Alex Zanardi, der 2001 bei einem Unfall auf dem Lausitzring beide Beine verlor, wurde am 24. Juli wegen eines verschlechterten Gesundheitszustands auf die Intensivstation eines Krankenhauses in Mailand verlegt worden.
Der 53-Jährige war erst vor drei Tagen in ein Neuro-Rehabilitationszentrum verlegt worden, weil es ihm besser zu gehen schien. Davor hatte er in einem Hospital in Siena in der Toskana gelegen.
Zanardi sei aus der Reha-Klinik Villa Beretta in Costa Masnaga unweit von Mailand mit allen nötigen Vorkehrungen für seine Gesundheit verlegt worden. Er sei um 16.30 Uhr im San Raffaele Krankenhaus in der lombardischen Hauptstadt angekommen, so das Hospital am Freitagabend in einer Mitteilung.
Zanardi hatte am 19. Juni bei einem Wettbewerb in der Toskana die Kontrolle über sein Handbike verloren und war mit einem Lastwagen kollidiert. Nach dem Unfall wurde er drei Stunden operiert.
Die Operation sei „so verlaufen, wie sie verlaufen sollte“, hatte der behandelnde Arzt Giuseppe Oliveri nach dem ersten Eingriff vor Journalisten in Siena gesagt, doch sei die Ausgangssituation sehr schlecht gewesen. Mehrere Gesichtsknochen seien gebrochen, hieß es.
Der frühere Formel 1-Pilot lag danach im künstlichen Koma. Wegen seiner Kopf- und Gesichtsverletzungen war er insgesamt dreimal operiert worden. Dann wurde seine Betäubung heruntergefahren.
Mitte dieser Woche hatte sein Sohn in einem Interview gesagt, der Verunglückte sei nicht mehr in Lebensgefahr. Es gebe „ermutigende Signale“, sagte Niccolò Zanardi dem Corriere della Sera. Er sei aber nicht bei Bewusstsein. Alex Zanardi hatte sich nach seinem Unfall 2001 zurück in den Leistungssport gekämpft und neben Rennen in der DTM auch viermal Gold bei den Paralympics geholt.
© dpa-infocom, dpa:200724-99-913750/3
Der Unfall am 19. Juni
Zanardi bestritt am 19. Juni ein Rennen für paralympische Athleten mit Handbikes in der Toskana. Der beinamputierte Sportler war Medienberichten – u.a. von La Repubblica – zufolge mit seinem Handbike auf einer abschüssigen Straße auf die Gegenseite geraten und mit einem Lkw kollidiert.
Mario Valentini, Trainer der italienischen Handbike-Mannschaft, der nach kurzer Zeit am Unfallort gewesen war, berichtete, dass Zanardi noch bei Bewusstsein gewesen sei und gesprochen habe.
Er wurde mit schweren Kopfverletzungen mit einem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus geflogen, wo die Operation umgehend eingeleitet wurde. Die Ärzte hatten in der Nacht zum Samstag von einer „heiklen neurochirurgischen Operation“ gesprochen.
Gegen den Fahrer des Lastwagens wurden Ermittlungen wegen schwerer Körperverletzung eingeleitet, wie die Staatsanwaltschaft in Siena der Nachrichtenagentur Ansa bestätigte – ein normaler Vorgang nach einem so schweren Verkehrsunfall.
Motorsport-Welt betet für Zanardi
Derweil betet die Motorsport-Welt für Alex Zanardi. Der schwere Unfall des ehemaligen Formel-1-Piloten hat aktuelle und einstige Fahrer erschüttert. Viele drückten direkt nach dem Unfall ihr Mitgefühl aus.
„Ich habe so eine Angst um Alex Zanardi, dass ich den Atem anhalte. Ich bin sein Fan. Ich bin sein Freund“, schrieb der amerikanische Formel-1-Weltmeister von 1978, Mario Andretti, bei Twitter: „Bitte macht das, was ich tue: Betet, betet für diesen wunderbaren Mann.“
Der aktuelle Ferrari-Pilot Charles Leclerc schrieb nach dem Unfall auf Twitter: „Kämpfe, Du weißt, wie. Du bist großartig.“ In Gedanken seien alle mit ihm, twitterte die Formel 1, in der Zanardi von 1991 bis 1994 und dann noch mal 1999 an insgesamt 44 Grand Prix teilnahm.
„Du warst immer ein Kämpfer und wirst immer einer sein“, twitterte der Präsident des Automobil-Weltverbandes (FIA), Jean Todt: „Alex, die ganze FIA-Gemeinde unterstützt dich in diesem grausamen Moment.“
Schockiert zeigte sich auch der britsche Ex-Weltmeister Damon Hill bei Twitter. „Für ihn, seine Familie und Freunde und Millionen Fans und Anhängern, wir beten für dich, Alex.“ Die gesamte Motorsportgemeinde sei bei ihm, schrieb der spanische Formel-1-Pilot Carlos Sainz auf Twitter: „Gib mehr als jemals zuvor.“ Valteri Bottas erklärte im Juni auf Twitter: „Kämpfe weiter, Alex. Wir alle sind mit Dir.“
Schwerer Unfall 2001
„Ausgerechnet er, ausgerechnet Zanardi, den das Schicksal schon einmal schwerst getroffen und auch gezeichnet hatte. Ausgerechnet diese Frohnatur. Ein Mensch, der andere mit seinem Lachen, mit seiner Lebensfreude, mit seinem Kampfgeist anstecken kann“, so die dpa zum Unfall am 19. Juni.
Einer, der vor knapp 20 Jahren nach einem verheerenden Unfall auf dem Lausitzring schon mal mit dem Tod rang. Er bezwang ihn damals, nachdem er in der Champcar-Serie verunglückt war. Ein grauenvoller Crash.
Alex Zanardi verlor bei dem Horror-Unfall am 15. September 2001 beide Beine. Dass er den Unfall überlebte, bei dem er sich mit seinem Wagen gedreht hatte und ein Konkurrent mit dessen Wagen in ihn gekracht war, grenzte an ein Wunder.
Im Helikopter auf dem Weg zum Notfallkrankenhaus in Berlin hatte Zanardi siebenmal wiederbelebt werden müssen. Er hatte viel, viel Blut verloren. Aber Zanardi überlebte und kehrte nach einer langen Reha sogar zurück in den Rennsport. Bewundert von Kollegen, von Fans, von Menschen in aller Welt.
Zanardi kämpfte sich zurück
Der Lebenseifer des am 23. Oktober 1966 in Bologna geborene Zanardi schien einfach unzerstörbar. Oder wie es sein langjähriger Arbeitgeber BMW einmal schrieb: „Alessandro Zanardi ist ein Phänomen – und der lebende Beweis dafür, dass es keine Grenzen gibt, wenn man sich einer Herausforderung mit Leidenschaft und Begeisterung widmet.“
Für BMW sollte Zanardi auch beim letzten Rennen der italienischen GT-Meisterschaft vom 6. bis 8. November einen BMW M6 GT3 steuern sollte. Zuletzt saß Zanardi beim sogenannten Dream Race des Deutschen Tourenwagen-Masters und der japanischen Super GT im vergangenen November in Fuji hinter dem Steuer eines BMW-Boliden.
Zanardi wollte mit seinem Einsatz beim Rennen in Monza im November den Menschen in der Region Trost und Hoffnung in der Corona-Krise spenden: „In diesem Jahr steht das Rennen in Monza für mehr als nur ein Rennen, denn es findet in der Region Italiens statt, die am stärksten von der Pandemie getroffen wurde.
In Monza anzutreten verkörpert den Wunsch, nach der schwierigen Zeit, die wir alle durchgemacht haben, wieder neu zu beginnen“, hatte er nach seiner Nominierung gesagt.
„Seit Alessandros schrecklichem Unfall am Freitag stehen wir durchgängig mit seiner Frau in Verbindung. Natürlich hat uns diese Nachricht schockiert. Wir sind zutiefst betroffen“, sagte Motorsport-Direktor Jens Marquardt, „die gesamte BMW-Familie rund um den Globus ist in Gedanken bei ihm, seiner Ehefrau und seinem Sohn“.
Nur zwei Jahre nach dem Crash saß Zanardi wieder im Cockpit eines Rennwagens – umgebaut für seine Bedürfnisse. Im Deutschen Tourenwagen-Masters feierte er danach vier Siege. Doch das reichte ihm nicht, Zanardi schlug eine zweite Karriere ein, er gewann bei den Paralympics 2012 und 2016 jeweils zweimal die Goldmedaille mit dem Handbike.
Selbst vor dem Ironman machte Zanardi nicht halt und überwand alle Schwierigkeiten und Herausforderungen. Nun aber kämpft er gegen den schwersten Gegner, schon wieder. Nicht nur die Motorsportwelt hofft, dass dem am 23. Oktober 1966 in Bologna geborenen Zanardi ein erneutes Comeback wie vor 17 Jahren gelingt.
„Alex hat schon genug Pech gehabt, dass er in Entschlossenheit und Siegergeist verwandelt hat“, schrieb der ehemalige Pilot und jetzige TV-Experte Martin Brundle auf Twitter.
Hinweis: Der frühere Artikel wurde mit aktuellen Informationen upgedatet.
DTM-Videoportrait Alex Zanardi (2018)