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Skandale überschatten Eröffnungsfeier in Tokio

Die Eröffnungsfeier findet im Olympiastadion von Tokio statt. Foto: Michael Kappeler/dpa
Die Eröffnungsfeier findet im Olympiastadion von Tokio statt. Foto: Michael Kappeler/dpa

Die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Tokio wird wie keine andere sein. Dafür sorgt nicht nur die Corona-Pandemie, sondern auch eine ganze Serie an Skandalen.

Tokio (dpa) – Nächster Rauswurf, leere Ränge und das Corona-Risiko – überschattet von beispiellosen Problemen findet die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Tokio an diesem Freitag vor spärlich besetzter Kulisse statt.

Nur einen Tag vor der Zeremonie im Olympia-Stadion der Hauptstadt entließen die Organisatoren den Kreativdirektor der Feier, Kentaro Kobayashi (48). Anlass war ein plötzlich im Internet aufgetauchter Videoclip von einem Sketch von 1998, in dem er als junger Komiker einen Witz über den Holocaust riss. Tage zuvor musste bereits der Komponist der Eröffnungsfeier, Keigo Oyamada (52), zurücktreten. Ihm wurden im Internet aufgetauchte alte Interviews zum Verhängnis, in denen er erzählte, wie er in der Schulzeit behinderte Kinder gemobbt hatte.

Das gesamte Programm der Eröffnung solle nun noch einmal genau überprüft werden, sagte OK-Geschäftsführer Toshiro Muto am Donnerstag – kaum mehr als 24 Stunden vor Beginn der Zeremonie. Man werde jetzt schnell beraten, wie die Eröffnungsfeier abgehalten werden solle und „so bald wie möglich“ zu einem Ergebnis kommen, ergänzte Japans Organisationschefin Seiko Hashimoto.

Rund 950 VIPs sind dabei

Japans Regierungschef Yoshihide Suga sagte laut der Nachrichtenagentur Kyodo, die Eröffnungsfeier solle wie geplant über die Bühne gehen. Japanische Medienberichten zufolge wird die Show dem Motto „vereint durch Emotionen“ folgen und „fantastische Tänze“ sowie Elemente der japanischen traditionellen Kultur wie den „Matsuri“, ausgelassene Volksfeste, enthalten. Die Show wolle das „wa“ vermitteln, das für Harmonie und Japan steht. Es wird zugleich erwartet, dass es eine den besonderen Umständen durch die Corona-Pandemie entsprechende schlichte Darbietung werden wird.

Es wird in Japan davon ausgegangen, dass Kaiser Naruhito die Spiele vor lediglich rund 950 VIPs für eröffnet erklären wird. Am Vortag der Eröffnung empfing er IOC-Chef Thomas Bach in seinem Palast. Es sei „nicht einfach“, die Spiele mit strikten Corona-Maßnahmen zu veranstalten, sagte der Monarch und drückte gegenüber Bach seinen „tiefen Respekt“ für die Arbeit aus. Das Konzept der wegen Corona um ein Jahr verschobenen Spiele lautet „Einheit in Vielfalt“. Es soll die Wichtigkeit betont werden, die Unterschiede der Menschen wie Geschlecht, Religion und jeweiligen Fähigkeiten zu akzeptieren. „Sehr emotional“ werde die Eröffnungsfeier für ihn werden, beteuerte Bach vor dem Einmarsch der 205 Teams ins Olympiastadion. Das erste Mal seit Beginn der Pandemie sei dann „die ganze Welt an einem Ort“.

Organisationschefin übernimmt Verantwortung

Nach den Herausforderungen sagte der deutsche Chef des Internationalen Olympischen Komitees mit Blick auf die Eröffnungsfeier: „Wenn man am 23. Juli einige Steine fallen hört, dann kommen sie vielleicht von meinem Herzen.“ In der Bevölkerung herrscht zu Beginn der Spiele keine große Begeisterung. Zuschauer sind wegen Corona von fast allen Wettkämpfen ausgeschlossen. Am Donnerstag meldete Tokio, das erneut im Notstand ist, 1979 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden.

Japans Organisationschefin Hashimoto entschuldigte sich für den jüngsten Skandal. Sie trage die volle Verantwortung, dass man bei der Vergabe der Posten nicht gründlich hinterfragt habe. Der in Japan populäre Entertainer Kobayashi entschuldigte sich. Seine Wortwahl damals als junger Komiker sei falsch gewesen. Es tue ihm sehr leid.

In dem Sketch von 1998, einer Parodie auf ein TV-Erziehungsprogramm, witzelt er über ein Rollenspiel mit Papierfiguren, das er „lass uns Juden ermorden spielen“ nennt. Nach dem Auftauchen des Clips im Internet warf Rabbi Abraham Cooper vom Simon Wiesenthal Center Kobayashi „bösartige und antisemitische Witze“ vor. „Jede Verbindung dieser Person mit den Olympischen Spielen in Tokio würde das Andenken von sechs Millionen Juden beleidigen und die Paralympics grausam verspotten“. Auch in sozialen Medien hagelte es Kritik an Kobayashi.

Der bekannte japanische Wissenschaftler Ken Mogi nahm Kobayashi dagegen in Schutz. Er verdiene es nicht, für eine kurze Bemerkung, die vor mehr als zwei Jahrzehnten gemacht hatte, so verunglimpft zu werden. Kobayashi habe in seinen Shows stets das Gute und Liebevolle im Menschen betont und nie Diskriminierung betrieben, sagte Mogi in einer Stellungnahme auf YouTube. Das plötzlich aufgetauchte Video sei zwar unangemessen und er hätte es besser nicht tun sollen. „Aber jeder kann für einen kurzen Moment nachlässig sein“. Kobayashi sei ein „wirklich wunderbarer, liebevoller und rücksichtsvoller Mensch“

Kobayashi ist der dritte mit der Eröffnungsfeier befasste prominente Künstler, der abtreten musste. Im März war der damalige Kreativdirektor Hiroshi Sasaki wegen erniedrigender Äußerungen über eine bekannte japanische Entertainerin von seinem Amt zurückgetreten. Er hatte zugegeben, gegenüber Mitarbeitern die Idee vorgebracht zu haben, dass die Komikerin Naomi Watanabe bei der Eröffnungszeremonie der Spiele als Schwein verkleidet auftreten könnte. In einem rosafarbenen Kostüm erschiene sie dann als ein „Olympig“, witzelte der Japaner – pig bedeutet auf Englisch Schwein.

Skandale schon im Vorfeld der Spiele

Vor ihm war bereits der damalige Olympia-Organisationschef Yoshiro Mori ebenfalls wegen sexistischer Kommentare zurückgetreten. Seine Nachfolgerin Hashimoto übernahm am Donnerstag die Verantwortung für die jüngsten Skandale, will jedoch nicht zurücktreten. Es sei ihre Aufgabe, die Spiele zu einem „großen Erfolg“ zu machen. Dafür werde sie sich bis zum Schluss einsetzen. Unterdessen haben mehrere führende japanische Wirtschaftsvertreter, darunter der Chef des Automobilriesen und Top-Olympia-Sponsors Toyota bereits mitgeteilt, an der Eröffnungsfeier für die Olympischen Spiele nicht teilzunehmen.

Der japanische Fernsehsender NHK berichtete, auch der frühere Ministerpräsident Shinzo Abe wolle ihr fernbleiben. Abe hatte maßgeblich dafür gesorgt, dass Tokio 2013 trotz der verschärften Probleme in der Atomruine Fukushima die Spiele zugesprochen bekam, indem er dem IOC versicherte, dass dort „alles unter Kontrolle“ sei.

© dpa-infocom, dpa:210722-99-471850/6

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