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Urteil im Terror-Prozess gegen Jennifer W. erwartet

Die Angeklagte Jennifer W. im Gerichtssaal mit einem roten Aktendeckel vor ihrem Gesicht. Foto: Peter Kneffel/dpa
Die Angeklagte Jennifer W. im Gerichtssaal mit einem roten Aktendeckel vor ihrem Gesicht. Foto: Peter Kneffel/dpa

Ein versklavtes Mädchen wird im Irak von einem IS-Mann unter sengender Sonne im Freien angebunden und stirbt. Seit 2019 steht die Ex-Frau des Mannes in München vor Gericht – jetzt soll das Urteil gegen sie fallen.

Im Terror-Prozess gegen die IS-Rückkehrerin Jennifer W. wird heute das Urteil erwartet. Die junge Frau aus Lohne in Niedersachsen ist vor dem Oberlandesgericht München unter anderem wegen Mordes und Kriegsverbrechen angeklagt worden.

Sie soll als IS-Anhängerin im Irak tatenlos dabei zugesehen haben, wie ein kleines, jesidisches Mädchen in einem Hof angekettet wurde und dort verdurstete.

Lebenslage Haftstrafe gefordert

Mitte September hatte die Bundesanwaltschaft eine lebenslange Haftstrafe für die Angeklagte gefordert.

Sie sei unter anderem der Versklavung mit Todesfolge, der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und Kriegsverbrechen schuldig. Ihre Verteidigung forderte dagegen eine maximal zweijährige Haftstrafe. Die 30-Jährige dürfe lediglich wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt werden.

Jennifer W. selbst erhob Vorwürfe gegen die Justiz. „Der vielzitierte Satz „Im Zweifel für den Angeklagten“ kam in meinem Fall nicht zum Tragen“, sagte sie in ihrem Schlusswort vor Gericht. An ihr solle offenbar ein Exempel statuiert werden für alles Unrecht, das unter der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) geschehen sei.

Fürs Bettnässen an Fenstergitter angebunden

Sie war nach eigener Aussage im Jahr 2014 in den Irak gereist, um dort aus ideologischer Überzeugung einen IS-Kämpfer zu heiraten.

Im Sommer 2015 soll sie der Anklage zufolge in Falludscha zugesehen haben, wie ein Mädchen ungeschützt und ohne Wasser der prallen Sonne ausgesetzt war. Zur Strafe fürs Bettnässen soll ihr Ehemann die Fünfjährige an einem Fenstergitter angebunden haben. Eine quälende Tortur, die laut Anklage zum Tode führte – und gegen die W. nichts unternommen haben soll. Der Vorwurf in der Anklage lautete auf Mord durch Unterlassen.

Die Niedersächsin entschuldigte sich in ihrem letzten Wort vor Gericht schließlich auch und verwies auf ihren Ex-Mann, der in Frankfurt am Main vor Gericht steht. Sie habe den Handlungen des Mannes aber machtlos gegenübergestanden und das Mädchen nicht einfach losbinden können.

Der Prozess gegen Jennifer W. hatte im April 2019 Schlagzeilen gemacht, auch weil eine äußerst prominente Anwältin anfangs eine zentrale Rolle spielt: die Menschenrechtsexpertin und Ehefrau des Schauspielers George Clooney, Amal Clooney, die die Nebenklägerin und Mutter des getöteten Mädchens vertritt, vor Gericht in München aber nie erschien.

Vor dem Prozess ließ sie in einer gemeinsamen Erklärung der Nebenklage und der jesidischen Organisation Yazda verlauten: „Jesidische Opfer warten schon viel zu lange auf ihre Gelegenheit, vor Gericht auszusagen.“

Weltweit erste Klage

Nach Yazda-Angaben war der Münchner Prozess seinerzeit die weltweit erste Anklage wegen Straftaten von IS-Mitgliedern gegen die religiöse Minderheit der Jesiden.

Die Jesidin und Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad nannte den Prozess einen großen Moment und ein wichtiges Verfahren für alle jesidischen Überlebenden:

„Jeder Überlebende, mit dem ich gesprochen habe, wartet auf ein und dieselbe Sache: Dass die Täter für ihre Taten gegen die Jesiden, insbesondere gegen Frauen und Kinder, verfolgt und vor Gericht gestellt werden.“

© dpa-infocom, dpa:211025-99-723674/3

Urteil: Haftstrafe für IS-Rückkehrerin Jennifer W.


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