Politik Topnews

Krisenmanagement, Abendessen, Grundbuchamt: Jens Spahn unter Druck

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wird von verschiedenen Seiten scharf kritisiert. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wird von verschiedenen Seiten scharf kritisiert. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Kaum ein Tag, an dem Jens Spahn die Menschen nicht zu angemessenem Verhalten in der Pandemie ermahnt. Doch verhält sich der Gesundheitsminister selbst immer angemessen?

Jens Spahn steht in der Pandemie im Fokus wie kein deutscher Politiker außer der Bundeskanzlerin – zunehmend gerät der Bundesgesundheitsminister aber unter Druck.

Heftige Kritik aus den Reihen der SPD und von der FDP zielte am Wochenende auf Spahns Corona-Krisenmanagement. Der CDU-Politiker verteidigte seine Teilnahme an einem Abendessen im vergangenen Oktober, in einer Zeit, in der die Infektionszahlen wieder stark anstiegen. Außerdem gibt es Kritik an Spahn im Zusammenhang mit einem Wohnungskauf.

ABENDESSEN IN LEIPZIG:

Angesichts damals steigender Infektionszahlen in Deutschland warnte Jens Spahn am Morgen des 20. Oktober in einem Interview vor Infektionsrisiken durch Feiern und Geselligkeit. Das Robert Koch-Institut appellierte an die Bevölkerung, Abstandsregeln auch im Freien, Lüften und Mund-Nasen-Bedeckungen zu beherzigen.

Jens Spahn nahm aber selbst an diesem Tag laut Spiegel an einem Abendessen mit etwa einem Dutzend Unternehmern in Leipzig teil – rund eineinhalb Stunden, wie sein Bundestagsbüro der Deutschen Presse-Agentur mitteilte.

Am Tag darauf kamen bei Jens Spahn nach einer Kabinettssitzung nach damaligen Angaben eines Sprechers Erkältungssymptome auf. Der Gesundheitsminister ließ sich testen und erhielt am selben Tag ein positives Ergebnis.

FDP-Generalsekretär Volker Wissing warf Spahn in der Bild am Sonntag nun vor, für sich „Sonderrechte“ definiert zu haben. Nach Angaben von Spahns Büro hingegen wurden bei dem Abendessen die Regeln der sächsischen Corona-Schutz-Verordnung auch laut dem Gastgeber eingehalten.

Nach Spahns Positivtest seien ferner das Gesundheitsamt und die anderen Teilnehmer des Abends informiert worden. Diese seien laut Gastgeber negativ getestet worden.

Jens Spahn sagte der Bild am Sonntag: „Jemanden unwissentlich anzustecken, hätte ich zutiefst bedauert. Das ist, wohl auch aufgrund der Vorsichtsmaßnahmen, nicht passiert.“ Unklar ist laut Spahn, wo er seine Infektion her hatte.

Nach der Veranstaltung in Leipzig gingen laut Spahns Büro Spenden von Teilnehmern ein – zur Unterstützung der Arbeit von Spahns CDU-Kreisverband Borken im Münsterland.

Die Bild-Zeitung berichtete, die Teilnehmer seien im Vorfeld des Abends vom Gastgeber aufgefordert worden, für Spahns Bundestagswahlkampf Spenden zu entrichten – und zwar knapp unterhalb der Grenze von 10 000 Euro zur Veröffentlichungspflicht von Spendernamen. Spahns Büro verweist bei konkreten Fragen zu den Spenden auf den CDU-Verband Borken. Der äußerte sich auf Anfrage am Wochenende zunächst nicht.

STREIT MIT BERLINER GRUNDBUCHAMT:

Bei dieser Sache geht es um eine Eigentumswohnung, die sich der Politiker nach Angaben seines Sprechers vom Mittwoch am 21. August 2017 gekauft hatte. Nach einem Bericht des Tagesspiegel richteten die Anwälte von Jens Spahn hierzu im vergangenen Jahr eine Aufforderung an das Amtsgericht Berlin-Schöneberg.

Die Juristen drangen demnach auf die Korrespondenz zwischen dem zu dem Gericht gehörenden, für die Immobilie zuständigen Grundbuchamt und diversen Medien. Die Anwälte von Jens Spahn hätten die Namen von Pressevertretern wissen wollen, die nach seinen Wohnungen sowie einer erworbenen Villa gefragt hätten.

Der Deutsche Journalisten-Verband warf Jens Spahn vor, private Immobiliengeschäfte „unter der Decke“ halten zu wollen. Spahns Sprecher betonte, Spahn habe als Privatperson lediglich sein Recht gegenüber dem Grundbuchamt geltend gemacht. „In welcher Wohnung er wohnt und zu welchem Preis er sie gekauft hat, ist seine Privatangelegenheit.“

SPAHNS CORONA-TEST-VERSPRECHEN:

„Ab 1. März sollen alle Bürger kostenlos von geschultem Personal mit Antigen-Schnelltests getestet werden können.“ Das kündigte Jens Spahn am 16. Februar an. Doch nun wird in Regierungskreisen erwartet, dass die Möglichkeit zur Schnelltestung für alle wohl rund eine Woche später kommt. Warum?

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte sich „irritiert“ gezeigt, dass „der Ankündigungsminister Spahn“ zurückrudern gemusst habe. Tatsächlich waren Bedenken aus den Bundesländern an der raschen Umsetzbarkeit der Testverordnung gekommen, und im Corona-Kabinett am 22. Februar stellte die Kanzlerin folglich gravierende Fragen zu den Tests.

Es ging auch darum, die Tests konkret mit einer Öffnungsstrategie zu verbinden. Das soll nun erst am Mittwoch, 3. März, bei der nächsten Bund-Länder-Corona-Runde geschehen. Auch Laien-Selbsttests sollten laut Jens Spahn nach der Zulassung für alle zugänglich werden. Wie erwartet sind die ersten zugelassen.

PANDEMIE-ERWARTUNGSMANAGEMENT:

Jens Spahn selbst hatte spätere Kritik geahnt. Im April 2020 sagte er, „dass wir miteinander wahrscheinlich viel werden verzeihen müssen in ein paar Monaten“. Noch nie in der Nachkriegsgeschichte hätten in so kurzer Zeit trotz vieler Unwägbarkeiten so tiefgreifende Entscheidungen getroffen werden müssen.

Als dann immer profilierterer Krisenmanager erschien er in der Folge. Als die Suche nach einem Kanzlerkandidaten bei der CDU vergangenes Jahr noch offener war als heute, wurde vereinzelt auch der Name Jens Spahn genannt.

Im Moment scheint eher die Kritik an ihm vorzuherrschen. Absetzbewegungen von ihm innerhalb der Union sind kaum bekannt. Laut einer Umfrage sind aber 56 Prozent der Bevölkerung mit Spahn nun „eher unzufrieden“, 28 Prozent „eher zufrieden“, so das Insa-Institut für die Bild am Sonntag.

Unmut erzeugte vor allem das Tempo der Impfkampagne. Dieses entspricht allerdings früheren Ankündigungen von Jens Spahn. 4,7 Prozent der Bevölkerung haben inzwischen eine Erstimpfung erhalten. Im Sommer – so hatte Spahn angekündigt – könnten alle Menschen ein Impfangebot haben.

Angela Merkel präzisierte später, dies solle bis zum Ende des Sommers geschehen. Laut den jüngsten Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung könnte Impfvollschutz für alle schon am 1. August gelingen. Für die Impfstoffbeschaffung in Deutschland ist vor allem die EU-Kommission zuständig. Für die Impforganisation sind es die Bundesländer.

Drei Wochen vor dem Impfstart sagte Jens Spahn Anfang Dezember: Er sei zuversichtlich, dass das Corona-Virus im Herbst in Deutschland unter Kontrolle sei. Merkel sagte damals, es bestehe Hoffnung auf Impfstoffe: „Dann können wir Schritt für Schritt das Virus besiegen.“

Seither sind die Virus-Mutationen neu dazugekommen – von einem vollständigen Sieg über Corona in absehbarer Zeit spricht niemand mehr. Kontrolle im Herbst ist hingegen auch laut dem Berliner Virologen Christian Drosten möglich. Sogar schon zum Sommer könne es je nach weiterem Impfverlauf immer mehr Immunschutz in der Bevölkerung geben, sagte er am Dienstag. Die Corona-Einschränkungen bräuchten dann immer weniger einschneidend sein. Oder das ziehe sich „in den Herbst“.

© dpa-infocom, dpa:210228-99-627529/3



[plista widgetname=plista_widget_belowArticle]

Hinterlasse einen Kommentar