Kienbaum (dpa) – Sieben Wochen können eine lange Zeit sein. Bei allem Fokus auf das Sportliche, den das Olympische und Paralympische Trainingszentrum in Kienbaum erlaubt, irgendwann war den deutschen Volleyballerinnen und ihrem Trainer die Beschaulichkeit und Ruhe zu viel.
„Es kann auf jeden Fall losgehen so langsam. In den letzten Tagen hat sich gefühlt ein kleiner Lagerkoller breitgetreten“, sagt Außenangreiferin Jennifer Janiska wenige Tage vor Beginn der Weltmeisterschaft in den Niederlanden und Polen mit einem Lachen.
Janiska lobt Teamspirit und Teamgeist
Auch Bundestrainer Vital Heynen stimmt seiner Spielerin zu. „Sieben Wochen waren zu lang im Kienbaum“, sagt der Belgier. „Fünf Kilometer, dann kommt das erste Haus, wo du etwas holen kannst.“ Am kommenden Sonntag steht für die Mannschaft das Auftaktmatch der Vorrunde gegen Bulgarien (19.00 Uhr/Sportdeutschland.tv) im niederländischen Arnhem an. Dann geht es gegen Kasachstan, Serbien, die USA und Kanada. Die besten vier Teams der Gruppe kommen in Runde zwei.
Alle, auch Diagonalangreiferin Lena Stigrot, loben die Vorbereitung und die Bedingungen. Die Mannschaft habe ihren Rhythmus gefunden, akribisch gearbeitet. Und der Stimmung hat es offenbar auch keinen Abbruch getan. „Ich muss sagen, dass ich schon lange nicht mehr so einen Teamspirit und Teamgeist erlebt habe“, sagt Janiska. „Alle haben Lust, dass das Turnier jetzt startet.“ Das wird vom Umgang untereinander über eine Floskel erhoben. Immer wieder scherzen der 53-jährige Trainer und seine Spielerinnen während des Gesprächs. Sprüche gehen in beide Richtungen.
„Es ist wirklich ein interessanter Mix, den wir haben“, sagt Stigrot. Die Mischung aus jüngeren und älteren Spielerinnen passe gut. Gerade auch einige Spielerinnen, wie etwa Laura Emonts vom SC Potsdam, die nach längerer Pause wieder dabei sind, würden sich sehr gut ins Team einfügen. „Es ist schwierig für die Gegner, sich auf Deutschland vorzubereiten“, sagt Heynen. „Wir haben 14 Joker.“ Die Mannschaft sei variabel besetzt, könne ein klassischeres System, aber auch das neue mit drei Spezialistinnen für die Annahme spielen.
Heynen will vor allem gute Leistungen sehen
Die Umstellung für Heynen, der nach langen und erfolgreichen Jahren als Männer-Trainer, Anfang des Jahres den Sprung zu den Frauen wagte, geht weiter. „Natürlich habe ich viel gelernt, aber noch fast jeden Tag denke ich: Wow, da habe ich nicht drüber nachgedacht“, sagt der Belgier. Es sei ein Perspektivwechsel, der jedem Mann gut tun könne. Die Anpassung sei Herausforderung und Bereicherung zugleich. „Wir sind wie Schwämme, die seine Erfahrung aufsaugen und das Vertrauen, das er in seine Teams hat“, sagt Stigrot.
Die Mannschaft steckt nach dem Wechsel von Ausnahmespielerin Louisa Lippmann zum Beach-Volleyball in einer Zwischenphase. In der Nationenliga im Sommer scheiterte das Team knapp an der Finalrunde. „Wir wollen die Vorrunde ganz klar überstehen“, sagt Janiska über das Ziel für die WM. Heynen will vor allem gute Leistungen sehen. Er hat einen längerfristigen Plan. „Das Ziel der Mannschaft ist, in drei Jahren wieder bei Olympia zu sein“, sagt der Belgier mit Blick auf die Spiele in Paris. Das gelang seit 2004 nicht mehr.
Für das Auftreten seines Teams bei der WM hat Heynen genaue Vorstellungen. „Dreckigen Volleyball will ich sehen“, sagt er. „Dreckig, aber ohne Fehler“, präzisiert Stigrot lachend.
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