Es gab Schlagzeilen und viele Hinweise – aber auch drei Tage nach der Bekanntgabe der Mordermittlungen gegen einen Deutschen im Fall des seit 13 Jahren verschwundenen Mädchens Maddie wurden keine weiteren Details offiziell bekannt.
Die aufsehenerregenden Erkenntnisse im Fall Maddie nähren nicht nur die Hoffnung auf eine späte Lösung des Falls, sie veranlassen auch andere Ermittler, ihre Akten durchzugehen.
„Wenn es solche neuen Details gibt, gehört es zu den Routineaufgaben der Polizei, nach Parallelen für ihre alten Fälle zu suchen“, sagte ein Polizeisprecher aus Niedersachsen der Deutschen Presse-Agentur. Die kleinste Chance auf neue Ermittlungsansätze werde genutzt.
Nach dem internationalen Medienecho erhoffen sich die Ermittler Hinweise aus der Bevölkerung, die doch noch zum Durchbruch führen. Das Bundeskriminalamt (BKA) und die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatten am Mittwoch überraschend in einem Zeugenaufruf bekanntgegeben, dass ein 43-jähriger Deutscher in dem Fall unter Mordverdacht steht.
Der aufsehenerregende Aufruf zur verschwundenen Maddie am Mittwochabend in der ZDF-Sendung Aktenzeichen XY… ungelöst nährt die Hoffnung, den Fall doch noch lösen zu können. Das damals dreijährige britische Mädchen Madeleine McCann war am 3. Mai 2007 aus einer Appartementanlage im portugiesischen Ferienort Praia da Luz verschwunden.
Die Ermittler vermuten, dass der heute 43-Jährige das Mädchen entführte und umbrachte. Es gebe viele Hinweise, aber die Beweiskette sei nicht geschlossen. „Für einen Haftbefehl oder eine Anklage reicht es noch nicht aus“, sagte Hans Christian Wolters von der Staatsanwaltschaft Braunschweig am Freitag. Profiler Axel Petermann hatte erklärt, dass der Verdächtige angesichts der äußeren Rahmenbedingungen als Täter in Frage komme.
BKA am Mittwoch mit Zeugenaufruf
Der Verdächtige ist mehrfach wegen Sexualstraftaten auch an Kindern vorbestraft und sitzt derzeit in Kiel eine Haftstrafe ab, die das Amtsgericht Niebüll 2011 gegen ihn verhängt hatte. Dabei ging es um den Handel mit Betäubungsmitteln. Parallel ist wegen Vergewaltigungsvorwürfen gegen ihn Untersuchungshaft angeordnet.
Zuletzt verurteilte ihn das Landgericht Braunschweig am 16. Dezember 2019 wegen schwerer Vergewaltigung unter Einbeziehung früherer Strafen zu sieben Jahren Haft. Er hatte 2005, rund eineinhalb Jahre vor dem Verschwinden Maddies, in Praia da Luz eine damals 72-jährige Amerikanerin vergewaltigt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Revision liegt beim Bundesgerichtshof.
Als Maddie in Praia da Luz an der Algarve verschwand, war der Mann 30. Er hielt sich zwischen 1995 und 2007 regelmäßig in der Region auf, einige Jahre davon in einem Haus zwischen Lagos und Praia da Luz. Sowohl in Deutschland als auch Portugal wurde er mehrmals straffällig. Laut Spiegel weist das Strafregister des Mannes insgesamt 17 Einträge auf.
Eine britische Zeugin will den 43-jährigen verdächtigen Deutschen nach einem Bericht der Sun wiedererkannt haben. Er soll sich damals in der Nähe des Appartements der Familie McCann merkwürdig verhalten haben.
Die Zeitung beschreibt die Frau als „glaubwürdige Zeugin“, die den Mann schon wenige Stunden nach dem Verschwinden des kleinen Mädchens in der Ferienanlage in Portugal beschrieben haben soll. Als ihr nun ein Bild von dem Verdächtigen gezeigt wurde, sagte sie der Sun zufolge: „Das ist der Mann, den ich gesehen habe.“ Scotland Yard wollte den Bericht auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Samstag nicht kommentieren.
Die Ermittler schließen weitere bislang unbekannte Straftaten des Mannes nicht aus. Die Staatsanwaltschaft Stendal prüft mögliche Parallelen zwischen dem Fall Maddie und einem Fall in Sachsen-Anhalt. Dort verschwand am 2. Mai 2015 das fünfjährige Mädchen Inga aus Schönebeck. Es werde nach Anhaltspunkten für Zusammenhänge zum Fall Inga gesucht, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Nach Medienberichten werden in mehreren weiteren Fällen Verbindungen geprüft.
Bei der Suche nach einem Straftäter können laut dem Kriminalistik-Experten Bernd Fuchs auch die kleinsten Spuren nach Jahren noch zur Lösung des Falles beitragen. „Da ist jede Dienststelle gut beraten, die Asservate gut aufzubewahren“, sagte der Chefredakteur der Fachzeitschrift Kriminalistik und ehemalige Kriminaldirektor der Deutschen Presse-Agentur. Gerade mit den Fortschritten in der DNA-Technik täten sich ungeahnte Möglichkeiten auf.