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Corona und die Psyche: Wie mit einer Depression umgehen?

Prof. Detlef E. Dietrich ist Ärztlicher Direktor am AMEOS Klinikum in Hildesheim. Foto: Werner Kaiser/D.Dietrich/dpa-tmn
Prof. Detlef E. Dietrich ist Ärztlicher Direktor am AMEOS Klinikum in Hildesheim. Foto: Werner Kaiser/D.Dietrich/dpa-tmn

Studien und Untersuchungen zeigen: Psychische Erkrankungen haben in Folge der Pandemie zugenommen – etwa Depressionen. Ein Experte klärt auf, woran man sie erkennt und was Betroffene dann tun sollten.

Zu den vielen Begleiterscheinungen der Corona-Pandemie gehört, dass wesentlich mehr Menschen als sonst mit psychischen Problemen zu kämpfen haben.

Das gilt über alle Altersgruppen hinweg, sagt Prof. Detlef Dietrich von der European Depression Association. „Insbesondere Angstzustände und Depressionen haben zugenommen.“

Nur ein Beispiel: Einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung zufolge hatten vor Corona zehn Prozent der Jugendlichen zwischen 16 und 19 Jahren depressive Symptome, nach dem ersten Lockdown im Frühsommer 2020 waren es demnach 25 Prozent.

Die Langzeitfolgen und Ausmaße seien auch jetzt im Herbst 2021 noch nicht absehbar, sagt Dietrich. Das liege auch daran, dass psychosoziale Begleiterscheinungen der Pandemie wie eingeschränkte Kontakte, Einsamkeit, Jobverlust, Ängste vor einer Infektion oder Mehrfachbelastungen häufig erst im Verlauf von Monaten zur Entstehung einer Depression beitragen.

Eine Depression erkennen

Sie entwickelt sich meist schleichend und ist nicht immer leicht erkennbar. Dennoch gibt es Anzeichen, die in Kombination recht charakteristisch für eine Depression sind.

So müssen laut Dietrich für die Diagnose mindestens zwei sogenannte Kernsymptome plus weitere Nebensymptome nachweisbar sein, die länger als zwei Wochen anhalten und das tägliche Leben beeinträchtigen.

Zu den Kernsymptomen zählen niedergedrückte Stimmung, ein nachlassendes Interesse an Dingen, die einem sonst immer Freude gemacht haben (Hobbys zum Beispiel), fehlender Antrieb sowie empfundene Gefühllosigkeit – also, das man seine Gefühle nicht spürt.

Kommen noch mindestens drei, vier weitere Symptome dazu wie Schlafstörungen (die haben laut dem Experten die meisten Menschen mit einer Depression), ein negativer Blick auf die Zukunft, ein vermindertes Selbstwertgefühl, Konzentrationsstörungen, Appetitlosigkeit, Schmerzen ohne klare Ursache, Schuldgefühle und leichte Erschöpfbarkeit, sollte man sich Gedanken machen.

Der erste Weg führt in die Hausarztpraxis

Weil Betroffene gerade im Anfangsstadium die Veränderung an sich nicht immer direkt wahrnehmen, sind es oft Freunde und Angehörige, denen das zuerst auffällt. Sie sollten dann dem oder der Betroffenen Mut machen, sich in eine Diagnostik zu begeben.

Glaubt man, eine Depression zu haben, führt der erste Weg idealerweise zum Hausarzt oder zur Hausärztin, rät Dietrich. „Die kennen ihre Patienten oft lange Jahre und erkennen Veränderungen von außen“, erläutert der Ärztliche Direktor am AMEOS Klinikum Hildesheim, einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Fachklinik.

Es geht darum, die Ursache zu klären. Diese liegt manchmal auch im Körper: So kann etwa eine Schilddrüsenfehlfunktion depressive Symptome auslösen, die dann durch die Gabe der fehlenden Hormone wieder verschwinden, so Dietrich. Auch deshalb sei der Gang zum Hausarzt ratsam.

Frühzeitige Behandlung verspricht besseren Erfolg

Manche haben auch in den dunklen Monaten des Jahres immer wieder mit Verstimmungen zu kämpfen. Ihnen können vielleicht eine Lichttherapie mit therapeutischen Lampen und viel Zeit an der frischen Luft, also ausgiebige Spaziergänge in der hellen Tageszeit, helfen.

Therapeutisch könne man viel machen, sagt Dietrich. „Je frühzeitiger eine Depression erkannt wird, desto besser sind die Aussichten auf einen zeitnahen therapeutischen Erfolg.“

Während es bei leichten Depressionen nach Worten des Experten durchaus legitim ist, auch mal einige Wochen abzuwarten und die Situation zu beobachten, ist bei mittelschweren bis schweren Depressionen meist eine Kombination aus Medikamenten und Therapie empfehlenswert.

Die Suche nach einem Therapieplatz

Bis man einen Therapieplatz bekommt, kann es aber dauern. Über alle Patienten gemittelt liege die Wartezeit bei acht Wochen, schätzt Dietrich.

„Wobei es bei manchen schneller geht, während andere bis zu einem halben Jahr warten – während der strengen Corona-Regeln war es noch extremer“, so Dietrich. Gerade in ländlichen Bereichen sei die Nachfrage nach Therapien oft höher als das Angebot an Praxen.

Sein Rat ist, sich an die zuständige Ärztekammer der Region zu wenden. „Die Kammer kann einem eine Liste mit Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen geben und hat auch häufig eine Liste mit Therapeuten, die freie Plätze haben.“ Generell sind Therapeuten laut dem Experten auch dazu verpflichtet, offene Sprechstunden anzubieten, wo jeder kurz vorstellig werden kann.

„Da kann man in der Regel einen zeitnahen Termin machen“, so Dietrich. Und wenn es dort nicht klappt, erhält man vielleicht einen Hinweis, an wen man sich alternativ wenden kann.

© dpa-infocom, dpa:211019-99-651532/4

weiterführende Informationen:
➡️ Studie des BIB (pdf)
➡️ Selbsttest zu Depression der Deutschen Depressionshilfe
➡️ weitere News aus der Themenwelt Gesundheit



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