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Neue Regierung: Wie die Ampel den Alltag der Bürger verändern will

Mieter sollen die Mehrkosten beim Heizen durch den höheren CO2-Preis nicht mehr alleine tragen - die Vermieter müssen sich beteiligen. Foto: Christin Klose/dpa-tmn
Mieter sollen die Mehrkosten beim Heizen durch den höheren CO2-Preis nicht mehr alleine tragen - die Vermieter müssen sich beteiligen. Foto: Christin Klose/dpa-tmn

Viele Formulierungen im Koalitionsvertrag hören sich hochtrabend an – doch hinter ihnen stecken ganz konkrete Veränderungen für den Alltag der Bürger. Eine Auswahl, was die Ampel für wen in petto hat.

Die Ampel-Koalition hat sich Großes vorgenommen: Der Kampf gegen die globale Erderwärmung schwebt über allem. Deutschland soll Verantwortung übernehmen in der Welt.

Dazu gehört quasi eine industrielle Revolution, ein Mammutprojekt. Doch was bedeutet der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP eigentlich im Kleinen, im Alltag der Menschen? Auch im täglichen Leben von Familien, Mietern, Autofahrern und anderen will die neue Regierung einiges verändern:

Familien und Kinder

Familien mit Kindern sollen von mehr Kitaplätzen und Ganztagsangeboten in Schulen profitieren.

Eine Kindergrundsicherung soll vor allem Familien mit wenig Geld entlasten. Darin werden das bisherige Kindergeld, Kinderzuschlag sowie eventuelle Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket und anderes gebündelt.

Nach der Geburt eines Kindes sollen die Partner zudem zwei Wochen lang von der Arbeit freigestellt werden. Beim Basis-Elterngeld soll es einen Partnermonat mehr geben.

Mieter und Hausbesitzer

Mieter sollen die Mehrkosten beim Heizen durch den höheren CO2-Preis nicht mehr alleine tragen. Angestrebt wird eine „faire Teilung“ mit den Vermietern.

Dafür will die Ampel bis Mitte 2022 ein Stufenmodell nach Gebäudeenergieklassen erarbeiten – schafft die Politik das nicht rechtzeitig, wird ab 1. Juni hälftig geteilt. Außerdem wird die Mietpreisbremse verlängert, die in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt Neumieten nach einem Umzug begrenzt. Auch Mieterhöhungen werden in diesen Gegenden stärker eingeschränkt.

Hausbesitzer müssen sich auf höhere Kosten einstellen – auch wenn die Ampel-Parteien Förderung versprechen. Wer neu baut oder saniert, soll bald ambitioniertere Energiestandards einhalten müssen. Das bedeutet mehr Dämmung, eventuell neue Fenster und Wärmeerzeugung mehr mit Solar und Biokraftstoffen.

Bei privaten Neubauten sollen Solarpanels auf den Dächern die Regel, aber keine Pflicht werden. Außerdem sollen ab 2025 nur noch Heizungen eingebaut werden, die zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien funktionieren, also etwa Wärmepumpen.

Entlastung für Stromkunden

Stromkunden werden angesichts der hohen Energiekosten entlastet. Ab 2023 wird die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms nicht mehr über die Stromrechnung finanziert, sondern vom Bund.

Das entlastet eine durchschnittliche Familie nach Rechnung des Vergleichsportals Verivox im Jahr um rund 177 Euro. Außerdem will die Ampel kurzfristig einen einmalig erhöhten Heizkostenzuschuss zahlen.

Benzin und Diesel werden teurer

Autofahrer müssen davon ausgehen, dass die Spritpreise weiter steigen: 2022 erhöht sich der CO2-Preis, das verteuert Benzin und Diesel. Einen von den Grünen geforderten schnelleren Anstieg des CO2-Preises gibt es aber nicht.

Autokäufer sollten davon ausgehen, dass ab Anfang der 2030er Jahre nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen werden. Vorher soll das Ladenetz für Elektroautos größer werden.

Die staatliche Förderung für E-Autos und Plug-In-Hybride wird eingedampft: Förderfähige Autos müssen etwa durch hohe Reichweiten einen besonderen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Nach 2025 soll es zudem keine Innovationsprämie mehr geben. Zugreisende können auf mehr grenzüberschreitende und mehr Nachtzug-Angebote hoffen.

Rente und Vorsorge

Die gesetzliche Rente soll mindestens stabil bleiben. Außerdem sollen mehr Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden.

Das eingezahlte Geld soll zum Teil am Kapitalmarkt angelegt werden, wovon sich die Ampel bessere Renditen verspricht. Freiwillig sollen Arbeitnehmer einen Teil ihres Lohns für eine private Zusatzabsicherung in einen öffentlichen Fonds einzahlen können.

Mindestlohn steigt

Geringverdiener profitieren von der Anhebung des Mindestlohns von derzeit 9,60 auf 12 Euro.

„Das bedeutet eine Gehaltserhöhung für zehn Millionen Bürgerinnen und Bürger“, sagt der wohl künftige Kanzler Olaf Scholz (SPD). Eigentlich ist die regelmäßige Anpassung Sache der Mindestlohnkommission – das soll einmalig durchbrochen werden.

Bürgergeld statt Hartz IV

Langzeitarbeitslose sollen statt Hartz IV das sogenannte Bürgergeld bekommen. In den ersten zwei Bezugsjahren fällt dabei die Prüfung des Vermögens oder der Wohnung weg.

Wer durch das Bürgergeld aufgefangen wird, soll sich vorerst nicht um das Ersparte und die Wohnsituation sorgen müssen. Mitwirkungspflichten der Arbeitslosen und Sanktionen sollen bleiben, aber spätestens Ende 2022 neu geordnet werden.

Der Weg zum deutschen Pass

Für Bürger mit ausländischen Wurzeln soll eine doppelte Staatsbürgerschaft möglich sein. Außerdem wird der Weg zum deutschen Pass vereinfacht und bei besonderer Integrationsleistung bereits nach drei Jahren möglich.

In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern sollen mit Geburt deutsche Staatsbürger werden, wenn Mutter oder Vater seit fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland leben.

Wer als abgelehnter Asylbewerber Deutsch lernt, seinen Lebensunterhalt durch Arbeit sichert und nicht straffällig wird, bekommt neue Möglichkeiten, dauerhaft in Deutschland zu bleiben.

Gut integrierte, geduldete Jugendliche sollen nach drei Jahren im Land und bis zum 27. Lebensjahr die Möglichkeit für ein Bleiberecht bekommen. Für Flüchtlinge wird der Familiennachzug ausgedehnt.

Leistungen für Pflegekräfte

Pflegekräfte können auf Steuererleichterungen und einen Corona-Bonus hoffen. Für den Bonus will die Ampel eine Milliarde zur Verfügung stellen.

Pflegekräfte mit kleinen Kindern sollen einen Anspruch auf familienfreundliche Arbeitszeiten bekommen. Das Pflegegeld für die Pflege zu Hause soll regelmäßig angepasst werden. Pflegende Angehörige sollen mehr Entlastungsangebote und etwa Lohnersatz bei pflegebedingten Auszeiten bekommen.

Homeoffice-Pauschale

Wer im Homeoffice arbeitet, soll auch im kommenden Jahr noch eine Pauschale bei der Steuererklärung geltend machen können. Ansetzen kann man pro Tag im Homeoffice 5 Euro, maximal aber 600 Euro im Jahr.

Allerdings zählt die Summe zu den Werbungskosten, für die allen Steuerzahlern pauschal ohnehin 1000 Euro angerechnet werden. Nur wer mit seinen Werbekosten über 1000 Euro kommt, profitiert also. Wer auch nach der Pandemie gerne im Homeoffice arbeiten möchte, soll Anspruch auf ein Gespräch mit seinem Arbeitgeber haben.

Führerschein ab 16

Jugendliche sollen schon früher wählen und den Autoführerschein machen dürfen. Das Wahlalter für Bundestagswahl soll auf 16 Jahre gesenkt werden.

Begleitetes Fahren soll ebenfalls ab 16 statt wie bisher ab 17 Jahren möglich sein. Es bleibt aber dabei, dass man bis zum 18. Geburtstag nur zusammen mit einer mindestens 30-jährigen Begleitperson fahren darf.

Anonymität im Netz

Internetnutzern verspricht die Ampel Anonymität im Netz: Sie will möglichst wenig Überwachung und Speicherung von Kommunikationsdaten.

Wer online Verträge abschließt, soll sie künftig auch einfach per Klick auf einen Button widerrufen können. Außerdem sollen Verbraucher ein Recht auf Reparatur bekommen. Produkte, die man lange benutzt, sollen eine entsprechend lange Gewährleistung kriegen.

© dpa-infocom, dpa:211125-99-141513/4

➡️ Der Koalitionsvertrag im Wortlaut [pdf]

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