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In der Vorwärtsverteidigung: Olaf Scholz vor Finanzausschuss

Olaf Scholz am Montag im Finanzausschuss des Bundestags. Foto: Carsten Koall/dpa
Olaf Scholz am Montag im Finanzausschuss des Bundestags. Foto: Carsten Koall/dpa

Und er kommt doch: Kurz vor der Bundestagswahl nimmt Olaf Scholz an einer Sitzung im Bundestag teil. Es geht um Vorwürfe gegen die Zoll-Einheit FIU. Scholz ist für Opposition und Union kaum zu packen.

Während Union und Opposition sich vorne über die erwartete Abwesenheit des SPD-Kanzlerkandidaten echauffieren, huscht Olaf Scholz durch den hinteren Eingang in den Saal.

Entgegen aller Erwartungen nimmt er am Montag doch persönlich an der Sitzung des Finanzausschusses zur Affäre um die Anti-Geldwäsche-Einheit FIU teil, die seinen Wahlkampf nur Tage vor dem Höhepunkt durcheinanderwirbelt.

Damit hatte kaum jemand gerechnet – und entsprechend hatten sie sich angriffslustig präpariert: „Wer Respekt plakatiert, der sollte auch den Respekt gegenüber dem Parlament und gegenüber der Öffentlichkeit leben“, betonte der FDP-Politiker Florian Toncar vor der Sitzung mit Blick auf Scholz‘ Wahlkampfthema „Respekt“.

Jetzt sitzt der Finanzminister doch da – und nimmt seinen Kritikern den Wind aus den Segeln. Rund 30 Minuten lang erklärt er die bereits erreichten Reformen bei der FIU, dann beantwortet er Fragen aller Fraktionen, reihum, wie ein Zeuge im Untersuchungsausschuss.

Warum er doch selbst kam und sich nicht zuschalten ließ, beantwortet Olaf Scholz nicht. Dass er eine Wahlkampf-Veranstaltung in Baden-Württemberg absagen musste, nervt ihn sichtbar schon. Aber man habe versucht, alles möglich zu machen.

Warum dann der Hintereingang? „Ich bin durch den Eingang gekommen, der auf meinem Weg der nächste war“, sagt Olaf Scholz nur. Die Opposition hätte auch eine geheime Sitzung beantragen – und Scholz so zwingen können, persönlich zu erscheinen.

Welche Schuld trifft das Finanzministerium?

Der Finanzausschuss wollte dem Kanzlerkandidaten sechs Tage vor der Bundestagswahl noch einmal richtig auf den Zahn fühlen.

Hintergrund sind Ermittlungen gegen Mitarbeiter der FIU, einer Anti-Geldwäsche-Spezialeinheit des Zolls in Köln, die Scholz‘ Finanzministerium zugeordnet ist. FIU-Mitarbeiter sollen Hinweise auf Terrorfinanzierung nicht rechtzeitig an Justiz und Polizei weitergeleitet haben. In diesem Zusammenhang hatte die Staatsanwaltschaft Osnabrück beim Finanz- und beim Justizministerium angeklopft, um Unterlagen einzusehen.

Die wichtigste Frage sei nun: „Haben Vorgaben aus Berlin zu riesigen Lücken bei der Geldwäsche-Bekämpfung geführt?“, sagte der FDP-Finanzpolitiker Toncar. Das Kernproblem sei der sogenannte risikobasierte Ansatz. „Es gibt ein Raster, mit dem Geldwäschemeldung gefiltert werden, aber dieses Raster ist offenbar so grob, dass wir bei der Geldwäschebekämpfung rechtsfreie Räume in Deutschland haben, dass es in großem Stil möglich ist, kriminell zu handeln.“ Die Durchsuchung in den Ministerien sei nur ein Symptom des Problems.

Olaf Scholz wies die Vorwürfe gegen die FIU zurück. Die Behörde habe in den vergangenen drei Jahren mehr hinbekommen als in den 30 Jahren zuvor. Sie sei personell aufgestockt worden und habe eine moderne IT-Struktur bekommen. Das Meldungsaufkommen werde weiter steigen. Die Kriterien, welche Geldwäschemeldungen an Behörden weitergeben werden, würden weiter verbessert. Scholz traf im Ausschuss auch mit FIU-Chef Christof Schulte zusammen – zum ersten Mal in seiner Zeit als Minister persönlich.

Dem Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet war das nicht genug. „Was wir bisher an Stellungnahmen gehört haben, hat nicht die Dimension aufgeklärt, die man aufklären muss“, sagte er – nannte allerdings keine Details. Die Grünen warfen dem Finanzminister vor, die Sitzung zur Selbstdarstellung genutzt zu haben. „Wieder hat Scholz als Finanzminister alle Verantwortung für das Chaos bei der Anti-Geldwäsche-Behörde FIU und bei der Geldwäschebekämpfung von sich gewiesen“, erklärte die Finanzpolitikerin Lisa Paus. „Olaf Scholz hat nicht genug getan zur Bekämpfung von Geldwäsche.“

Durchsuchung im Ministerium umstritten

Die Durchsuchung in Scholz‘ Ministerium nur wenige Tage vor der Bundestagswahl hatte auch Fragen aufgeworfen. So waren die gesuchten Unterlagen der Staatsanwaltschaft nach Darstellung des Justizministeriums bereits lange vorher angeboten worden.

Die Staatsanwaltschaft stellt das betreffende Telefonat dagegen so dar, dass das Ministerium die Herausgabe der Unterlagen zunächst ablehnte und auf „den großen Dienstweg“ verwies. So habe man entschieden, Durchsuchungen in beiden Häusern zu beantragen. Übereinstimmend heißt es, dass die Ermittler die fraglichen Unterlagen ohne Probleme einsehen konnten.

Spekulationen über einen Wahlkampf-Hintergrund gab es unter anderem, weil der Chef der Osnabrücker Staatsanwaltschaft, Bernard Südbeck, ebenso CDU-Mitglied ist wie Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza. Der Sprecher der Ermittlungsbehörde wies diese Spekulationen zurück: Die Ermittlungen würden nicht von Südbeck geleitet, sagte er.

Der Verfassungsrechtler Joachim Wieland hält die Durchsuchung dennoch für rechtswidrig. Es gebe „durchgreifende Zweifel an der erforderlichen Verhältnismäßigkeit“, schrieb er in einem Blogeintrag. „Für das scharfe Schwert einer Durchsuchung ist kein Anlass ersichtlich. Sie war nicht erforderlich und deshalb rechtswidrig.“

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, erklärte, die Union missbrauche das Thema für den Wahlkampf. „CDU und CSU sind verzweifelt bemüht, neue Vorwürfe gegen den Bundesfinanzminister und Kanzlerkandidaten der SPD zu konstruieren, da sie keine Kraft mehr für eine inhaltliche Auseinandersetzung haben“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Laschet dagegen wies politische Motive zurück: „Der Versuch, der Justiz Parteipolitik zu unterstellen, ist ein Tabubruch“, sagte er.

© dpa-infocom, dpa:210920-99-286239/14


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