In den englischen Medien steht Pep Guardiola in der Kritik. Der Coach wirkte ratlos, fassungslos – und fast schon resigniert. Die Enttäuschung über das erneute Aus in der Champions League mit Manchester City saß tief, sehr tief. Bereits zum vierten Mal hintereinander scheiterten die Citizens vor dem Halbfinale.
„In der nächsten Saison versuchen wir es wieder“, sagte der Startrainer nach dem schmerzhaften 1:3 (0:1) gegen Olympique Lyon und wirkte selbst nicht überzeugt. Was sollte er auch sagen? Die Zweifel wachsen, die Kritik an Pep Guardiola auch in den Medien wird lauter.
„Das kann auch nicht von all den wunderbaren nationalen Erfolgen kaschiert werden“, urteilte die BBC. Die Tageszeitung Guardian fragte: „Wie oft, Pep, wie oft?“ Guardiolas Erfolgsstory in Manchester droht damit eine unschöne Wendung zu nehmen und der Spanier ein Opfer seiner eigenen Erfolge zu werden.
Zweimal hatte er die Champions League als Trainer mit dem FC Barcelona gewonnen. Es ist kein Geheimnis, dass die reichen City-Inhaber aus Abu Dhabi ihn verpflichteten, damit er den Henkelpott endlich auch nach Manchester holt. Doch nach vier Jahren unter Guardiola ist City diesbezüglich keinen Schritt weiter. Im Gegenteil.
Kritik an der Aufstellung
Die Pleite gegen Außenseiter Lyon sei die „schwerste Niederlage seiner Trainerkarriere“, meint das Portal The Athletic, nicht nur aufgrund des Niveaus des Gegners – Olympique war in der vorzeitig abgebrochenen Fußball-Saison in Frankreich nur Tabellensiebter geworden. Sondern auch, „weil seine Mannschaft zum ersten Mal ausgeschieden ist, weil sie zu defensiv war“.
Im Estádio José Alvalade verzockte sich Guardiola – wie so häufig in den vergangenen Jahren in der Königsklasse. Er wählte eine andere Aufstellung als beim Achtelfinal-Erfolg gegen Real Madrid und ließ nicht das gewohnte 4-3-3 spielen.
Spieler wie Bernardo, David Silva, Riyad Mahrez und Phil Foden blieben zunächst auf der Bank. Die Folge: City wirkte unkreativ und ungefährlich. „Warum hat Pep Guardiola Manchester City die Freude und Freiheit genommen?“ so die offene Kritik des Guardian an der Aufstellung des Trainers.
Chance auf Verlängerung vergeben
Trotz der Führung für Lyon durch Maxwel Cornet (24. Minute) stellte Guardiola seine Mannschaft erst in der zweiten Halbzeit um – anfangs mit Erfolg. Nach dem Ausgleichstor durch Kevin De Bryune (69.) schien Man City auf Kurs zu sein. Doch der eingewechselte Moussa Dembélé (79./87.) zerstörte alle Hoffnungen, beim Finalturnier in Lissabon den großen Coup landen zu können.
„Das war amateurhaft“, so die Kritik TV-Moderator und einstige Stürmerstar Gary Lineker an Pep Guardiola und seinem Team beim Sender BT Sport, der mit Blick auf die physisch präsenten aber eher schwerfälligen Abwehrspieler bei Lyon anfügte: „Ich habe früher davon geträumt, gegen solche Verteidiger zu spielen.“
Besonders bitter: Vor Dembélés zweitem Treffer hatte City-Stürmer Raheem Sterling den Ausgleich auf dem Fuß gehabt, verfehlte aber das leere Tor. „In der Situation musst du ausgleichen und in die Verlängerung gehen“, haderte sein Coach. Die Szene dürfte beide noch länger verfolgen.
In britischen Medien war nun bereits von einem Champions-League-Fluch zu lesen. Das letzte Mal erreichte Pep Guardiola 2011 mit Barça ein Endspiel – das sein Team mit 3:1 gegen Manchester United gewann. Danach scheiterte der erfolgsverwöhnte Coach dreimal vorzeitig mit dem FC Bayern, mit Man City nun also schon viermal.
„Eines Tages werden wir diese Lücke vielleicht schließen“, sagte Pep Guardiola am Samstag und klang dabei eher kleinlaut als zuversichtlich. „Ich war mit diesen Jungs nicht in der Lage, das Viertelfinale zu erreichen“, konstatierte der Coach in der Pressekonferenz nach dem Spiel.
Vermutlich wird sich der Club erneut für viel Geld verstärken, Guardiola betonte: „Nächste Saison werden wir stark sein.“ Doch der Druck auf den Startrainer wird weiter wachsen. Noch haben die ambitionierten Eigentümer von Manchester City Vertrauen in Guardiola. Die Frage ist, wie lange noch.
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