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Corona lässt Bier-Absatz 2020 auf historisches Tief sinken

Ein Glas Bier steht in einer Kneipe im Berliner Bezirk Wilmersdorf im Thekenbereich. Foto: Christoph Soeder/dpa
Ein Glas Bier steht in einer Kneipe im Berliner Bezirk Wilmersdorf im Thekenbereich. Foto: Christoph Soeder/dpa

Noch nie haben die Deutschen so wenig Bier getrunken, wie im vergangenen Jahr. Die Brauereien und Bierlager setzten 2020 mit 8,7 Milliarden Litern 5,5 Prozent weniger ab als im Jahr 2019. Das ist ein historisch niedriges Maß.

Die Corona-Krise hat den Bier-Absatz in Deutschland im Jahr 2020 auf ein historisch niedriges Maß gedrückt.

Die Brauereien und Bierlager setzten im vergangenen Jahr 8,7 Milliarden Litern weniger ab als im Jahr 2019, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden berichtete. Es war der niedrigste Wert seit der Neufassung des Biersteuergesetzes im Jahr 1993, das die Grundlage der Statistik bildet.

Der mengenmäßige Rückgang um 5,5 Prozent zum Vorjahr zeige die dramatische Lage nur sehr unzureichend, klagt der Brauerbund. Vor allem kleinere Betriebe müssen längst ums Überleben kämpfen, während wenige große Brauereien von dem gestiegenen Flaschenbierverkauf im Einzelhandel profitierten.

Den Brauern fehlten im Jahr 2020 vor allem die Feste und Großveranstaltungen, die zur Abwehr der Pandemie abgesagt worden waren. Auch die Schließungen von Gaststätten und Restaurants führten zu weniger Bierkonsum. Ein schneller Wiederanstieg des Absatzes war hingegen im Sommer zu beobachten, als kurzfristig die Lokale wieder öffnen durften.

Die große Pleitewelle ist noch ausgeblieben, sagt Holger Eichele, Präsident des Deutschen Brauerbundes. Er ist normalerweise stolz auf die vielfältige Brautradition im Land. Mehr als 1400 Unternehmen hat der Verband bundesweit gelistet, die meisten verkaufen ihr Bier ausschließlich im engen Umkreis um ihre Braustätte. „Die merken jedes ausgefallene Volksfest.“

Flaschenverkauf Ausgleich für Branchengrößen

Im hessischen Darmstadt fehlten im vergangenen Jahr Ereignisse wie das Hainerfest oder das Musik-Festival im Schlossgraben, wo schon mal bis zu 500.000 junge Menschen mit viel Bier die Nächte durchfeiern.

Die Darmstädter Privatbrauerei der Familie Koehler hat 2020 nach eigenen Angaben einen Verlust von 1,1 Millionen Euro erlitten statt des erwarteten Gewinns von 200.000 Euro. „Wir werden acht, neun Jahre brauchen, um das wieder aufzuholen. Da muss man sich schon fragen, wie lange das noch so gehen kann“, sagt Seniorchef Wolfgang Koehler.

Die Branchengrößen konnten ihre Gastroverluste besser mit einem gesteigerten Flaschenbierabsatz über den Lebensmitteleinzelhandel ausgleichen. Das Fachportal ‚Inside‘ sieht bei bekannten nationalen Marken wie Krombacher (-4,8 Prozent), Oettinger (-1,5 Prozent) oder Veltins (-3,5 Prozent) vergleichsweise kleine Mengenverluste. Schon härter hat es Bitburger (-8,0 Prozent) und Warsteiner (-16,2 Prozent) mit ihren höheren Gastro-Anteilen getroffen.

„Davon können wir nur träumen“, sagt Christian Kerner vom Kölner Brauereiverband. In der Domstadt verkaufen die Brauhäuser traditionell einen sehr hohen Anteil ihres Kölsch direkt über die Tresen der Gaststätten, sind vom abermaligen Lockdown also besonders hart getroffen.

Mit Sonderangeboten für Flaschenbier oder Hauslieferungen versuchen die kleinen Brauer gegenzusteuern, können aber auch die fehlenden Großveranstaltungen im Stadion oder der Köln-Arena nicht ausgleichen, sagt Kerner. „Das alles fängt die Verluste beim Fassbier nicht auf, zumal beim Flaschenbier die Marge deutlich kleiner ist.“ Und weil in diesem Jahr auch noch die Karnevals-Saison ausfällt, könnte 2021 alles noch schlimmer werden.

Hoffnung auf Hilfen

Veltins-Chef Michael Huber rechnet über das gesamte Jahrzehnt mit corona-bedingten Betriebsaufgaben bei der Konkurrenz.

Zwar habe der Bund aktuell mit Steuerstundungen und Ausgleichsmaßnahmen für angeschlossene Gastronomiebetriebe umfassend Sorge getragen, dass die wirtschaftlich schwierige Situation gemildert wurde. Doch das werde nicht ausreichen: „Für viele Regionalbrauer wurde augenfällig, wie instabil sich ihre Marktposition mit schwindender Liquidität entwickelt hat.“

Die nach eigener Einordnung „sehr gastro-lastige“ Berliner Brauerei Lemke sucht neue Absatzkanäle über das Internet, will vom coolen Image der Hauptstadt im Export profitieren.

„Einen Umsatzrückgang von mehr als der Hälfte kann auf Dauer kein Unternehmen verkraften“, sagt Gründer Oli Lemke, der im laufenden Jahr Entlassungen nicht mehr ausschließen will. Immerhin gebe es inzwischen Aussicht auf staatliche Hilfen: „Nach den jüngsten Änderungen können wir nun wohl doch die November/Dezember-Hilfen für die Gastronomie bekommen. Unsere Steuerberater arbeiten am Limit, weil das alles extrem verschachtelt ist.“

Der Brauerbund verlangt weitere Hilfen: „Für die Gastronomie wurden weitreichende Hilfsmaßnahmen entwickelt – die 1500 überwiegend handwerklichen und mittelständischen Brauereien als indirekt Betroffene gehen jedoch bis auf wenige Ausnahmen leer aus“, sagt Eichele. „Von Woche zu Woche geraten mehr Brauereien unverschuldet in existenzielle Not. Wenn Bund und Länder hier nicht gezielt und entschieden gegensteuern, droht vielen Brauereien die Insolvenz.“

Auch die Koehlers in Darmstadt wollen weitermachen. „Wir stehen zum Glück noch ganz gut da und können auch unsere neue Abfüllanlage finanzieren, die wir kurz vor Corona bestellt hatten“, berichtet der Senior-Chef. „Aber in vielen Betrieben werden die Banken über das Ende entscheiden.“

Bier-Absatz seit Jahren rückläufig

Der Steuerstatistik zufolge gingen 82,6 Prozent des Bieres in den Verkauf im Inland, der 5,5 Prozent unter dem Vorjahreswert blieb. Auch der Export in die EU war deutlich rückläufig (- 13,1 Prozent), während in Nicht-EU-Staaten 3,7 Prozent mehr Bier abgesetzt werden konnte.

Biermischungen – Bier gemischt mit Limonade, Cola, Fruchtsäften und anderen alkoholfreien Zusätzen – machten im Jahr 2020 mit 437,3 Millionen Litern 5,0 % des gesamten Bierabsatzes aus. Gegenüber dem Jahr 2019 wurden 2,9 % weniger Biermischungen abgesetzt.

Der Bier-Absatz in Deutschland geht nicht erst seit dem Corona-Jahr 2020 zurück, er sinkt seit Jahren kontinuierlich: Seit 1993 – dem Jahr des Inkrafttretens der Neufassung des Biersteuergesetzes – hat sich die Menge des abgesetzten Bieres insgesamt um 2,5 Milliarden Liter oder 22,3 % verringert.

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