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Profiler zu Fall Maddie: Vieles deutet auf Verdächtigen hin

Im portugiesischen Praia da Luz war Maddie 2007 verschwunden. Foto: Armando Franca/AP/dpa
Im portugiesischen Praia da Luz war Maddie 2007 verschwunden. Foto: Armando Franca/AP/dpa

Wer ist der Mann, der nach Ansicht der Ermittler die kleine Madeleine McCann getötet haben könnte? Immer mehr Einzelheiten werden über den bereits inhaftierten Deutschen bekannt – demnach hat der 43-Jährige bereits ein beachtliches Vorstrafenregister.

Im Fall der verschwundenen dreijährigen Madeleine „Maddie“ McCann aus Großbritannien werden immer mehr Details über den inzwischen des Mordes verdächtigen Deutschen bekannt.

Der aufsehenerregende Zeugenaufruf zur verschwundenen Maddie nährt die Hoffnung, den rund 13 Jahre alten Fall doch noch lösen zu können.

„Für einen Haftbefehl oder eine Anklage reicht es noch nicht aus“, sagte jedoch Hans Christian Wolters von der Staatsanwaltschaft Braunschweig am Freitag. Trotz vieler Hinweise fehlt bisher wohl der entscheidende Beweis. Unterdessen suchen Ermittler in Sachsen-Anhalt nach möglichen Verbindungen zum Fall der fünfjährigen Inga, die dort 2015 verschwand.

Nach Ansicht des Profilers und Kriminalexperten Axel Petermann deuten die Indizien im Fall Maddie darauf hin, dass der Verdächtige das Mädchen nicht nur missbraucht, sondern auch ermordet haben könnte.

„Von den äußeren Rahmenbedingungen könnte er durchaus als Täter in Frage kommen“, sagte der frühere Bremer Mordermittler der Deutschen Presse-Agentur. „Er war zur Tatzeit dort, hat offensichtlich eine Präferenz für Kinder, die er auch missbraucht hat, und scheint als Einbrecher in Hotelanlagen tätig gewesen zu sein.“

Auf der anderen Seite scheine es aber noch keinen konkreten Tatverdacht zu geben, da kein Haftbefehl erlassen wurde und nicht einmal eine Öffentlichkeitsfahndung mit seinem Namen und Foto erfolgte.

„Täter dieser Couleur haben eine latente Tatbereitschaft und entsprechende Fantasien und Neigungen“, erklärte Petermann, der auch als Berater des Bremer ARD-Tatort bekannt wurde.

Es könne gut sein, dass der Mann das schlafende Mädchen bei einem Einbruch zufällig entdeckt habe, es zu einem Motivwechsel gekommen sei und er sich daraufhin an dem Kind vergangen habe.

Verdächtiger aktuell in Haft

Am Mittwochabend gaben Bundeskriminalamt (BKA) und Staatsanwaltschaft Braunschweig überraschend bekannt, dass ein 43-jähriger Deutscher in dem Fall unter Mordverdacht steht, der mehrfach wegen Sexualstraftaten auch an Kindern vorbestraft ist.

„Was genau der Auslöser für die Veröffentlichung und einen erneuten Zeugenaufruf war, blieb unklar. Den Ermittlern wird aber bewusst gewesen sein, welches riesige Echo der erneute Bericht über das Schicksal des Mädchens in der ZDF-Sendung «Aktenzeichen XY… ungelöst» hervorrufen würde“, so die dpa.

Schnell war klar, dass es sich bei dem Verdächtigen um einen Mann handelt, der derzeit in Kiel eine alte Haftstrafe absitzt, die das Amtsgericht Niebüll bereits 2011 gegen ihn verhängt hatte. Dabei ging es um Handel mit Betäubungsmitteln. Parallel ist wegen Vergewaltigungsvorwürfen gegen ihn Untersuchungshaft angeordnet.

Denn zuletzt verurteilte ihn das Landgericht Braunschweig am 16. Dezember 2019 wegen schwerer Vergewaltigung unter Einbeziehung früherer Strafen zu sieben Jahren Haft. Er hatte 2005, rund eineinhalb Jahre vor dem Verschwinden Maddies, in Praia da Luz eine damals 72-jährige Amerikanerin vergewaltigt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Revision liegt beim Bundesgerichtshof.

Ebenfalls in Praia da Luz verschwand am 3. Mai 2007 die kleine Maddie aus einer Appartementanlage. Die Eltern waren zu der Zeit in einem nahe gelegenen Restaurant essen. Die Ermittler waren von einer Entführung ausgegangen. Zeitweise standen auch die Eltern selbst unter Verdacht. Sie hatten sich mit teils emotionalen Aufrufen immer wieder an die Öffentlichkeit gewandt, um Informationen über den Verbleib ihrer Tochter zu erhalten.

„Wir gehen davon aus, dass das Mädchen tot ist“, bekräftigte der Sprecher der Braunschweiger Staatsanwaltschaft, Hans Christian Wolters. Bewiesen ist noch nichts, aber die Nachricht über die neuen Erkenntnisse sorgte für viel Aufsehen, vor allem in Großbritannien und Portugal.

Zahlreiche Hinweise

Mit ihrem erneuten Zeugenaufruf haben die Ermittler ein wichtiges Ziel erreicht: Die ZDF-Sendung «Aktenzeichen XY… ungelöst», die den Fall am Mittwochabend thematisiert hatte, habe große Resonanz erfahren, sagte Wolters der dpa. „Es sind zahlreiche Hinweise eingegangen, die derzeit ausgewertet werden.“ Mehr als 5,2 Millionen Zuschauer hatten die ZDF-Fahndungssendung gesehen, im Fokus standen dabei auch Fahrzeuge und eine portugiesische Telefonnummer.

Immer mehr Details werden über den Mordverdächtigen bekannt. Er lebte zwischen 1995 und 2007 regelmäßig an der Algarve, darunter einige Jahre in einem Haus zwischen Lagos und Praia da Luz. Immer wieder pendelte er zwischen Deutschland und Portugal, wurde in beiden Ländern mehrmals straffällig. Laut Spiegel weist das Strafregister des Mannes insgesamt 17 Einträge auf.

Die Ermittler in Braunschweig sind für den Fall zuständig, weil der Verdächtige seinen letzten deutschen Wohnsitz in der Stadt hatte. Ab Dezember 2012 eröffnete er zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin einen Kiosk in Braunschweig. Nach der Trennung führte er den Laden allein weiter, bis er nach etwa eineinhalb Jahren den Kiosk und die angrenzende Wohnung aufgrund eines Burnouts aufgab.

„Ich habe ihn als aggressiv erlebt“, zitierte die Bild am Freitag den Nachmieter. Der nun Mordverdächtige habe bei vielen Leuten Schulden gehabt, sagte der Mann dem Blatt. Schon zuvor hatte eine frühere Nachbarin aus Portugal den Verdächtigen als aggressiv beschrieben. „Er war immer ein bisschen wütend, ist die Straße schnell hoch und runter gefahren (…)“, berichtete die Frau dem britischen Sender Sky News.

Derweil sucht die Staatsanwaltschaft Stendal nach möglichen Verbindungen mit dem Fall Inga, die im Alter von fünf Jahren am 2. Mai 2015 bei einem Familienausflug in Sachsen-Anhalt verschwand. Es werde geprüft, ob es Anhaltspunkte für Zusammenhänge gebe und ob sich daraus ein Anfangsverdacht gegen den Tatverdächtigen im Fall Maddie ergebe, teilten die Ermittler in Stendal am Freitag mit. Weitere Details wurden dabei nicht genannt.

Bild zitierte den Aktenzeichen XY… ungelöst Moderator Rudi Cerne unterdessen mit den Worten: „Wir müssen festhalten an dieser Stelle: Es gibt noch keine Leiche, es gibt auch keinen dringenden Tatverdacht, es gibt Indizien, es gibt Hinweise, es gibt Tipps, es gibt aber keinen Beweis und es gibt kein Geständnis. Das ist jetzt eine Sisyphusarbeit, aber die Ermittler sind sehr sorgfältig, und ich habe den Eindruck, die Schlinge zieht sich da immer weiter zu.“

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