Stolz und sichtlich erschöpft ließ sich Florian Wellbrock nach seiner Machtdemonstration bei Olympia und dem Gold-Gewinn Richtung Interview-Zone im Odaiba Marine Park fahren.
Aus einem überdimensionierten Golfcart heraus zeigte der Olympia-Champion im Freiwasserschwimmen die Siegerfaust, nach dem Aussteigen wurde er von seinen Teamkollegen in die Arme geschlossen.
Im Zehn-Kilometer-Rennen bestimmte der Doppel-Weltmeister vom Start an eindrucksvoll das Geschehen und schwamm zur ersten Olympia-Goldmedaille für den Deutschen Schwimm-Verband seit 13 Jahren.
„Für mich persönlich ist das, glaub ich, mein Sommermärchen heute“, sagte Wellbrock. Im Zielbereich krabbelte er zunächst auf allen vieren aus dem Wasser und ließ sich in der großen Hitze kaltes Wasser und ein nasses Handtuch reichen. Dann spannte er stolz den starken Bizeps an – die Geste passte am Tag seines bombastischen Auftritts.
„Ich bin begeistert“, sagte Bundestrainer Bernd Berkhahn. Der 50-Jährige räumte auch gut anderthalb Stunden nach dem Triumph seines Ausnahme-Athleten ein: „Das ist noch nicht wirklich angekommen. Dafür war jetzt zu viel Spannung die vergangenen Tage und Wochen. Aber das kommt schon noch.“
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Großer Vorsprung
Florian Wellbrock hatte nach 1:48:33,7 Stunden mit über 25 Sekunden Vorsprung vor dem Ungarn Kristof Rasovszky und dem Italiener Gregorio Paltrinieri angeschlagen. „Florian war heute auf einem anderen Planeten“, sagte Paltrinieri voller Respekt vor Wellbrocks Leistung. Wellbrocks Teamkollege Rob Muffels, immerhin WM-Dritter, kam abgeschlagen als Elfter ins Ziel.
Für die deutschen Schwimmer war es nach Bronze für Wellbrock und dessen Verlobte Sarah Köhler im Becken über 1500 Meter Freistil die dritte Medaille von Tokio. Erfolgreicher waren die Schwimmer zuletzt 2008 in Peking, als sich Britta Steffen zur Doppel-Olympiasiegerin krönte und Rekordweltmeister Thomas Lurz im Freiwasser Bronze gewann. Damals gab es insgesamt fünf Medaillen für den DSV.
Bei den Herren musste der Verband sogar seit dem Erfolg von „Albatros“ Michael Groß vor 33 Jahren auf einen Schwimm-Olympiasieg warten. Damals gewann auch Uwe Daßler Gold für die DDR.
„Ich wusste: Es ist das letzte Rennen. Ich habe die Medaille für den DSV schon geholt, es gibt nicht mehr allzu viel zu verlieren“, sagte Florian Wellbrock. „Deswegen habe ich einfach nochmal alles reingeworfen und wurde heute mit einem recht souveränen Rennen mit Gold belohnt. Das fühlt sich unglaublich gut an.“
Gratulation von Biedermann
Auch Weltrekordler Paul Biedermann gratulierte dem 23-Jährigen. „Er hat Historisches geschafft mit dem ersten Olympiasieg im Freiwasser für Deutschland. Eine Medaille im Becken und im Freiwasser zu gewinnen, ist eine ganz eigene Liga und spricht für das Ausnahmetalent Florian Wellbrock“, sagte Biedermann.
Lurz hatte 2012 in London mit Silber die bis dato letzte olympische Freiwasser-Medaille für Deutschland geholt. „Ein absolut gigantisches Rennen. Außergewöhnlich stark, außergewöhnlich schnell“, sagte er als Eurosport-Experte.
Der DSV war in Tokio mit drei Schwimmer- und zwei Springer-Medaillen klar erfolgreicher als bei den Spielen in Rio 2016 und London 2012, als es jeweils nur eine Medaille für das gesamte Team gab.
Dominant vom Start weg
Florian Wellbrock setzte gleich nach dem Start bei schon 29,2 Grad Wassertemperatur in den frühen Morgenstunden in der Tokyo Bay ein Zeichen. Er machte in seinem ersten olympischen Freiwasserrennen sofort Druck und erarbeitete sich schnell einen Vorsprung auf das Feld.
„Ich bin in der ersten Runde um die erste Boje rum, habe mich umgeguckt und gedacht: Jungs, wollt ihr keinen Wettkampf schwimmen heute?“, sagte Wellbrock. „Ich glaube, viele waren von der Wassertemperatur recht eingeschüchtert und ich habe beim Training in den letzten Tagen schon gemerkt: So viel wärmer als ein Schwimmbecken fühlt sich das nicht an.“
Berkhahn, der sich einen ruhigen Start von Florian Wellbrock gewünscht hatte, sagte: „Er konnte praktisch nicht langsamer schwimmen.“ Zwar kamen die Konkurrenten zwischenzeitlich noch einmal heran, doch Wellbrock war an diesem Tag einfach zu stark.
Florian Wellbrock ließ sich vom Trubel um seine Person als größter Medaillenhoffnungsträger der deutschen Schwimmer schon vor Olympia nicht aus dem Konzept bringen.
Der gebürtige Bremer, der in Magdeburg bei Berkhahn trainiert, präsentierte sich in den Tagen von Tokio hochkonzentriert und steckte auch einen ärgerlichen vierten Platz in seinem ersten Finale weg. Über 800 Meter fehlten ihm nur 35 Hundertstelsekunden zu Bronze.
Er und Köhler, die bereits aus der japanischen Hauptstadt abgereist ist und das Rennen mit Wellbrocks Eltern in Bremen verfolgte, waren die Medaillengaranten für die deutschen Schwimmer. Auf den kurzen Strecken erreichten einige Sportler – darunter auch frühere Leistungsträger – nicht ihre Topform zum großen sportlichen Höhepunkt.
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