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Mit Eishockey-Krimi ins WM-Halbfinale: Deutschland schlägt Schweiz

Marcel Noebels schießt den Puck am Schweizer Goalie Leonardo Genoni vorbei ins Tor. Foto: Roman Koksarov/dpa
Marcel Noebels schießt den Puck am Schweizer Goalie Leonardo Genoni vorbei ins Tor. Foto: Roman Koksarov/dpa

Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft ist erstmals seit elf Jahren wieder in ein WM-Halbfinale eingezogen.

Deutschland steht vor dem nächsten Eishockey-Wunder: Dank eines erfolgreichen Penalty-Dramas gegen die Schweiz trennt Deutschland nur noch ein Sieg von der ersten WM-Medaille seit 68 Jahren und einer ähnlichen Sensation wie dem Olympia-Finale 2018.

Von seinem schwindelerregenden Move im Penalty-Krimi gegen die Schweiz bekam Marcel Noebels selbst kurzzeitig weiche Knie. Erst als sich die deutschen Eishockey-Cracks nach dem erneuten WM-Coup nach Penaltyschießen gegen den Erzrivalen Schweiz auf den Siegtorschützen warfen, hatte der seine Kraft wieder, um den historischen Halbfinal-Einzug zu bejubeln.

„Ihr könnt mir glauben, dass mein Herz um einiges tiefer gerutscht ist“, bekannte der 29 Jahre alte Angreifer der Eisbären Berlin, der pünktlich zum Viertelfinal-Showdown in Riga wieder fit geworden war. „Ich bin stolz und froh, Teil dieser Mannschaft zu sein. Was für eine geile Leistung.“

Mit dem packenden 3:2 (0:1, 1:1, 1:0) nach Penaltyschießen und einem 0:2-Rückstand gegen den Erzrivalen zog das deutsche Nationalteam in Riga in das Halbfinale ein und hat schon jetzt das beste WM-Abschneiden seit dem Heim-Turnier vor elf Jahren sicher.

Ein Stück Eishockey-Geschichte

Leon Gawanke (l) freut sich mit Mannschaftskameraden über sein Tor zum 2:2. Foto: Roman Koksarov/dpa
Leon Gawanke (l) freut sich mit Mannschaftskameraden über sein Tor zum 2:2. Foto: Roman Koksarov/dpa

In der Vorschlussrunde am 5. Juni hat die Auswahl von Bundestrainer Toni Söderholm die Chance auf die erste WM-Medaille seit Silber 1953.

Es war ein Kraftakt und ein Sieg des Willens, der die Schweizer wie schon im Viertelfinale des Heim-Turniers 2010 niederrang und zum zweiten Mal überhaupt erst in ein WM-Halbfinale führte. Am 5. Juni hat Deutschland nun gegen Titelverteidiger Finnland die Chance auf die erste WM-Medaille seit Silber 1953 – es war erst der zweite Sieg im zwölften WM-Viertelfinale.

Die Schweizer hatten sich als klarer Favorit gesehen und im Spiel nach einer 2:0-Führung schon wie der Sieger gefühlt. Doch Tom Kühnhackl (38. Minute) und Leon Gawanke mit dem Ausgleich 44 Sekunden vor dem Ende der regulären Spielzeit sorgten für lange Gesichter bei den spielerisch besseren Eidgenossen. Denn nach der torlosen Verlängerung sorgte Noebels schließlich für deutschen Jubel.

„Die Mannschaft hat wieder ein Stück deutsche Eishockey-Geschichte geschrieben“, sagte der überwältigte Bundestrainer Toni Söderholm: „Wir sind gemeinsam auf einer unglaublichen Reise für die Mannschaft.“

Die erinnert bereits wieder an den wundersamen Lauf zum olympischen Silber von 2018 – auch damals besiegte Deutschland die Schweiz in einem K.o.-Spiel knapp. „Als wäre es wieder für uns gemacht“, befand Marcel Noebels, der schon vor drei Jahren beim bislang größten deutschen Eishockey-Erfolg bislang dabei war, zu den Parallelen zu Pyeongchang.

Zwei Spieler machen den Unterschied

Deutschlands Torwart Mathias Niederberger hat den Puck im Blick. Foto: Roman Koksarov/dpa
Deutschlands Torwart Mathias Niederberger hat den Puck im Blick. Foto: Roman Koksarov/dpa

Bei Marcel Noebels, dem besten Spieler der Deutschen Eishockey Liga, war gar nicht klar, ob er nach einer im Vorrundenfinale gegen Lettland (2:1) erlittenen Verletzung gegen die Schweiz spielen konnte.

Erst am Morgen meldete sich der Torjäger fit und verlud mit dem letzten Penalty den Schweizer Torhüter Leonardo Genoni. „Es ist, glaube ich, ungefähr ein Tor, von welchem man eigentlich Briefmarken produziert“, sagte Söderholm zum erfolgreichen akrobatischen Täuschungsmanöver Noebels‘.

Zuvor war nach den Treffern von Verteidiger Ramon Untersander (16.) vom SC Bern und Stürmer Fabrice Herzog (34.) vom HC Davos jede Menge Arbeit vonnöten. Nur selten kam Deutschland einmal schnell durch die neutrale Zone und hielt sich konstant im Angriffsdrittel.

Die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes hatte doppelt so viele Torschüsse wie die Schweizer. Deren Chancen-Qualität war indes wesentlich größer. Doch in Mathias Niederberger hatte das deutsche Team einen gewohnt starken Rückhalt. Der Berliner Meisterkeeper überragte auch im Penaltyschießen, in dem ihn nur NHL-Angreifer Timo Meier überwand.

Geschichte wiederholt sich

Markus Eisenschmid (r) und Raphael Diaz aus der Schweiz geraten vor der Bande aneinander. Foto: Roman Koksarov/dpa
Markus Eisenschmid (r) und Raphael Diaz aus der Schweiz geraten vor der Bande aneinander. Foto: Roman Koksarov/dpa

Mit dem Erfolg wiederholte sich ein kleines Stück deutscher Eishockey-Geschichte: 2010 hatte Deutschland als WM-Gastgeber mit einem 1:0 gegen die Schweiz erstmals überhaupt ein WM-Halbfinale erreicht. Erst zum zweiten Mal bestreitet das DEB-Team jetzt ein WM-Halbfinale, bei den bisherigen WM-Medaillen 1930, 1932, 1934 und 1953 war der Modus ein anderer.

Korbinian Holzer war bei den Deutschen ebenso wie Andres Ambühl bei den Schweizern schon damals dabei gewesen – und war jetzt in Riga erneut einer der wichtigsten deutschen Verteidiger. Diesmal war das Duell ebenfalls intensiv, aber nicht so aufgeheizt wie vor elf Jahren in Mannheim.

Die Rivalität zwischen Deutschland und der Schweiz ist enorm. Bei den Eidgenossen hat Eishockey einen größeren Stellenwert, der Vizeweltmeister von 2013 und 2018 strebte diesmal WM-Gold an.

Mit dem erkämpften Sieg fügte das Söderholm-Team dem Rivalen eine riesige Enttäuschung zu, weil sich die Schweiz als klarer Favorit sah und sich das DEB-Team nun schon zum dritten Mal nacheinander in einem K.o.-Spiel in den Weg stellte. In Pyeongchang 2018 hatte ein 2:1 nach Verlängerung den wundersamen Lauf ins olympische Finale ermöglicht. Sechs Spieler von vor gut drei Jahren waren nun jeweils im Olympic Sports Centre von Riga dabei.

DEB-Team überzeugend

Fabio Wagner (l) und Maximilian Kastner (r) attackieren den Schweizer Gregory Hofmann. Foto: Roman Koksarov/dpa
Fabio Wagner (l) und Maximilian Kastner (r) attackieren den Schweizer Gregory Hofmann. Foto: Roman Koksarov/dpa

Nach dem spielerisch schwachen Auftritt im Vorrundenfinale gegen die Letten präsentierte sich die Söderholm-Truppe verbessert und leistete sich lange nicht so viele Fehler in der neutralen Zone. Das Offensivspiel blieb aber lange ungefährlicher als das der Schweizer. Eine schöne Kombination des Kontrahenten führte zum Rückstand durch Verteidiger Untersander vom SC Bern.

Das DEB-Team überzeugte aber wieder mal mit seinem „Löwenherz“ (Söderholm) und überstand auch die Unterzahl gegen die beste Überzahlmannschaft des Turniers. Dennoch folgte der Rückstand, im Eishockey-Viertelfinale Deutschland gegen Schweiz stand eins 0:2 auf der Anzeigetafel.

Aber Kühnhackl, vor knapp fünf Jahren in Riga entscheidender Torschütze für die Olympia-Qualifikation, stocherte noch vor dem Ende des zweiten Drittels den Puck zum Anschluss ins Tor. „Wir wollen daran anknüpfen“, kündigte Kapitän Moritz Müller an.

Im Schlussdrittel machte das deutsche noch einmal Dampf und wurde durch Gawankes Schuss kurz vor dem Ende der regulären Spielzeit mit einem Mann mehr auf dem Eis für diesen Kraftakt erst mit der Verlängerung belohnt, bevor dann nach dem Penaltyschießen über den Einzug ins Halbfinale gejubelt wurde. „Wir hoffen natürlich, dass es genau so weiter geht – egal, gegen wen“, sagte der zweimalige Stanley-Cup-Sieger Tom Kühnhackl. Der Halbfinalgegner stand in dem Moment noch nicht fest – jetzt ist klar, es geht am Samstag gegen Titelverteidiger Finnland.

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© dpa-infocom, dpa:210603-99-851653/8

Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft feiert den Einzug ins Halbfinale. Foto: Roman Koksarov/dpa
Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft feiert den Einzug ins Halbfinale. Foto: Roman Koksarov/dpa

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➡️ Spielplan Eishockey-WM
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