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Urteil: Geschworene befinden Derek Chauvin für Mord an George Floyd schuldig

Tony L. Clark hält ein Foto des verstorbenen George Floyd. Der ehemalige Polizist Derek Chauvin ist schuld an der Tötung des unbewaffneten Afroamerikaners. Foto: Jerry Holt/Star Tribune/AP/dpa
Tony L. Clark hält ein Foto des verstorbenen George Floyd. Der ehemalige Polizist Derek Chauvin ist schuld an der Tötung des unbewaffneten Afroamerikaners. Foto: Jerry Holt/Star Tribune/AP/dpa

Fast ein Jahr nach der Tötung von George Floyd ist das Urteil gefallen. Es war einer der meistbeachteten Fälle der jüngeren US-Geschichte. Die Geschworenen waren sich schnell einig.

Im Prozess um die Tötung von George Floyd haben die Geschworenen den Ex-Polizisten Derek Chauvin in allen Anklagepunkten für schuldig befunden: Das Urteil, das auch Mord umfasst, erklärte Richter Peter Cahill in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota.

Damit droht Derek Chauvin eine lange Haftstrafe. Das genaue Strafmaß soll erst später vom Richter festgelegt werden. Chauvins Verteidigung könnte noch Berufung gegen das Urteil einlegen.

Der 46 Jahre alte George Floyd war am 25. Mai vergangenen Jahres in Minneapolis bei einer Festnahme ums Leben gekommen. Videos dokumentierten, wie Polizisten den unbewaffneten Mann zu Boden drückten.

Derek Chauvin presste dabei sein Knie gut neun Minuten lang auf Floyds Hals, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. George Floyd verlor der Autopsie zufolge das Bewusstsein und starb wenig später. Die Beamten hatten ihn wegen des Verdachts festgenommen, mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben.

Der schwerwiegendste Anklagepunkt gegen Derek Chauvin lautete Mord zweiten Grades ohne Vorsatz. Darauf stehen in Minnesota bis zu 40 Jahre Haft. Nach deutschem Recht entspräche dies eher dem Totschlag. Zudem wurde Derek Chauvin auch Mord dritten Grades vorgeworfen, was mit bis zu 25 Jahren Haft geahndet werden kann. Auch musste er sich wegen Totschlags zweiten Grades verantworten, worauf zehn Jahre Haft stehen. Dieser Anklagepunkt entspräche nach deutschem Recht eher der fahrlässigen Tötung.

Derek Chauvin hatte auf nicht schuldig plädiert. Experten gehen davon aus, dass der bislang nicht vorbestrafte Chauvin ein geringeres Strafmaß bekommen dürfte als maximal zulässig.

Die Entscheidung über Schuld oder Unschuld fiel dem US-Rechtssystem folgend den Geschworenen zu. Für die seit Montagnachmittag andauernden Beratungen der zwölf Jury-Mitglieder gab es keine Zeitvorgabe. Sie durften während der Unterredungen aber nicht mehr nach Hause, sondern waren in einem Hotel untergebracht. Ihr Urteil musste einstimmig getroffen werden. Die Geschworenen bleiben in diesem Fall aus Sicherheitsgründen bis auf Weiteres anonym.

Floyds Schicksal hatte in den USA mitten in der Corona-Pandemie eine Welle an Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt ausgelöst und entwickelte sich zur größten Protestbewegung seit Jahrzehnten.

Die Erwartungen an das Verfahren waren in den USA daher immens: Viele Menschen, darunter viele Schwarze, hatten auf ein Urteil gehofft, das ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt setzen würde. Selbst US-Präsident Joe Biden sagte, er bete dafür, dass das „richtige Urteil“ gefällt werde. Für den Fall eines Freispruchs oder einer geringen Haftstrafe war mit neuen Protesten gerechnet worden.

Unmittelbar vor der Bekanntgabe des Urteils hatten sich bereits Hunderte Aktivisten der „Black Lives Matter“-Bewegung vor dem massiv gesicherten Gerichtsgebäude im Zentrum von Minneapolis versammelt. Sie skandierten unter anderem den Namen George Floyds, die Worte „Hört auf, uns zu töten“ und „Chauvin – schuldig“. Floyds Ex-Partnerin Courtney Ross sagte vor der Urteilsverkündung, ein Schuldspruch wäre nicht nur ein Zeichen der Gerechtigkeit für Floyd, sondern auch Rückenwind für den Kampf gegen den Rassismus.

Wegen des Prozesses war in Minneapolis ein Großaufgebot der Sicherheitskräfte im Einsatz, inklusive Soldaten der Nationalgarde. Gouverneur Tim Walz hatte zuvor dazu aufgerufen, friedlich zu demonstrieren und Ausschreitungen und „Chaos“ zu vermeiden.

Chauvins Verteidiger Eric Nelson hatte argumentiert, dass Chauvins Gewaltanwendung gerechtfertigt gewesen sei, weil sich Floyd der Festnahme widersetzt habe. Zudem vertrat er die Meinung, dass Floyds Tod nicht primär auf Gewalteinwirkung zurückging, sondern vor allem auf bestehende Herzprobleme und Rückstände von Drogen in seinem Blut.

Experten der Staatsanwaltschaft wiesen diese Argumentation klar zurück. Ein Lungenspezialist etwa erklärte, Floyd sei an den Folgen von Sauerstoffmangel gestorben. Der niedrige Gehalt an Sauerstoff habe Hirnschäden verursacht und Floyds Herz zum Stillstand gebracht. Der Polizeichef von Minneapolis, Medaria Arradondo, bezeichnete Chauvins Gewaltanwendung als unverhältnismäßig und vorschriftswidrig.

Chauvin war nach Floyds Tod entlassen worden. Er befand sich gegen Kaution auf freiem Fuß und war während des ganzen Prozesses anwesend. Neben Chauvin sind drei weitere am Einsatz gegen Floyd beteiligte Ex-Polizisten angeklagt, die in einem separaten Verfahren ab dem 23. August vor Gericht stehen werden. Ihnen wird Beihilfe zur Last gelegt. Auch ihnen könnten langjährige Haftstrafen drohen.

© dpa-infocom, dpa:210420-99-284902/3


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