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US-Kongress: Showdown vor dem „Shutdown“?

Nancy Pelosi, Vorsitzende des US-Abgeordnetenhauses, spricht bei einer Pressekonferenz im Kapitol über die innenpolitische Agenda von US-Präsident Biden. Foto: J. Scott Applewhite/AP/dpa
Nancy Pelosi, Vorsitzende des US-Abgeordnetenhauses, spricht bei einer Pressekonferenz im Kapitol über die innenpolitische Agenda von US-Präsident Biden. Foto: J. Scott Applewhite/AP/dpa

Im US-Kongress stehen entscheidende Stunden an. Kurz vor Fristablauf soll ein „Shutdown“ der Regierung verhindert werden. Präsident Biden muss auch an anderer Stelle bangen: Seine Prestigeprojekte wackeln.

In letzter Minute will der US-Kongress einen drohenden Teil-Stillstand der Regierungsgeschäfte abwenden.

Im Senat soll zunächst über eine Übergangsfinanzierung für die Regierung bis Anfang Dezember abgestimmt werden, wie die Kongresskammer ankündigte.

Infrastrukturpaket auf der Kippe

Ein Votum im Repräsentantenhaus könnte kurz danach folgen, um die Budgetregelung schließlich noch kurz vor Ablauf einer entscheidenden Frist um Mitternacht in Kraft zu setzen.

Im Repräsentantenhaus ist für diesen Donnerstag auch eine Abstimmung über ein von US-Präsident Joe Biden angestoßenes großes Infrastrukturpaket geplant. Ob es tatsächlich dazu kommt, ist aber unklar. Hintergrund ist ein schwieriges internes Ringen bei den Demokraten um ein zweites noch größeres Investitionspaket, das Biden angeschoben hat. Der Demokrat kämpft um die Durchsetzung der wohl wichtigsten Vorhaben seiner Amtszeit.

Das neue Haushaltsjahr beginnt in den USA an diesem Freitag. Ist bis dahin keine Haushaltsregelung beschlossen, käme es zu einem „Shutdown“ von Teilen der Regierung. Das heißt, Staatsbedienstete etwa müssten zum Teil zwangsbeurlaubt werden oder vorübergehend ohne Bezahlung arbeiten. Solche „Shutdowns“ kommen in den USA öfter vor. Biden will aber unbedingt verhindern, das ihm das passiert.

„Shutdown“ verhindern

Das Repräsentantenhaus hatte bereits in der vergangenen Woche mit den Stimmen der Demokraten eine Regelung zur vorübergehenden Finanzierung der Regierung beschlossen.

Im Senat sperrten sich die Republikaner aber dagegen, weil darin auch vorgesehen war, die Schuldenobergrenze vorerst auszusetzen – was sie ablehnen. Die Demokraten trennten beide Fragen schließlich notgedrungen und können so wohl mit der Zustimmung der Republikaner rechnen, um einen „Shutdown“ zu verhindern.

Das weitaus größere Problem der Schuldenobergrenze bleibt aber vorerst bestehen. Ohne eine Anhebung oder Aussetzung dieser Grenze durch den Kongress droht der US-Regierung laut Finanzministerin Janet Yellen Mitte Oktober der Zahlungsausfall.

„Amerika würde zum ersten Mal in der Geschichte zahlungsunfähig werden“, warnte Yellen zuletzt. Die Folge wäre vermutlich „eine finanzielle Krise und eine wirtschaftliche Rezession“. Der US-Wirtschaft und den Finanzmärkten rund um die Welt drohe „nicht wieder gutzumachender Schaden“.

Warnungen vor Katastrophe

Auch Pelosi und der Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, warnten vor einer wirtschaftlichen Katastrophe und warfen den Republikanern vor, mit ihrer Blockade Schaden dramatischen Ausmaßes zu riskieren.

Üblicherweise ist die Anhebung oder Aussetzung der Schuldenobergrenze eine überparteiliche Angelegenheit.

Das Repräsentantenhaus verabschiedete am Mittwochabend mit den Stimmen der Demokraten eine separate Vorlage, die vorsieht, die Schuldenobergrenze bis Dezember auszusetzen. Der Senat müsste dem aber auch zustimmen, was angesichts des Widerstandes der Republikaner derzeit nicht sehr wahrscheinlich ist.

Interner Kampf bei Demokraten

Neben den Kämpfen zwischen den beiden Parteien machen auch heftige interne Auseinandersetzungen bei den Demokraten dem Präsidenten schwer zu schaffen.

Er versucht mit einer zunehmend atemlosen Serie an Gesprächen und Verhandlungen, zwei zentrale Vorhaben seiner Amtszeit im Kongress durchzusetzen: ein groß angelegtes Paket für Investitionen in die Infrastruktur des Landes und ein zweites gewaltiges Paket mit Investitionen für Soziales.

Das Infrastrukturpaket, mit dem Straßen, Brücken sowie andere Verkehrs- und Energienetze in den USA modernisiert werden sollen, hatte im August nach langen Verhandlungen den Senat passiert – mit Unterstützung von Republikanern. Das finale Votum der anderen Kongresskammer fehlt noch.

Vorgesehen sind über die nächsten Jahre verteilt rund 550 Milliarden US-Dollar neuer Investitionen in die Infrastruktur. Insgesamt, inklusive schon vorher veranschlagter Mittel, hat das Paket einen Umfang von mehr als einer Billion Dollar.

Es geht auch um 3,5 Billionen Dollar

Das zweite Paket sieht einen deutlichen Ausbau der Sozialleistungen vor. Biden will etwa mehr in Bildung und Kinderbetreuung investieren, Familien stärker unterstützen und sie steuerlich entlasten sowie Geld für den Kampf gegen die Klimakrise in die Hand nehmen.

Dieses Paket hat bisher einen Umfang von 3,5 Billionen Dollar, auch verteilt über mehrere Jahre. Finanziert werden soll es durch Steuererhöhungen für Spitzenverdiener und das konsequentere Eintreiben fälliger Abgaben.

Da die Republikaner hier nicht mitziehen wollen, planen die Demokraten, dieses zweite Paket mit einem parlamentarischen Sonderverfahren aus eigener Kraft durch den Kongress bringen. Sie haben in beiden Kammern aber nur knappe Mehrheiten, und auch bei ihnen sind die Pläne umstritten.

Einige moderate Demokraten sehen die hohen Ausgaben kritisch, während sich einige progressive Demokraten mehr gewünscht hätten. Letztere drohten damit, das Infrastrukturpaket zu blockieren, sofern nicht auch das größere zweite Paket gesichert sei. So laufen seit Tagen atemlose Verhandlungen, um Mehrheiten für beides zu organisieren. Doch die scheinen noch nicht in Sicht.

Verfahrene Lage

Pelosi hatte eine Abstimmung zum Infrastrukturpaket für diesen Donnerstag angekündigt. Angesichts des verfahrenen Lage ist unklar, ob es dabei bleibt – und was aus beiden Paketen wird. Für Biden sind sie zentrale Vorhaben seiner Präsidentschaft, quasi sein Vermächtnis.

Inmitten der angespannten Lage gönnten sich Kongressmitglieder und der Präsident am Mittwochabend (Ortszeit) eine Pause – beim Baseball. Am Vorabend eines wichtigen Tages im Parlament wurde in der US-Hauptstadt das traditionelle Kongress-Baseball-Spiel ausgetragen, bei dem Abgeordnete von Demokraten und Republikaner zu wohltätigen Zwecken gegeneinander antreten. Biden stattete dem Spiel einen spontanen Besuch ab und plauderte mit Spielern beider Parteien.

© dpa-infocom, dpa:210930-99-421246/3


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