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Demonstrationen am 1. Mai: Gewalt beim Tag der Arbeit in Berlin

In Berlin wurde eine Demo abgebrochen, nachdem der Versammlungsleiter selbst aus der Menge angegriffen wurde. Foto: Christoph Soeder/dpa
In Berlin wurde eine Demo abgebrochen, nachdem der Versammlungsleiter selbst aus der Menge angegriffen wurde. Foto: Christoph Soeder/dpa

Tausende wollten am Abend des 1. Mai im Demonstrationszug in Berlin mitlaufen. Doch die Stimmung kippte schnell. Brennende Müllcontainer und Angriffe gegen Polizisten bestimmten zum Schluss das Bild.

Nach heftigen und gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei ist in Berlin die „revolutionäre 1.Mai-Demonstration“ mit Tausenden Teilnehmern abgebrochen worden.

Der Versammlungsleiter der Demonstration habe am Samstagabend den Protest für beendet erklärt, nachdem er selbst aus der Menge angegriffen worden sei, teilte die Polizei mit.

Die „revolutionäre 1.Mai-Demonstration“ wollte vom Hermannplatz in Neukölln nach Kreuzberg ziehen, ein Teil kam aber nur bis zur Sonnenallee. Die Polizei musste sich dort gegen heftige Angriffe zur Wehr setzen. Es hagelte Steine und Flaschen gegen Einsatzkräfte. Randalierer zerrten Müllcontainer und Paletten auf die Straße und zündeten sie an. Immer wieder loderten an verschiedenen Stellen Flammen auf.

Polizeipräsidentin Barbara Slowik verurteilte die gewaltsamen Angriffe als „inakzeptabel“. Am Mai-Feiertag hätten aber die meisten Demonstranten bewiesen, dass man mit Masken und Abstand demonstrieren könne.

Geschätzt seien etwa 30 000 Menschen bei verschiedenen Versammlungen gewesen. Es habe 240 Festnahmen gegeben, sagte Slowik. Bei der abendlichen Demo mit 8000 bis 10 000 Demonstranten seien nach erster Schätzung 20 Einsatzkräfte verletzt worden. Die Zahl könne noch steigen.

Teilnehmer der «Demonstration zum revolutionären 1. Mai» in Berlin. Foto: Michael Kappeler/dpa
Teilnehmer der «Demonstration zum revolutionären 1. Mai» in Berlin. Foto: Michael Kappeler/dpa

In Neukölln wurden am Abend immer wieder Polizisten angegriffen, als sie Störer aus dem Zug ziehen wollten. Es gab Festnahmen, Polizisten setzten Pfefferspray ein. Sanitäter waren im Einsatz. Auch in der Nähe der Neukölln Arcaden wurden Teilnehmer festgenommen.

Die Polizei hatte zunächst am Rathaus Neukölln einen Block mit schwarz gekleideten Demonstranten isoliert, die Corona-Vorschriften seien nicht eingehalten worden. Die Gruppe sei von der Versammlung ausgeschlossen worden. Die „revolutionäre 1.Mai-Demonstration“ sollte sich gegen Rassismus, Kapitalismus sowie die Mietenpolitik richten.

Polizeisprecher Thilo Cablitz sagte, zu den heftigen Angriffen gegen Einsatzkräfte sei es gekommen, nachdem der vordere Teil der Demonstration weitergezogen war. Die Demo-Organisatoren warfen der Polizei laut Mitteilung vor, den Zug auf der Karl-Marx-Straße getrennt zu haben. Es sei grundlos auf Demonstrierende eingeprügelt worden.

Der SPD-Innenexperte Tom Schreiber twitterte, Links- und Rechtsextremisten sei Covid-19 egal. Beide stünden für den Hass und die Gewalt gegen Polizisten. „Es sind Feinde der Demokratie“.

Gegen Mitternacht war die Lage laut Polizei weitgehend beruhigt. Ab 22.00 Uhr galt auch in der Hauptstadt die nächtliche Ausgangssperre. Trotzdem waren noch zahlreiche Menschen in Kreuzberg am Paul-Lincke-Ufer und im Mauerpark unterwegs. Sie feierten teils bei lauter Musik. Ein Hubschrauber kreiste nach 23.00 Uhr über dem Mauerpark.

Die Menschen werden angesprochen und aufgefordert, nach Hause zu gehen, wie eine Polizeisprecherin sagte. Wie viele Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten geschrieben wurden, stand noch nicht fest. Eine Bilanz der Polizei wurde am Sonntag erwartet.

Die Polizei war am 1. Mai stadtweit mit einem großen Aufgebot im Einsatz. Etwa 5600 Beamte sicherten seit dem Vormittag zahlreiche Demonstrationen. Die Hauptstadt-Polizei wurde von Beamten aus mehreren Bundesländern und der Bundespolizei unterstützt. Tagsüber verlief nach Einschätzung der Polizei alles friedlich. Knapp 60 Anzeigen seien bis zum Nachmittag erstattet worden, vorwiegend wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz.

Unerwartet viele Menschen beteiligten sich am Nachmittag an einem kilometerlangen Fahrradkorso durch Berlin-Grunewald. Rund 10 000 Radler fuhren durch das Villenviertel. Die satirische Demonstration stand unter dem Motto „Grunewald noch lahmer legen“. Auf einem Plakat stand „Faire Miete statt Profite“. Die Aktion verlief laut Polizei friedlich. Ursprünglich waren nur 2500 Teilnehmer angemeldet.

Bei einem Protest von rund 200 Gegnern der Corona-Einschränkungen in Berlin-Lichtenberg führte die Polizei am Mittag schon zu Beginn mehr als ein Dutzend Teilnehmer ohne Maske zur Seite und nahm ihre Personalien auf. Es wurden Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten gestellt.

Demos in anderen Städten

In Leipzig kesseln Polizisten Teilnehmer einer linken Demonstration ein. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa
In Leipzig kesseln Polizisten Teilnehmer einer linken Demonstration ein. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

In Hamburg löste die Polizei eine Versammlung vor der Roten Flora mit Wasserwerfern auf. Hunderte Menschen hatten sich am Nachmittag auf der Piazza vor dem linksautonomen Zentrum versammelt, ohne den Mindestabstand zu beachten.

Nach mehrmaliger Aufforderung, den Platz zu verlassen, spritzten zwei Wasserwerfer die Straße frei. Am Abend stoppte die Polizei eine nicht genehmigte Demonstration von Linksradikalen gestoppt und setzte rund 150 Demonstranten am Lohmühlenpark in St. Georg fest.

Schon am Mittag wurde eine Demonstration mit laut Polizei rund 80 Linksextremisten zwischen Schanzenpark und U-Bahnhof Schlump gestoppt. Es kam vereinzelt zu Handgreiflichkeiten, als Beamte die Demonstranten aus der anarchistischen Szene von der Straße drängten.

Eine Gruppe von mehr als 40 größtenteils schwarz gekleideten Demonstranten wurde wenig später in der Nähe der Messehallen von der Polizei eingekesselt. Sie seien in Gewahrsam genommen worden, sagte ein Polizeisprecher.

Bei einer Mai-Demonstration linker Gruppen in Frankfurt setzte die Polizei am Samstagabend Schlagstöcke ein. Aus dem Demonstrationszug seien Feuerwerkskörper und Nebeltöpfe geworfen worden, berichtete ein Polizeisprecher. Auch seien Beamte angegriffen worden. Es habe daher erste Festnahmen gegeben.

Die deutlich wahrnehmbaren Wasserwerfer setzte die Polizei zunächst nicht ein. Die Polizei sprach von mindestens 3000 Menschen, die sich zu einem „Tag der Wut“ zunächst auf dem Opernplatz versammelt hatten und dann durch das Bahnhofsviertel zogen.

In Leipzig berichtete die Polizei von Böllerwürfen auf ihre Einsatzkräfte. Demnach waren rund 200 Teilnehmer einer vorherigen Kundgebung in Richtung des Stadtteils Connewitz gezogen.

Mobile Aufzüge seien derzeit allerdings nicht erlaubt, sagte ein Polizeisprecher. Daher habe die Polizei dort Kräfte zusammengezogen. Aus einer Gruppe von 20 bis 30 Menschen seien Pyrotechnik und Gegenstände auf die Polizisten geworfen worden. Daraufhin seien mehrere Verdächtige festgesetzt worden.

In thüringischen Städten wurden vor Gerichten weiße Rosen als eine Reaktion auf das umstrittene Maskenurteil eines Weimarer Amtsrichters niedergelegt, zum Teil wurde der Familienrichter als „Verteidiger des Rechtsstaats“ bezeichnet. Er hatte Anfang April mit einem Beschluss die Maskenpflicht an zwei Schulen in Weimar ausgesetzt. Daraufhin wurden mehrere Anzeigen gegen ihn erstattet. Die Staatsanwaltschaft geht nun der Frage nach, ob der Jurist seine Zuständigkeit überschritten hat.

An einem Autokorso in Erfurt, zu dem die Thüringer AfD am Tag der Arbeit aufgerufen hat, haben sich nach Polizeiangaben rund 240 Fahrzeuge beteiligt. An einem NPD-Aufzug in Greifswald nahmen laut Polizei etwa 170 Menschen teil, auch in Essen protestierte die Partei. Im sächsischen Plauen demonstrierte die rechtsextreme Kleinstpartei III. Weg, die Veranstalter mussten sich aber mit 25 Teilnehmern begnügen.

In Bayern fand die größte Demo des Tages auf Motorrädern statt. Rund 7500 Motorradfahrer demonstrierten in Nürnberg gegen mögliche Wochenend-Fahrverbote. Der Bundesrat hatte diese vor einem Jahr der Bundesregierung für besondere Konfliktfälle nahegelegt – also in Gemeinden, in denen die Bürger stark unter Motorradlärm leiden.

© dpa-infocom, dpa:210501-99-430617/9

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