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Berufung gescheitert: Alexej Nawalny muss ins Straflager

Alexej Nawalny steht hinter Glas im Gerichtssaal. Foto: Alexander Zemlianichenko/AP/dpa
Alexej Nawalny steht hinter Glas im Gerichtssaal. Foto: Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

Die Verurteilung von Alexej Nawalny hat international für Empörung gesorgt. Der Kremlgegner wehrte sich dagegen – und muss vor der russischen Justiz wieder eine Niederlage einstecken.

Kremlgegner Alexej Nawalny muss in Russland eine mehrjährige Haftstrafe im Straflager antreten. Seine Anwälte scheiterten am Samstag vor einem Gericht in Moskau mit dem Versuch, das Anfang Februar verhängte Urteil aufzuheben.

Er gebe der Beschwerde nicht statt, sagte der Richter. Das Urteil von dreieinhalb Jahren Straflager bleibt damit bestehen. Das Team von Alexej Nawalny hatte den Prozess als politisch motiviert kritisiert und will das Urteil inklusive der Haft im Straflager weiter anfechten.

Derzeit sitzt der 44-Jährige in einer Haftanstalt in der russischen Hauptstadt. Möglicherweise wird er aber bereits nächste Woche verlegt. Die tatsächliche Zeit im Straflager dürfte dann für Alexej Nawalny kürzer ausfallen als dreieinhalb Jahre.

Die Anwälte von Alexej Nawalny gehen davon aus, dass ihm ein mehrmonatiger Hausarrest und frühere Haftzeiten angerechnet werden. Demnach könnte er nach zwei Jahren, sechs Monaten und zwei Wochen freikommen – Ende Juli oder Anfang August 2023.

Nawalny bezeichnet Vorwurf als „absurd“

Alexey Nawalny nahm den Richterspruch und das Urteil der Haft in einem Straflager gelassen auf. Auf Videoaufnahmen war zu sehen, wie er lachte.

Nawalny wird zur Last gelegt, gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen zu haben, während er sich in Deutschland von einem Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok erholte. Das Urteil hatte auch international für heftige Kritik gesorgt.

Alexej Nawalny bezeichnete den Vorwurf, er habe sich vor der Justiz verstecken wollen, am Samstag einmal mehr als „absurd“. Er sei Ende Januar freiwillig nach Russland zurückgekehrt. „Die ganze Welt wusste, wo ich mich aufhalte.“

Der Kreml-Kritiker war bei seiner Rückkehr nach Moskau noch am Flughafen festgenommen worden und sitzt seither hinter Gittern. Nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Nowosti könnte Alexej Nawalny schon kommende Woche in ein Straflager gebracht werden. Ein genauer Tag wurde zunächst nicht genannt.

Internationale Kritik an Urteil

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte Russland erst am Mittwoch aufgefordert, Alexej Nawalny unverzüglich aus der Haft zu entlassen.

Das Urteil im früheren Verfahren hatte das Menschenrechtsgericht schon 2017 als offenkundig unangemessen bezeichnet. Moskau wies die Forderung als Einmischung in innere Angelegenheiten zurück.

Indes will die Menschenrechtsorganisation Amnesty International eine Petition zur Freilassung Nawalnys an den Kreml überreichen. Dazu seien in mehreren Ländern fast 200.000 Unterschriften gesammelt worden, hieß es.

Alexej Nawalny werde wegen friedlicher politischer Aktivitäten im Kampf gegen Korruption verfolgt und weil er sein Recht auf freie Meinungsäußerung durchsetze.

Weiterer Prozess am Samstag

Für Samstagnachmittag war ein weiterer Prozess gegen Alexej Nawalny angesetzt – er muss sich damit an einem einzigen Tag zweimal vor Gericht verantworten.

Im zweiten Verfahren wird ihm vorgeworfen, einen 94 Jahre alten Teilnehmer des Zweiten Weltkrieges beleidigt zu haben. Am mittlerweile vierten Prozesstag wird auch das Urteil erwartet. Die Staatsanwaltschaft forderte eine hohe Geldstrafe, Nawalnys Anwältin plädierte auf Freispruch.

Nawalny hatte im vergangenen Jahre Protagonisten eines Propagandavideos zur umstrittenen Verfassungsänderung als „Verräter“ bezeichnet. Darin war auch der Veteran aufgetreten.

Alexej Nawalny beruft sich auf das Recht auf freie Meinungsäußerung. Seine Inhaftierung vor fast einem Monat hatte in Russland Massenproteste ausgelöst. Mehr als 11.000 Menschen wurden festgenommen. Nawalnys Team kündigte zuletzt an, die Proteste im Frühjahr und Sommer fortsetzen zu wollen.

Frage nach Vergiftung unbeantwortet

Alexej Nawalny war am 20. August während eines Inlandsflugs zusammengebrochen. Der Oppositionsführer kam zunächst in ein Krankenhaus in Sibirien. Zwei Tage später wurde er zur Behandlung nach Berlin geflogen.

Untersuchungen mehrerer Labore zufolge wurde Nawalny mit dem Kampfstoff Nowitschok vergiftet. Russland hingegen sieht keine Hinweise auf eine Vergiftung und deshalb keinen Grund für Ermittlungen.

In diesem Zusammenhang warf die russische Generalstaatsanwaltschaft Deutschland erneut mangelnde Kooperation vor.

Die deutsche Antwort auf eine Anfrage vom 21. Januar enthalte „eine wiederholte Weigerung zur Zusammenarbeit bezüglich der Umstände, die zu A. Nawalnys Krankenhausaufenthalt geführt haben“, hieß es in einer Mitteilung. Es sei offensichtlich, dass die deutsche Seite „für sie unangenehmen Fragen“ ausweiche.

Die Behörde hatte Deutschland schon früher vorgeworfen, vorherige Rechtshilfegesuche inhaltlich völlig unzureichend beantwortet zu haben. Das Bundesamt für Justiz hingegen hatte erklärt, vier russische Bitten beantwortet zu haben.

© dpa-infocom, dpa:210220-99-517609/7


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