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Merkel: EU-Staaten erkennen Wahlergebnis in Belarus nicht an

Die Staats- und Regierungschefs der EU sprechen bei einer Videokonferenz über den Umgang mit der politischen Krise in Belarus. Foto: Olivier Hoslet/EPA POOL/AP/dpa
Die Staats- und Regierungschefs der EU sprechen bei einer Videokonferenz über den Umgang mit der politischen Krise in Belarus. Foto: Olivier Hoslet/EPA POOL/AP/dpa

Die 27 EU-Staaten zeigen sich solidarisch mit den friedlich demonstrierenden Menschen in Belarus, Angela Merkel erklärte, dass die EU-Staaten das Wahlergebnis nicht anerkennen werden. Die EU findet nach ihrem Sondergipfel deutliche Worte, Belarus-Staatschef Alexander Lukaschenko gerät weiter unter Druck.

Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten werden das Wahlergebnis der umstrittenen Präsidentenwahl in Belarus nicht anerkennen, das bestätigte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem Sondergipfel zur politischen Krise in Belarus. Moskau und Minsk hatten zuvor der EU deutlich gemacht, dass es keine Einmischung aus dem Westen geben sollte.

Die Abstimmung sei weder fair noch frei gewesen, erklärte Merkel. „Und deshalb kann man die Ergebnisse dieser Wahlen auch nicht anerkennen.“ Es gebe keinen Zweifel daran, dass es massive Regelverstöße gegeben habe, sagte die Bundeskanzlerin nach rund dreistündiger Beratung mit ihren Kollegen. EU-Ratschef Charles Michel bestätigte diese Entscheidung.

„Wir verurteilen die brutale Gewalt gegen Menschen“, betonte Merkel mit Blick auf die aktuelle Lage rund um die Massenproteste in Belarus nach dem strittigen Wahlergebnis. Meinungsfreiheit und das Recht auf Demonstrationen müssten garantiert werden. Außerdem müssten alle Gefangenen bedingungslos freigelassen werden. Zudem setze man sich – wie von der Opposition gefordert – für einen nationalen Dialog ein.

Für die per Videokonferenz geführten Gespräche der Staats- und Regierungschefs war in Brüssel extra die politische Sommerpause unterbrochen werden. Die EU wollte damit auch ein deutliches Zeichen setzen, dass sie an der Seite der friedlich demonstrierenden Menschen in Belarus steht.

Massenproteste in Belarus

Seit der von Fälschungsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl am 9. August gibt es in in dem osteuropäischen Land täglich Streiks und Massenproteste gegen Präsident Alexander Lukaschenko.

Der Machthaber hatte sich zum sechsten Mal in Folge als Sieger ausrufen lassen – mit laut Wahlbehörde 80 Prozent. Die Einführung in seine sechste Amtszeit solle bereits in den kommenden zwei Monaten stattfinden, teilte die Wahlleitung mit. Lukaschenko, der als „letzter Diktator Europas“ bezeichnet wird, ist seit 1994 im Amt.

Vor allem zu Beginn reagierte die Polizei mit Gewalt gegen die weitgehend friedlichen Demonstranten und inhaftierte zahlreiche Personen – der Großteil soll sich wieder auf freiem Fuß befinden, berichtete aber von Misshandlungen.

Dabei sind zudem mindestens zwei Menschen getötet worden. Lukaschenko wies die Behörden an, weiter keine Demonstrationen zuzulassen, besonders in der Hauptstadt Minsk. Dort gab es zuletzt die größten Proteste. Die Milizionäre zeigten auf dem Prospekt der Unabhängigkeit am Mittwoch erstmals wieder deutlich stärker Präsenz als in den vergangenen Tagen.

Noch kurz vor dem Sondergipfel hatte die Opposition die EU dazu aufgefordert, die Wahl Lukaschenkos nicht anzuerkennen. Aus dem Exil in Litauen sagte die Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja: „Verehrte Anführer Europas, ich rufe Sie dazu auf, das Aufwachen von Belarus zu unterstützen.“

Lukaschenko selbst forderte die EU-Staaten hingegen dazu auf, sich mit ihren eigenen Problemen zu befassen. „Bevor sie mit dem Finger auf uns zeigen, sollten sie die Themen wie die «Gelbwesten» in Frankreich oder die schrecklichen Unruhen in den USA auf die Tagesordnung ihrer Treffen setzen.“

Lukaschenko lehnt Gespräch mit Merkel ab

Lukaschenko wies sein Außenministerium an, die europäischen Politiker vor einem Schüren von Unruhen zu warnen. Merkel und ihre Kollegen sollten diese Warnung erhalten. Das Ministerium solle dabei „nicht schüchtern“ sein, sagte der Machthaber.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bemühte sich nach eigenen Angaben angesichts der Lage in Belarus rund um das strittige Wahlergebnis persönlich um ein Gespräch mit Staatschef Alexander Lukaschenko. Dies sei jedoch abgelehnt worden, berichtete sie.

Deutschland könne daher keine echte Vermittlerrolle in dem Konflikt einnehmen. Man wolle aber helfen, dass die friedlich demonstrierende Zivilgesellschaft eine faire Chance bekomme. Letztlich müsse Belarus „seinen Weg für sich alleine finden“, das funktioniere nur über einen Dialog im Land und nicht über Einmischung von außen.

Auch Michel stellte sich hinter die friedlich Demonstrierenden. „Wir stehen an eurer Seite in eurem Wunsch, eure demokratischen Grundrechte auszuüben, und in eurem Wunsch nach einer friedvollen, demokratischen und erfolgreichen Zukunft“, betonte er.

Der Kreml in Moskau hatte vor dem Gipfel Merkel, Michel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron vor einer Einmischung im strategisch wichtigen Nachbarland gewarnt. Außenminister Sergej Lawrow räumte zwar ein, dass die Wahl nicht „ideal“ gelaufen sei. Der Westen solle jedoch die politische Krise nicht zu seinem eigenen Vorteil nutzen.

Michel entgegnete: Bei der politischen Krise in Belarus gehe es nicht um Geopolitik, sondern um das Recht der Menschen, ihre Führung frei zu wählen. Er rief die belarussischen Behörden dazu auf, einen friedlichen Weg aus der Krise zu finden, indem die Gewalt beendet und ein nationaler Dialog begonnen würden.

In Antwort auf die Polizeigewalt bei Demonstrationen hatten die Außenminister der EU-Staaten bereits vergangene Woche Sanktionen gegen Unterstützer Lukaschenkos auf den Weg gebracht. Michel machte deutlich, dass diese „in Kürze“ beschlossen werden sollten. Es handele sich um eine „erhebliche Anzahl an Personen, die für Gewalt, Unterdrückung und Wahlbetrug verantwortlich sind“.

Die Menschen in Belarus demonstrierten am Mittwoch unterdessen den elften Tag infolge gegen Lukaschenko und begaben sich in Streik. In Staatsbetrieben legten Beschäftigte erneut die Arbeit nieder, allerdings weniger als zu Wochenbeginn, wie das unabhängige Portal tut.by berichtete. Protestaktionen gab es auch in anderen Städten des Landes. Doch auch Unterstützer Lukaschenkos versammelten sich zu Straßenprotesten.

Am Mittwochabend wollte der Koordinierungsrat der Opposition für einen friedlichen Machtwechsel eine Pressekonferenz geben. Das Gremium setzt sich für einen Dialog mit der Staatsführung ein, um den Machttransfer zu organisieren. Ziel ist es, dass alle Gefangenen freigelassen und dann Neuwahlen angesetzt werden. Lukaschenko warnte bereits, gegen das Gremium vorgehen zu wollen.

© dpa-infocom, dpa:200819-99-220184/8
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