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Unabhängigkeitstag: Donald Trump polarisiert am Mount Rushmore

Anlässlich des Unabhängigkeitstages steht US-Präsident Trump am Rushmore-Denkmal. Foto: Alex Brandon/AP/dpa
Anlässlich des Unabhängigkeitstages steht US-Präsident Trump am Rushmore-Denkmal. Foto: Alex Brandon/AP/dpa

Es gibt einen Feind im Innern: Dieses Bild zeichnet US-Präsident Trump zum Unabhängigkeitstag bei seinem Auftritt am Mount Rushmore. Ungeachtet der Corona-Pandemie zieht Trump vier Monate vor der Wahl ein eigenwilliges Programm durch. Statt Zuversicht zu verbreiten setzt er auf Wut und Angst.

US-Präsident Donald Trump hat eine Rede zum Unabhängigkeitstag der USA am Mount Rushmore für eine düstere, polarisierende Botschaft genutzt: „Unsere Nation erlebt eine gnadenlose Kampagne zur Auslöschung unserer Geschichte, zur Diffamierung unserer Helden, zur Ausradierung unserer Werte und zur Indoktrinierung unserer Kinder“, sagte Trump am Vorabend des Unabhängigkeitstages, den die USA an diesem Samstag begingen.

Sorgen vor neuen Coronavirus-Ansteckungen zum Trotz trat Trump am Freitag vor mehreren Tausend Menschen und beeindruckender Kulisse auf: Über der Bühne thronte das monumentale Nationaldenkmal von Mount Rushmore – der Gebirgsfels mit den in Stein gemeißelten Köpfen von vier Ex-Präsidenten. Nach Angaben der Gouverneurin kamen Menschen aus allen Teilen des Landes nach South Dakota gekommen, wo der Abend mit Feuerwerk endete.

Am 4. Juli feiern US-Amerikaner jedes Jahr den Independence Day. An dem Tag im Jahr 1776 nahmen Abgesandte der 13 amerikanischen Kolonien in Philadelphia offiziell eine Erklärung an, mit der sie sich als Vereinigte Staaten von Amerika von Großbritannien lösten. Seit 1941 ist der Independence Day in den USA gesetzlicher Feiertag und traditionell Anlass für Paraden, Umzüge, Ansprachen und Feuerwerke.

Doch dieses Jahr steht der patriotischste aller Feiertage in den USA unter dem Eindruck der sich zuspitzenden Corona-Pandemie und landesweiten Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt nach dem Tod von George Floyd.

Die USA brachen in den vergangenen Tagen mehrmals in Folge ihre eigenen dramatischen Rekorde bei der Zahl der nachgewiesenen Corona-Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Donald Trump sprach die Krise am Mount Rushmore lediglich am Anfang an, als er unter anderem Ärzten und Wissenschaftlern dankte, die „unermüdlich daran arbeiten, das Virus zu töten“.

Trump sieht Feind im Inneren

Es waren die Proteste, die eine Debatte über die Erinnerungskultur des Landes entfacht haben, die Trump den Stoff für seine Rede lieferten. Trump warf dem linken Flügel des politischen Spektrums vor, in den Städten des Landes eine „Welle von Gewaltverbrechen“ auslösen zu wollen. Es gebe einen „neuen linksradikalen Faschismus, der absolute Gefolgschaft einfordert“.

„Die radikale Ideologie, die unser Land angreift, rückt unter dem Banner der sozialen Gerechtigkeit vor. Aber in Wahrheit würde sie sowohl die Gerechtigkeit als auch die Gesellschaft zerstören“, sagte Trump. „Wütende Mobs“ versuchten, Statuen der Gründerväter der USA zu Fall zu bringen. Das amerikanische Volk sei aber nicht „weich und unterwürfig“, sondern stark und stolz und werde nicht zulassen, dass dem Land seine Werte, Geschichte und Kultur genommen würden.

Donald Trump machte in seiner Rede am Mount Rushmore keinen Unterschied zwischen friedlichen Demonstranten und Unruhestiftern. Viele seiner Anschuldigungen waren nicht neu. Er ließ sie aber in geballter Form los und zeichnete das Bild eines Feindes im Innern. Der Angriff auf „unsere großartige Freiheit muss gestoppt werden und wird sehr schnell gestoppt werden“, sagte Trump.

In mehreren Städten waren bei Protesten Statuen historischer Personen gestürzt worden, die in Verbindung mit Rassismus gebracht werden. Die US-Demokraten wollen umstrittene Statuen aus dem Kongress verbannen. Auch wurden Forderungen zur Umbenennung einiger Militärstützpunkte laut, die an Anführer der Konföderierten Staaten im amerikanischen Bürgerkrieg erinnern.

Donald Trump wehrt sich gegen all dies – die am Mount Rushmore in den Fels gemeißelten überlebensgroßen Porträtköpfe der Präsidenten George Washington, Thomas Jefferson, Theodore Roosevelt und Abraham Lincoln in den Black Hills gaben seiner Botschaft den scheinbar passenden Rahmen.

Am Rande der Veranstaltung kam es zu Protesten. Die Ureinwohner, denen die Black Hills heilig sind, hatten Widerstand gegen Trumps Kommen angekündigt und Sorge wegen des Coronavirus ausgedrückt. Die Sioux beanspruchen das Gebiet für sich und beschuldigen die Regierung, eine Vereinbarung aus dem Jahr 1868 nicht eingehalten zu haben, die ihnen das Gebiet als Stammesland zusprach. Auf diese Seite der Geschichte ging Trump nicht ein.

Wahlveranstaltung

Das Event war als offizielle Veranstaltung des Weißen Hauses ausgezeichnet. Doch die Stimmung glich einem Wahlkampfevent und Trumps Rede schien genau darauf ausgelegt zu sein. Aus den USA solle ein Ort der „Unterdrückung, Herrschaft und Ausgrenzung“ gemacht werden, warnte Trump. „Sie wollen uns zum Schweigen bringen, aber wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen.“

Er dagegen trete für das Erbe des Landes, die Vollstreckung von Gesetzen und das Recht auf Waffenbesitz ein. Zwischenrufe wie „Wir lieben dich, Präsident Trump“ waren zu hören. Viele Teilnehmer trugen Schirmmützen und T-Shirts mit der Aufschrift „Trump 2020“.

Der Republikaner will bei der Wahl in vier Monaten für eine zweite Amtszeit antreten – doch er steht erheblich unter Druck. Umfragen sehen den designierten Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, Joe Biden, in Führung. Bei den Umfragen ist Vorsicht geboten, wie die Wahl 2016 zeigte.

Doch Trumps Umgang mit der Corona-Krise ist höchst umstritten. Seine Gegner beschuldigen ihn, sie seit Beginn herunterzuspielen. Auch seine Reaktion auf Floyds Tod und die weitgehend friedlichen Proteste sorgt für Kritik: Trump positioniere sich nicht klar gegen Rassismus und zeige nicht genug Verständnis für den Zorn über Diskriminierung und Ungerechtigkeit im Land. Das Verständnis für friedliche Proteste ist Umfragen zufolge hoch.

In der Hauptstadt Washington waren am Unabhängigkeitstag mehrere Demonstrationen angekündigt. Am Abend (18.40 Uhr Ortszeit/00.40 MESZ) wollte Trump im Weißen Haus eine weitere Ansprache halten. Im Anschluss sollen die Feierlichkeiten auf der National Mall – einer Promenade zwischen dem Parlamentsgebäude und dem Lincoln Memorial – beginnen. Höhepunkt ist ein Feuerwerk. Bürgermeisterin Muriel Bowser hatte beklagt, dass die Feierlichkeiten mitten in der Corona-Pandemie im Widerspruch zu den Richtlinien der Gesundheitsexperten stünden.

Trump will die Corona-Pandemie vergessen machen. Auf die über 50.000 Neuinfektionen, die zuletzt täglich verzeichnet wurden, ging Trump am Mount Rushmore nicht ein. Auch den Schmerz über die fast 130.000 Toten, die die USA seit Beginn der Pandemie im Zusammenhang mit Covid-19-Erkrankungen zu beklagen haben, bedachte er nicht. D

ie Wirtschaft hat schweren Schaden genommen und die derzeitige Zuspitzung droht die jüngste leichte Erholung wieder zunichte zu machen. Doch Trump sagte vor dicht gedrängten Zuschauern, die größtenteils keine Schutzmaske trugen, die USA seien das „großartigste Land in der Geschichte der Welt“ und dass es „bald“ großartiger als je zuvor sein werde.

➡️ Transkript der Rede von Donald Trump am Mount Rushmore [EN]

© dpa-infocom, dpa:200704-99-668851/8

(1) Trump hat eine Rede zum Unabhängigkeitstag für eine düstere, polarisierende Botschaft genutzt. Foto: Alex Brandon/AP/dpa
(2) US-Präsident Donald Trump spricht zum Unabhängigkeitstag. Foto: Alex Brandon/AP/dpa
(3) Native Americans bilden eine Straßensperre auf dem Weg zum Mount Rushmore. Foto: Stephen Groves/AP/dpa
(4) Donald Trump hält am Nationaldenkmaleine Rede. Foto: Alex Brandon/AP/dpa
(5) Ein Feuerwerk erhellt den Himmel am Denkmal Mount Rushmore. Foto: Alex Brandon/AP/dpa
(6) Anlässlich des Unabhängigkeitstages steht US-Präsident Trump am Rushmore-Denkmal. Foto: Alex Brandon/AP/dpa

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