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Französischer Altpräsident Giscard d’Estaing gestorben

Der frühere französische Staatspräsident Valery Giscard d'Estaing kommt 2014 zum Europa Forum der Konrad Adenauer Foundation in Berlin. Foto: Stephanie Pilick/dpa
Der frühere französische Staatspräsident Valery Giscard d'Estaing kommt 2014 zum Europa Forum der Konrad Adenauer Foundation in Berlin. Foto: Stephanie Pilick/dpa

Valéry Giscard d’Estaing gilt in Frankreich als ein ehrgeiziger Reformer der 1970er Jahre. Der Europafreund starb nun an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung. Nachfolger würdigen ihn als großen Staatsmann.

Paris (dpa) – Frankreich trauert um seinen früheren Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing. Der überzeugte Europäer war in seinem Haus im zentralfranzösischen Département Loir-et-Cher an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung gestorben, wie sein Umfeld der Deutschen Presse-Agentur mitteilte.

Der einstige Staatschef, der von 1974 bis 1981 im Élyséepalast regiert hatte, wurde 94 Jahre alt. „Valéry Giscard d’Estaing wird der Präsident bleiben, der Frankreich modernisiert hat“, schrieb einer seiner Nachfolger, der von 2017 bis 2017 regierende Sozialist François Hollande, bei Twitter. Giscard d’Estaing habe auch dazu beigetragen, das deutsch-französische Tandem zu stärken.

Der konservative Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, der von 2007 bis 2012 im Amt war, würdigte Giscard d’Estaing als einen Politiker, der Frankreich Ehre gebracht habe. Die sozialistische Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo nannte den Verstorbenen einen „überzeugten Europäer“.

Giscard d’Estaing war erst Mitte November nach einem fünftägigen Aufenthalt aus dem Krankenhaus im westfranzösischen Tours entlassen worden. Die Beisetzung solle im Familienkreis stattfinden, hieß es in der Erklärung aus seinem Umfeld. Ein Termin wurde nicht genannt.

Der Altpräsident hatte sich in der französischen Öffentlichkeit bis ins hohe Alter zu EU-Fragen geäußert. Noch im September vergangenen Jahres war der Zentrumspolitiker bei der Trauerfeier für seinen konservativen Nachfolger Jacques Chirac in Paris gewesen.

In den 1970er Jahren bildete er mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) ein medienwirksames deutsch-französisches Duo. Der Franzose hatte auch persönlich eine enge Beziehung zu Deutschland. Er wurde am 2. Februar 1926 in Koblenz im damals französisch besetzten Rheinland geboren.

Nach dem Tod von Präsident Georges Pompidou wurde er im Alter von 48 Jahren in das höchste Staatsamt gewählt. Von 2002 an führte Giscard d’Estaing den EU-Reformkonvent, der zur Erneuerung der Europäischen Union einen Verfassungsentwurf vorlegte. Mit dem Nein der Franzosen und der Niederländer bei Volksabstimmungen im Jahr 2005 scheiterte das Vorhaben jedoch spektakulär. Danach übernahm der EU-Vertrag von Lissabon wichtige Regelungen der abgelehnten Verfassung. 2003 erhielt der Europapolitiker Giscard d’Estaing den Karlspreis der Stadt Aachen.

Der CDU-Politiker Armin Laschet, der auch Bevollmächtigter Deutschlands für kulturelle Angelegenheiten in der deutsch-französischen Zusammenarbeit ist, würdigte den Verstorbenen auf Twitter: „Bei den Beratungen zur Europäischen Verfassung habe ich Valéry Giscard d’Estaing, den früheren Staatspräsidenten Frankreichs, erlebt als einen leidenschaftlichen Visionär mit pragmatischem Gespür für das Machbare. Er war ein Freund Deutschlands, der Europa fehlen wird.“

Giscard d’Estaing nahm im Juni zu einem gegen ihn erhobenen Vorwurf der sexuellen Belästigung Stellung. „Das ist alles grotesk“, sagte er dem französischen Radiosender RTL. Eine Reporterin des WDR hatte ihm vorgeworfen, sie sexuell belästigt zu haben. Er habe ihr „nach einem Interview, das ich mit ihm im Dezember 2018 in Paris geführt habe, mehrfach an das Gesäß gefasst“, hatte Ann-Kathrin Stracke der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Sie bestätigte, Strafanzeige wegen sexueller Belästigung gestellt zu haben. Die Pariser Staatsanwaltschaft nahm eine Untersuchung auf.

© dpa-infocom, dpa:201202-99-551131/6

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