Fußball

Schwerer EM-Countdown: Joachim Löw vermeidet Müller-Bekenntnis

Musste nach der DFB-Blamage gegen Nordmazedonien einige Fragen beantworten: Bundestrainer Joachim Löw. Foto: Federico Gambarini/dpa
Musste nach der DFB-Blamage gegen Nordmazedonien einige Fragen beantworten: Bundestrainer Joachim Löw. Foto: Federico Gambarini/dpa

Nach der Blamage gegen Nordmazedonien stellt sich die Frage: Plant Joachim Löw bei der EM nun mit Thomas Müller oder Mats Hummels? Der Bundestrainer bleibt sich aber bis zum Ende seiner Ära treu.

Den Namen Thomas Müller nahm Joachim Löw nicht in den Mund. Und den von Mats Hummels nannte er nach dem nächsten Peinlich-Auftritt der Fußball-Nationalmannschaft auch nicht.

Das fast 13 Minuten lange Frage-Antwort-Ritual überstand der kurz vor dem Ende seiner Ewig-Ära auch noch vom krassen Außenseiter Nordmazedonien überrumpelte Bundestrainer kurz vor Mitternacht ohne ein klares Bekenntnis.

In seiner brisantesten Personalentscheidung im von Kritik und Zweifeln schwer belasteten Countdown zur Europameisterschaft verweist der dauerbeharrliche Joachim Löw auch nach der 1:2-Demütigung von Duisburg auf seinen eigenen Fahrplan zu seinem letzten Großereignis.

Erst bei der Nominierung vor dem letzten Bundesliga-Spieltag tief im Mai werden die nach der 0:6-Schmach gegen Spanien schon wieder hochgradig enttäuschten Fans der DFB-Auswahl erfahren, ob Joachim Löw aus Sorge vor dem nächsten Turnier-Scheitern den 31 Jahre alten Thomas Müller und vielleicht auch den 32 Jahre alten Mats Hummels mehr als zwei Jahre nach deren Ausbootung doch noch für einen Spezialauftrag zurückholt.

„Die Frage ist jetzt heute nicht zu beantworten aufgrund des einen Spiels. Die Frage ist ja auch nicht gestellt worden nach den letzten beiden Spielen. Wir haben gesagt, dass die Entscheidung insgesamt dann im Mai fällt“, wiegelte Joachim Löw am Mittwochabend ab. Der Eindruck ist nicht zu verwischen: Der Bundestrainer sträubt sich (noch) gegen diesen bahnbrechenden Schritt.

Statik nicht stabil

Schnell brachen der zahlenmäßig starke Bayern-Block und die fünf England-Legionäre um Glücklos-Joker Timo Werner noch in der Nacht in Sonderfliegern Richtung München und London auf.

Joachim Löw hatte zuvor in der Kabine noch eine vor-österliche Ansprache gehalten. Seine eigene Umbruch-Elf hatte dem Bundestrainer im Schlussspurt seiner Dauer-Ägide auf dem Rasen aber gerade wieder eine Antwort gegeben.

Die Generation Confed-Cup ist bei allem individuellen Talent von Joshua Kimmich und Kollegen noch nicht stabil genug. Dieses Team lechzt förmlich nach Orientierung.

Kleinste personelle und taktische Verschiebungen, die Löw durch die Hereinnahme von Robin Gosens nach den Sieg-Mutmachern gegen Island (3:0) und Rumänien (1:0) vornahm, setzten die Statik außer Kraft. An individueller Klasse kann es nicht liegen. Alle elf Startelf-Akteure standen gerade mit ihren Clubs noch im Achtelfinale der Königsklasse.

Hoffnungsträger Müller

Der von vielen kurz vor dem Osterfest auch durch Löws Zaudern fast schon in den Status eines Fußball-Messias erhobene Thomas Müller wäre jenseits aller sportlichen Fähigkeiten mit seinem Charakter und seiner Erfahrung von 100 Länderspielen wohl solch eine Halt gebende Instanz.

Joachim Löw geht mit seinem Stab aber erstmal wieder in eine Findungsphase. „Wir werden uns die nächsten Tage, die nächsten Wochen intensiv Gedanken machen, werden alles nochmal überprüfen“, kündigte der Bundestrainer an.

Eine WM-Hypothek hat er seinem noch nicht benannten Nachfolger hinterlassen. In der Quali-Gruppe J liegt Deutschland hinter Armenien und Nordmazedonien nur auf Platz drei. Das würde für einen WM-Start in Katar nicht reichen.

Eine aus Fansicht logische erste Demutsgeste, wie der Pflichtbesuch des Bundesliga-Gipfels am Samstag zwischen RB Leipzig und dem FC Bayern mit Thomas Müller kommt ihm nicht in den Sinn. Symbolpolitik war dem 61-Jährigen schon immer zuwider. Auch Mats Hummels wird er im Dortmunder Kampf um einen Champions-League-Platz gegen Eintracht Frankfurt nicht im Stadion sehen.

Stattdessen setzt Joachim Löw auf eine persönliche Osterruhe. Erst am Mittwoch will er in München sein, um die Bayern in die Champions League gegen Paris Saint-Germain zu sehen. Dafür sei er „eingeplant“ lautete seine für einen starken Chef etwas merkwürdig klingende Terminplanung.

97. Spiel der WM-Quali, 3. Niederlage

Flexibilität war noch nie Löws Stärke. An der Seitenlinie, wenn ein Spiel nicht nach Plan läuft, wie auch bei seinen generellen Leitlinien.

Die Jubelgesänge der Nordmazedonier und das laute Hupen ihres Mannschaftsbusses bei der Abfahrt aus Duisburg waren aber eben kein Aprilscherz, sondern nach der erst dritten DFB-Niederlage im 97. WM-Qualifikationsspiel seit 1934 bittere deutsche Fußball-Realität.

Löw startete seinen 75-Tage-Countdown vor dem EM-Ernstfall gegen Weltmeister Frankreich am 15. Juni in München mit seiner eigenen Denkweise. „Auf keinen Fall dürfen wir jetzt völlig den Glauben verlieren an die Stärke, die die Mannschaft hat. Auf keinen Fall dürfen wir auch das Gefühl verlieren, dass wir in der Lage sind, ein sehr gutes Turnier zu spielen. Das habe ich eben auch den Spielern gesagt“, berichtete Löw.

Seine EM-Kandidaten mussten erstmal den Tiefschlag sacken lassen, bevor sie sich ganz schnell zu ihren Clubs in den nationalen Saison-Endspurt verabschiedeten. „Das darf uns nicht passieren“, sagte Ersatz-Kapitän und Elfmeter-Torschütze Ilkay Gündogan. „Das hat am Ende nicht gereicht“, gestand der diesmal glücklose Torgarant Serge Gnabry. Timo Werner schwieg nach seiner vergebenen Großchance.

Löws positive Prognose

Mit einer Entscheidung lag Löw immerhin richtig. Das wurde in Duisburg klar. Seine Rücktrittsankündigung Anfang März war weise. Ohne diese wäre eine Entscheidung aus freien Stücken über seine berufliche Zukunft jetzt kaum noch möglich gewesen.

Der öffentliche Aufschrei nach einem Ende der lange erfolgreichen Rekord-Ära des Weltmeister-Trainers von 2014 wäre jetzt riesig – möglicherweise sogar mit einer Rücktrittsforderung noch vor der EM.

So kann Löw noch weitermachen. Die Maximaldauer von 101 Tagen bis zum EM-Finale am 11. Juli in London erscheint derzeit aber unrealistisch. Turniertauglichkeit, so lautet Löws letztes Versprechen, soll wieder in der unmittelbaren Vorbereitung vom 25. Mai an in Seefeld in Tirol erreicht werden.

„Es nützt jetzt nichts, irgendwelche Alibis zu suchen“, so Joachim Löw, der anfügte: „Jeder muss sich in der Mannschaft Gedanken machen, okay, was können wir verbessern?“

„Und wenn wir etwas Zeit haben, dann werden wir da schon auch Konstanz reinbringen und die richtigen Dinge anpacken“, gab er eine erstaunlich positive Prognose. Mit Spannung wird erstmal die Zusammenstellung seines EM-Kaders erwartet.

© dpa-infocom, dpa:210401-99-49780/6

weiterführende Informationen:
➡️ DFB-Spielplan WM-Qualifikation
➡️ Tabellen WM-Qualifikation
➡️ weitere News aus der Themenwelt Fußball

Spielbericht: Deutschland – Mazedonien

Spielbericht: Rumänien – Deutschland

Spielbericht: Deutschland – Island


[plista widgetname=plista_widget_belowArticle]

1 Kommentar

Hinterlasse einen Kommentar