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Megan Rapinoe über Fußball-Pause und Protestverbot des IOC

Hält die umstrittene Regel 50 des IOC, die politischen Protest verbietet, für falsch: Megan Rapinoe. Foto: Uncredited/Democratic National Convention/AP/dpa
Hält die umstrittene Regel 50 des IOC, die politischen Protest verbietet, für falsch: Megan Rapinoe. Foto: Uncredited/Democratic National Convention/AP/dpa

Ob auf einem Knie gegen Rassismus oder mit ihrem Team vor Gericht für fairen Lohn: Megan Rapinoe ist kämpfen gewohnt. Im dpa-Interview spricht die Weltmeisterin über die vergangenen Monate, die ihr Heimatland USA und die Welt so massiv verändert haben.

Megan Rapinoe ist die derzeit bekannteste Fußballspielerin der Welt – und hat seit Monaten kein Spiel mehr bestritten. Die Weltmeisterin und US-Nationalspielerin spricht im Interview der Deutschen Presse-Agentur über die Zwangspause, ohne verletzt zu sein, und wie sie die den Wandel im Sport erlebt, der ihre einsame Rolle im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung zu einer Position der Mehrheit im amerikanischen Profisport hat werden lassen.

Wann haben Sie zum letzten Mal Fußball gespielt?

Megan Rapinoe:
In einem echten Spiel?

Ja.

Megan Rapinoe:
Das war direkt vor dem Lockdown, am 9. März glaube ich. Ja, am 9. März. Alles seither war individuelles Training. Ich habe versucht, so gut es geht in Form zu bleiben, sofern das möglich ist, ohne zu spielen.

Wie geht es Ihnen damit, so lange nicht zu spielen, ohne verletzt zu sein?

Megan Rapinoe:
Das ist richtig hart, ehrlich gesagt. Wenn du verletzt bist, musst du zur Reha und du siehst den Fortschritt. Es ist einfacher, motiviert und fokussiert zu bleiben. Es ist frustrierend und ätzend, als Spielerin nicht aufs Feld zu können.

Aber so, wie die Dinge sind, habe ich mich bislang einfach nicht wohl damit gefühlt – und tue es immer noch nicht, um ehrlich zu sein. In den USA haben wir das einfach so mies gehandhabt wie es nur irgendwie möglich war.

Wie sieht der Plan aus, wann gehen Sie wieder auf den Platz?

Megan Rapinoe:
Nur, weil es Januar wird, heißt es nicht, dass der Januar sich groß vom Dezember unterscheidet. Aber ich habe das Gefühl, irgendwann muss ich auch einfach wieder anfangen zu spielen.

Was ich gehört habe, sind die Lehrgänge bei der Nationalmannschaft wirklich gut und sicher und ich plane damit, zu dem im Januar zu gehen. Mit Blick auf Olympia will ich das auch definitiv.

Halten Sie es denn grundsätzlich für eine gute Idee, dass der Profisport in der Pandemie läuft? Allein in der NFL gibt es inzwischen mehr als 500 positiv getestete Menschen.

Megan Rapinoe:
Persönlich bin ich der Meinung, dass das viel zu viele Fälle sind. Da geht es um das Leben von Menschen. (…) Die Männer-Ligen haben die Möglichkeiten, Flugzeuge zu chartern, das ist ein ganz anderes Szenario als für die Frauen-Ligen, die Linie fliegen und nicht dieses Geld haben, um es so sicher zu machen wie es nur irgendwie möglich wäre.

College-Sport ist ein komplettes Desaster und das Schlimmste von allem, wenn man bedenkt, dass die Sportler nicht mal bezahlt werden. Profis haben die Möglichkeit, diese Entscheidung für sich selbst zu treffen und dafür kompensiert zu werden, dieses extra Risiko einzugehen. Die Studenten haben das nicht, ich finde das schon etwas kriminell.

Ich weiß selbst nicht genau, was das Beste ist. Hier in den USA haben wir einfach keinen guten Job gemacht. Wir sollten vermutlich nicht tun, was wir tun. Aber ich verstehe das Verlangen und das Bedürfnis und es gab auch Modelle, die funktioniert haben. Man weiß es nicht wirklich, bis man es tut. Es ist eine schwere Entscheidung für jeden.

Was haben Sie über sich selbst gelernt 2020?

Megan Rapinoe:
Ich bin ein viel sozialerer Mensch, als ich dachte, und nicht so der Stubenhocker. Ich bin gerne daheim und nicht verrückt geworden. Aber ich denke, ich mochte das Daheimsein früher so sehr, weil ich so oft unterwegs war. Jetzt wäre ich gerne öfter unterwegs. Mein Verlangen nach sozialen Kontakten ist viel größer als ich dachte.

Im November ist ihre Autobiografie erschienen und sie beenden das Buch mit einem sehr optimistischen ‚auf geht’s‘ mit Blick auf die Proteste gegen Rassismus und verbreiten die Hoffnung, dass es sich hier um einen nachhaltigen Wandel handelt. Von diesem Gefühl ausgehend, war 2020 dann doch irgendwie ein gutes Jahr?

Megan Rapinoe:
2020 hat uns viele Wahrheiten und Informationen gebracht, vor denen wir nicht wegrennen können. Wir konnten das lange, einfach nicht darüber zu reden.

Ich habe das Gefühl, das ist einer dieser Momente, wo einfach alles zum Vorschein gekommen ist und wir haben jetzt die Gelegenheit, daraus etwas zu machen und echten Fortschritt zu erzielen. Leute treffen jetzt bewusst diese Entscheidung: will ich involviert sein oder nicht.

Für Weiße war das bislang eher so eine passive Sache – jetzt sieht man schonungslos, ob man bereit ist, etwas zu verändern. In sich selbst zu horchen und Teil der Lösung zu sein – und nicht des Problems.

2020 könnte für unser Land aus vielen Gründen ein Schlüsselmoment sein. Aber wir müssen aus der Gelegenheit auch etwas machen – bislang haben wir das. Das hat die Wahlbeteiligung schon gezeigt.

Wie war das für Sie, als im Sommer auch die NBA-Stars auf ein Knie gegangen sind und es nicht mehr nur Sie waren oder Basketballerinnen mit viel weniger Aufmerksamkeit in den Medien?

Megan Rapinoe:
Das durch alle Sportarten hinweg zu sehen, war ermutigend. Die Wahrnehmung im Vergleich zu vor vier Jahren, als Colin (Kaepernick, Red.) sich hingekniet hat und ich auch, hat sich sehr verändert in einem kurzen Zeitraum. Es ist auch ermutigend zu sehen, dass Sportler im College und bei den Profis sich Gehör verschaffen und ihren Einfluss nutzen, um Veränderungen zu bewirken.

Die Realität ist, dass wir in einer Gesellschaft leben, die besessen ist von Prominenten und Sportkultur. Wenn du das kombinierst sind das: Superstars. Viel mehr als Schauspieler oder Schauspielerinnen, Entertainer. Sportler sind auf viele Arten unser wertvollstes Gut.

Wie bedeutsam ist es, dass die Geste Kaepernicks von Fußballspielern auf der ganzen Welt gezeigt wird?

Megan Rapinoe:
Das ist wichtig, aber wichtiger ist: Was kommt danach. Der Fokus liegt noch immer zu sehr auf der Geste und weniger darauf, worüber Colin gesprochen hat.

In der NBA geht es inzwischen um den Saisonstart, in der NFL um die Playoffs – die Botschaften zu Themen sozialer Gerechtigkeit und gegen Rassismus sind längst nicht mehr so präsent wie noch vor ein paar Monaten. Ist es fair, das zu kritisieren, oder ist es auch einfach normal?

Megan Rapinoe:
Beides, ein Stück weit. Es ist hart, diese Nachricht permanent aufrechtzuerhalten. Es passiert viel in diesem Land: Corona, neue Regeln, die Feiertage, ein Impfstoff kommt, der Übergang der Präsidenten – es passieren eine Million Sachen gerade. Ich verstehe das.

Außerdem: Nur, weil du nicht jeden Tag darüber sprichst, heißt das ja nicht, dass du nichts tust. LeBron James ist ein gutes Beispiel: Er ist natürlich auf seinen Saisonstart konzentriert, aber er hat trotzdem viele Sachen am Laufen.

Team USA hat sich erst kürzlich deutlich positioniert und das IOC aufgefordert, Proteste bei Olympia zuzulassen und die Regel 50 zu ändern. Was ist Ihre Botschaft an das IOC?

Megan Rapinoe:
Diese Regel hätten sie von vornherein nie erlassen dürfen. Das war offensichtlich kurzsichtig und dumm und hat den ganzen Zweck verfehlt. Also: Vielleicht ein bisschen mehr nachdenken. Athleten werden protestieren.

Ich denke, wir sind schon über den Punkt hinaus, dass das überhaupt eine Frage ist. Es kommen Athleten aus der ganzen Welt und diese Bewegung für soziale Gerechtigkeit und Grundrechte hat sich über die ganze Welt verteilt.

Warum also nicht, anstelle Athleten den Protest zu verbieten, als IOC – eine sehr einflussreiche und profitable Organisation – daran arbeiten, ein paar dieser Themen anzusprechen in bestimmten Ländern?

ZUR PERSON:
Megan Rapinoe (35) kommt aus einer kleinen Stadt im US-Bundesstaat Kalifornien und spielt Fußball, seit sie ein Kind ist. Sie wurde 2012 Olympiasiegerin und mit der Nationalmannschaft der USA 2015 und 2019 Weltmeisterin.
Als eine der ersten Sportlerinnen solidarisierte sie sich 2016 mit dem Football-Profi Colin Kaepernick und kniete während der US-Nationalhymne ebenfalls, um gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Afroamerikaner zu demonstrieren.
» Beitrag bei wikipedia.de
» Rapinoe-Profil auf Homepage des US-Fußballverbands

© dpa-infocom, dpa:201228-99-836121/4

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