach der erzwungenen Landung eines Passagierflugzeugs erste Sanktionen gegen Minsk verhängt. Es drohen weitere. Nun hat sich in Belarus Machthaber Lukaschenko zu Wort gemeldet.

Nach der Zwangslandung eines Passagierflugzeugs in Minsk droht Belarus seinerseits mit Sanktionen gegen die EU: „Wir werden nicht schweigen und niederknien“, sagte Machthaber Alexander Lukaschenko am Mittwoch im Parlament in der Hauptstadt Minsk, wie das Staatsfernsehen berichtete.

Der 66-Jährige ließ aber offen, welche Strafmaßnahmen genau kommen sollen. Die EU will Diplomaten zufolge mit ihren geplanten neuen Strafmaßnahmen unter anderem die für die Devisenbeschaffung von Belarus wichtige Kali-Industrie treffen. Die Opposition forderte einmal mehr ein hartes Durchgreifen der westlichen Länder gegen die autoritäre Führung in Minsk.

Alexander Lukaschenko äußerte sich erstmals nach der erzwungenen Landung des Flugzeugs in Belarus am Sonntag und verteidigte zugleich das Vorgehen. „Ich habe rechtmäßig gehandelt, indem ich die Menschen geschützt habe – nach allen internationalen Regeln“, sagte er.

Die Behörden hatten die Landung am Sonntag genutzt, um den Regierungskritiker Roman Protassewitsch am Flughafen verhaften zu lassen. Den Journalisten bezeichnete Alexander Lukaschenko als „Terroristen“. Der 26-Jährige und seine Helfer hätten einen „blutigen Aufstand“ in Belarus geplant, behauptete der Machthaber.

Die Behörden der autoritär regierten Republik hatten das Flugzeug der irischen Airline Ryanair auf dem Weg von Griechenland nach Litauen mit einem Kampfjet vom Typ MiG-29 zur Landung gebracht – angeblich wegen einer Bombendrohung. Die stellte sich später als Fehlalarm heraus. Mehr als 100 Menschen waren an Bord, darunter Roman Protassewitsch und seine Freundin Sofia Sapega. Beide wurden verhaftet.

Die EU hat wegen des Vorgehens bereits neue Sanktionen gegen den Machtapparat in Belarus auf den Weg gebracht. Dazu gehört auch ein Flugverbot für Fluggesellschaften der Ex-Sowjetrepublik. Alexander Lukaschenko kritisierte das: „Sie haben mehrere rote Linien überschritten.“

Regierungschef Roman Golowtschenko zufolge wird Belarus handeln. „Diese Maßnahmen werden für die Länder, die eine offen feindselige Haltung eingenommen haben, ziemlich schmerzhaft sein.“ Dazu zählten Beschränkungen beim Transit, sagte er, ohne Details zu nennen.

Die EU will, dass ihre geplanten Sanktionen gegen ausgewählte Wirtschaftszweige im Idealfall noch vor dem Sommer in Kraft treten. Unterschiedliche Interessen der EU-Staaten könnten allerdings auch noch zu Verzögerungen führen. So ist noch unklar, ob auch die Mineralölindustrie ins Visier genommen wird.

Offen ist Diplomaten zufolge auch, ab wann der Luftraum der EU für belarussische Fluggesellschaften wie vorgesehen komplett gesperrt wird. Die staatliche Fluglinie Belavia flog am Mittwoch etwa nach Frankfurt am Main und Rom, wie von einer Anzeigetafel des Flughafens in Minsk hervorging.

Das Thema erfordere noch Diskussionen unter den EU-Staaten, hieß es. Einzelne Mitgliedstaaten hätten aber bereits ihre nationalen Luftverkehrsabkommen mit Belarus annulliert. Mehrere Airlines wollen zudem nicht mehr über die Ex-Sowjetrepublik fliegen.

Die Nato-Staaten stellten sich hinter die auf den Weg gebrachten neuen Sanktionen gegen das Land: „Die Nato-Verbündeten fordern Belarus auf, die grundlegenden Menschenrechte und Grundfreiheiten zu achten und die regelbasierte internationale Ordnung zu respektieren“, hieß es in einer Erklärung des Nordatlantikrats. Er besteht aus Vertretern aller 30 Mitgliedstaaten und ist das wichtigste politische Entscheidungsgremium des westlichen Militärbündnisses.

Die Inhaftierung von Roman Protassewitsch verurteilte der Nordatlantikrat als Affront gegen die Grundsätze der Pressefreiheit und das Recht auf politische Meinungsverschiedenheiten. Der Journalist und seine Partnerin müssten umgehend und bedingungslos freigelassen werden.

Dagegen verteidigte der Kreml einmal mehr das verbündete Nachbarland. Es gebe keinen Grund, an der von Minsk verbreiteten Version zu zweifeln, sagte Sprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge.

Mehrere Länder wollten das Thema am Mittwoch im UN-Sicherheitsrat in New York ansprechen, wie aus diplomatischen Kreisen hervorging. Irland, Estland und Frankreich hätten sich dafür ausgesprochen, den Konflikt am Rande der offiziell auf dem Programm stehenden Sitzungen zu Syrien und Mali hinter verschlossenen Türen zu thematisieren, hieß es. Eine gemeinsame Erklärung des Gremiums wurde aber nicht erwartet.

Die Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, die gegen Alexander Lukaschenko bei der Präsidentenwahl im vergangenen August angetreten war und nun im Exil lebt, rief die EU zur Verabschiedung eines neuen Sanktionspakets auf. „Ich fordere das Europäische Parlament auf, dafür zu sorgen, dass die Reaktion der internationalen Gemeinschaft nicht auf den Vorfall mit dem Ryanair-Flug beschränkt wird“, schrieb sie in ihrem Nachrichtenkanal bei Telegram.

Die EU will weitere Strafmaßnahmen gegen Personen, Unternehmen und Organisationen beschließen, die eine direkte Mitverantwortung für die Zwangslandung der Ryanair-Maschine und die Unterdrückung der Opposition in dem Land haben. Geplant seien mehrere Dutzend neue Einträge in die EU-Sanktionsliste, hieß es am Mittwoch. Der notwendige Beschluss dafür könne beim Außenministertreffen am 21. Juni getroffen werden. Die EU hatte bereits in der Vergangenheit Strafmaßnahmen gegen Minsk verhängt.

© dpa-infocom, dpa:210526-99-741414/7

weiterführende Informationen:
➡️ Schlussfolgerungen Europäischer Rat zu Belarus vom 24.05.21
➡️ Statement by the North Atlantic Council on Belarus
➡️ Deutsche Rohstoffagentur zur Kaliindustrie in Belarus
➡️ EU-Kommission zum Handel zwischen der EU und Belarus
➡️ Botschaft Belarus in Deutschland zu Wirtschaftsbeziehungen

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