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CDU-Spitze will mit verbindlicher Frauenquote in Bundestagswahl gehen

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer will für ihre Partei eine verbindliche Frauenquote. Foto: Michael Kappeler/dpa
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer will für ihre Partei eine verbindliche Frauenquote. Foto: Michael Kappeler/dpa

Es gab Widerstand, aber am Ende breite Zustimmung für eine verbindliche Frauenquote: Bis 2025 will die CDU-Führung eine paritätische Besetzung ihrer Vorstände mit Frauen erreichen. Endgültig entschieden ist aber noch nichts.

Die CDU will sich mit einer verbindlichen schrittweisen Frauenquote und der formellen Einbindung der Lesben und Schwulen in die Parteiarbeit reformieren. Im 75. Jahr des Bestehens der Partei stellte die Struktur- und Satzungskommission der CDU dafür am Mittwoch wichtige Weichen.

Insgesamt sind mehr als 50 Satzungsänderungen geplant, mit denen die Partei sich unter anderem stärker der Digitalisierung öffnen und moderner werden will. Eine endgültige Entscheidung treffen die 1001 Delegierten des Wahlparteitags Anfang Dezember in Stuttgart.

Stimmt der Bundesvorstand im Oktober und anschließend der Parteitag den Änderungen zu, dürfte sich die scheidende Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer einen wesentlichen Anteil an den Reformen zugute halten. Knapp ein Jahr vor dem Ende der Ära von Kanzlerin Angela Merkel, die bei der Bundestagswahl 2021 nicht mehr antreten will, geht damit die Modernisierung der CDU weiter.

Merkel hatte die Partei vom Jahr 2000 an bis 2018 geführt und eine stärkere Öffnung hin zur politischen Mitte und zu neuen Wählerschichten betrieben. In Stuttgart soll die Wahl eines Nachfolgers von Kramp-Karrenbauer im Zentrum stehen.

Die CDU hatte Ende Mai rund 402.000 Mitglieder. Bei den Neumitgliedern liegt der Anteil der Frauen nach Parteiangaben bei 30 Prozent. In der CDU insgesamt liegt der Anteil weiblicher Mitglieder demnach bei mehr als 26 Prozent. Zuletzt hatte es Meldungen gegeben, dass auch der Frauenanteil in den Wirtschafts-Topposition kaum steigt.

Von Merkel begonnener Umbau der CDU geht voran

Für den Kompromiss in der CDU zur Einführung einer schrittweisen verbindlichen Frauenquote von 50 Prozent bis zum Jahr 2025 für Gruppenwahlen bei Vorständen gab es nach gut elfstündigen Verhandlungen am frühen Mittwochmorgen eine breite Mehrheit. 34 Mitglieder der Kommission stimmten mit Ja, 7 mit Nein, 5 enthielten sich. Demnach haben auch die Junge Union mit ihrem Vorsitzenden Tilman Kuban und der Arbeitnehmerflügel CDA zugestimmt.

Nach weiteren Informationen gab es in der Spitze der Nachwuchsorganisation Kritik an der Entscheidung. Am Vormittag tagte zunächst der JU-Vorstand in einer Videokonferenz. Anschließend hieß es aus Parteikreisen, JU-Chef Kuban habe erklärt, er werde für den Kompromiss werben. Aus der JU hieß es, man habe sich konstruktiv zeigen wollen. Es gebe allerdings noch viel Klärungsbedarf.

Der unter Federführung von CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak erarbeitete Kompromiss für eine stärkere Beteiligung von Frauen sieht vor, dass es eine schrittweise Anhebung der verbindlichen Frauenquote für Vorstandswahlen ab der Kreisebene gibt. So soll am 1. Januar 2021 eine Frauenquote von 30 Prozent gelten und zum 1. Januar 2023 eine Quote von 40 Prozent.

Zum Jahresanfang 2025 gilt demnach eine Frauenquote von 50 Prozent. Die Regelung soll für Gruppenwahlen von Vorständen etwa für stellvertretende Vorsitzende und Beisitzer gelten. Für Einzelwahlen von Vorsitzenden, Mitgliederbeauftragten oder Schatzmeistern auf Bundesebene soll die Regelung nicht gelten.

Von der Frauenquote soll nur dann abgewichen werden können, wenn nicht genügend weibliche Bewerber kandidieren. In diesem Fall bestimme die Anzahl der kandidierenden Frauen die Quote, heißt es in dem Beschluss. Werde sie nicht eingehalten, bleibe der eigentlich von einer Frau zu besetzende Platz leer.

Verbindliche Frauenquote auch für Delegierte in CDU

Bei der Wahl von Delegierten für Parteitage auf Landes- und Bundesebene soll es eine dynamische Frauenquote geben. So soll hier vom 1. Januar 2021 eine Quote von 30 Prozent gelten. Von einem weiblichen Mitgliederanteil ab 30 Prozent soll in Landesverbänden eine Quote von 40 Prozent gelten. Ab einem Mitgliederanteil von 40 Prozent Frauen soll es eine Quote von 50 Prozent geben. Hintergrund ist, dass Parteitage künftig realistischer als bisher die Mitgliedschaft abbilden sollen.

Bei Listenaufstellungen soll es von Anfang 2021 an bezogen auf die ersten zehn Plätze eine Quote von 30 Prozent Frauen oder mindestens 3 Frauen geben. Ab 2023 ist demnach eine Quote von 40 Prozent (4 Plätze) vorgesehen, von 2025 an dann 50 Prozent (5 Plätze). Die Regeln sollen für Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen gelten. Es handelt sich allerdings nur um eine „Sollbestimmung“, also keine verpflichtende Regelung.

Der CDU-Wirtschaftsrat sieht die Pläne für eine verbindliche Frauenquote kritisch. „Bei der CDU frage ich mich, ob sie angesichts einer Bundeskanzlerin, einer EU-Kommissionspräsidentin und derzeit noch einer Parteivorsitzenden sowie drei von fünf Spitzen ihrer Bundesministerien in weiblicher Hand überhaupt diese Frauendebatte braucht“, sagte die Präsidentin des CDU-nahen Verbands, Astrid Hamker, der Passauer Neuen Presse. Der Chef der konservativen Werteunion, Alexander Mitsch, sagte der Saarbrücker Zeitung, eine verbindliche Frauenquote in der CDU schränke „die Wahlfreiheit der Mitglieder erheblich ein“.

Lesben und Schwule sollen stärker in Parteiarbeit eingebunden werden

Die Strukturkommission sprach sich mit großer Mehrheit dafür aus, die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) als sogenannte Sonderorganisation mit einem festen Platz in der Partei zu verankern. Dafür gab es 35 Ja- und eine Nein-Stimme sowie 2 Enthaltungen. Auch über diese Entscheidung muss der Parteitag in Stuttgart entscheiden.

„Wir wollen, dass die LSU als Organisation fester Bestandteil unserer Partei ist und an der politischen Willensbildung der CDU mitwirkt“, heißt es im Beschlussentwurf. „Wir haben jetzt die Chance, unsere CDU in der gesellschaftlichen Realität ankommen zu lassen und uns endlich auch für die Rechter aller im Bereich LGBTQ einzusetzen.“ Der Begriff LGBTQ steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle und queere Menschen.

Bislang hat die CDU laut Statut sieben Vereinigungen, die speziell die junge Generation, die Frauen, Arbeitnehmer, Kommunalpolitiker, Unternehmer, die Vertriebenen und Flüchtlinge sowie die Älteren ansprechen wollen. Außerdem gibt es Sonderorganisationen: den Evangelischen Arbeitskreis und den Ring Christlich-Demokratischer Studenten.

„Politische Elternzeit“ und mehr Digitalisierung geplant

Die Kommission schlägt nach den Angaben aus Parteikreisen auch vor, eine „politische Elternzeit“ einzuführen. Kinder dürften nicht zu einem Problem für politisches Engagement werden, heißt es zur Begründung.

Auf allen Ebenen vom Ortsverband bis zum Bundesvorstand soll es die Möglichkeit geben, Ämter für bis zu einem Jahr ruhen zu lassen und anschließend wieder wahrzunehmen. Eine Abwahl junger Eltern soll in dieser Zeit nur per Zweidrittelmehrheit möglich sein.

Zudem einigte man sich darauf, die Parteiarbeit stärker als bisher an die Digitalisierung anzupassen. Demnach sollen Online-Parteitage rechtssicher verankert und digitale Gremiensitzungen ermöglicht werden. Außerdem sollen es auf Ebene der Kreisverbände Digitalbeauftragte im Vorstand geben.

© dpa-infocom, dpa:200708-99-710899/7
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weiterführende Informationen:
➡️ Struktur- und Satzungskommission der CDU
➡️ Vereinigungen und Sonderorganisationen der CDU

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