(dpa) – Nationaltrainer Gareth Southgate dürfte es recht sein, dass dem Nations-League-Auftakt seines Teams in Ungarn zuhause kaum Beachtung geschenkt wurde.
Wegen der spektakulären Feierlichkeiten zum 70. Thronjubiläum der Queen kam das 0:1 der englischen Fußballer in der medialen Berichterstattung auf der Insel ungewöhnlich kurz. Doch wenn die Mannschaft am 7. Juni in Deutschland (20.45 Uhr/ZDF) zum Klassiker gegen die DFB-Elf antritt, wird das anders sein. Für Southgate und seine Spieler ist es auch ein Stimmungstest.
Herumprobieren, ohne den Erfolg zu gefährden
Weniger als ein halbes Jahr vor dem Beginn der WM hat der Coach einen schwierigen Spagat zu bewältigen. Weil Vize-Europameister England bis zum Turnier in Katar keine Freundschaftsspiele mehr bestreitet, muss er in den Pflichtspielen herumprobieren, ohne den sportlichen Erfolg in der Nations League zu sehr zu gefährden. „Wir streben eine Balance bei den Wechseln an, um uns ein Bild von den Spielern zu machen“, erklärte Southgate. „Wir müssen es in diesen Spielen versuchen.“
Nach dem missglückten Auftritt in Budapest – England verlor durch einen umstrittenen Strafstoß von Leipzig-Profi Dominik Szoboszlai – gab sich der 51-Jährige denn auch kaum überrascht. „Ich wusste, bevor wir in diesen Block mit vier Spielen gestartet sind, dass wir einige schmerzhafte Ergebnisse riskieren“, bekräftigte Southgate. Ohne Testspiele müsse er „das Gesamtbild betrachten“ und „mitnehmen, was ich daraus lernen kann, wenn wir nach Katar fahren“.
Wieder ein Zeichen gegen Rassismus setzen
Die Prioritäten sind zwar definiert. Doch Southgate weiß auch, dass die in den letzten Jahren hart erarbeitete Fußball-Stimmung in seinem Land, wo man seit dem WM-Titel 1966 auf einen zweiten Erfolg wartet, einen heftigen Dämpfer bekommen würde, sollte man gegen Deutschland verlieren. Den 2:0-Sieg gegen den alten Erzrivalen im EM-Achtelfinale vor einem Jahr hatten viele Engländer wie einen Titelgewinn gefeiert.
„Es war ein unglaublicher Tag“, erinnerte sich England-Profi Kalvin Phillips nun. „Es war eins der besten Spiele, an denen ich beteiligt war. Hoffentlich können wir so ein Spiel in ein paar Tagen wiederholen und wieder ein gutes Ergebnis holen.“
Vor dem Wiedersehen in München sorgt sich Southgate neben sportlichen Dingen obendrein um das Benehmen der Fans. 2017 waren englische Zuschauer in Dortmund unangenehm aufgefallen. Vor dem verlorenen EM-Finale gegen Italien war es 2021 am Londoner Wembley-Stadion zu chaotischen Zuständen gekommen. „Man schämt sich, wenn man sowas hört“, sagte Southgate und bat die knapp 3500 in München erwarteten Anhänger um gute Stimmung. „Wir haben keine Kontrolle darüber. Wir können nur darum bitten, dass unsere Fans liefern.“
Vor dem Anpfiff wollen die Three Lions in der Allianz-Arena wieder ein Zeichen gegen Rassismus setzen. In Budapest war die Mannschaft beim symbolischen Kniefall ausgebuht worden. „Ich habe keine Ahnung, warum Menschen während dieser Geste buhen“, sagte Southgate. Aufhören werde sein Team deshalb nicht. „Wir gehen auch auf die Knie, um Leute in der Welt aufzuklären und das Bewusstsein zu schärfen.“
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