Der Kontrast könnte kaum stärker sein: Präsident Donald Trump will heute im Weißen Haus angesichts der anhaltenden Proteste mit Sicherheitskräften sprechen, sein Herausforderer Joe Biden hingegen will George Floyds Familie treffen. Die US-Demokraten wollen ein Gesetz gegen Polizeigewalt auf den Weg bringen.
Gut zwei Wochen nach seinem Tod bei einem brutalen Polizeieinsatz wird der Afroamerikaner George Floyd an diesem Dienstag in Pearland bei Houston beigesetzt. Zuvor nehmen die Familie und geladene Gäste in der texanischen Metropole Houston an einem Trauergottesdienst teil
Am Montag gab es für die Öffentlichkeit die Möglichkeit, am Sarg von Floyd in Houston Abschied zu nehmen. George Floyd war in Houston aufgewachsen. Der 46-Jährige war bei einem Polizeieinsatz am 25. Mai in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota getötet worden. Seitdem kommt es landesweit zu Massenprotesten gegen Rassismus und Polizeigewalt, die auch US-Präsident Donald Trump unter Druck setzen.
Der designierte Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten, Ex-Vizepräsident Joe Biden, hat dem Republikaner Trump mehrfach vorgeworfen, das Land zu spalten, statt es zu einen. Biden wollte am Montag in Houston Angehörige Floyds zu einem privaten Gespräch treffen, wie mehrere US-Medien übereinstimmend berichteten.
Trump wollte dagegen im Weißen Haus mit Vertretern von Sicherheitsbehörden zusammenkommen. Nach dem vom Weißen Haus verbreiteten Programm sollte der Termin nicht öffentlich sein. Trump bewirbt sich bei der Präsidentschaftswahl im November um eine zweite Amtszeit.
Biden führt in Umfragen
In einer am Montag veröffentlichten Umfrage im Auftrag des Senders CNN lagen Trumps Zustimmungswerte nur noch bei 38 Prozent – sieben Punkte weniger als im vergangenen Monat. Wäre die Wahl jetzt, würden der Befragung zufolge 55 Prozent für Biden stimmen und nur 41 Prozent für Trump.
Im vergangenen Monat hatte Biden noch einen Vorsprung von nur fünf Punkten. Wegen des komplizierten Wahlsystems in den USA haben solche Umfrage allerdings begrenzte Aussagekraft, was den tatsächlichen Ausgang der Wahl angeht. Trump schrieb auf Twitter, die CNN-Daten seien so falsch wie die Berichterstattung des Senders.
Der Sender hatte vom 2 bis zum 5. Juni insgesamt 1.259 US-Bürger durch ein Umfrageinstitut telefonisch befragen lassen – und die Ergebnisse in einem insgesamt 43-seitigen PDF-Dokument im Detail online gestellt. Demnach billigen 38 Prozent die Amtsführung von Donald Trump, 57 Prozent lehnen sie ab.
US-Demokraten mit Gesetz gegen Polizeigewalt
Die US-Demokraten im Kongress stellten am Montag einen Gesetzentwurf gegen Polizeigewalt vor. Der Entwurf sehe unter anderem eine einfachere Strafverfolgung bei polizeilichem Fehlverhalten vor, sagte die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi.
Polizeigewalt solle außerdem etwa durch den verstärkten Einsatz von Körperkameras bekämpft werden. Umstrittene Polizeimethoden wie Würgegriffe bei Festnahmen sollten verboten werden.
Pelosi sagte, Polizeigewalt spiegele „ein tief verwurzeltes System der Rassenungerechtigkeit in Amerika“ wider. Der Gesetzentwurf sei nur ein erster Schritt dagegen. Notwendig sei ein Strukturwandel. Im Gedenken an den Tod Floyds knieten führende US-Demokraten im Kongress fast neun Minuten nieder.
Pelosi sprach von einem „Märtyrertod“ Floyds und anderer Opfer von Polizeigewalt. Die Erfolgaussichten des Gesetzentwurfs sind unklar: Die Demokraten kontrollieren das Repräsentantenhaus, der Senat wird jedoch von Trumps Republikanern dominiert.
Trump warf den Demokraten am Montag vor, den Polizeibehörden im Land die Finanzierung zusammenstreichen und die Polizei „abschaffen“ zu wollen. Der Präsident schrieb in Großbuchstaben auf Twitter: „Recht und Ordnung“. Er fügte hinzu: „Die radikalen linken Demokraten sind verrückt geworden!“ Die Demokraten „würden Amerika zerstören“. Forderungen danach, die Finanzierung der Polizeibehörden zurückzufahren, finden bei den Protesten zunehmend Widerhall.
Trump hat Floyds Tod mehrfach verurteilt und das Recht auf friedliche Demonstrationen betont. Ihm wird jedoch vorgeworfen, sich nicht klar gegen Rassismus zu positionieren und nicht genug Verständnis zu zeigen für den Zorn über Diskriminierung und Ungerechtigkeit im Land. Die anhaltenden Proteste hat er bislang vor allem unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit kommentiert.
Biden trifft Floyd-Familie
US-Medien berichteten, Biden werde zu einem privaten Gespräch mit Angehörigen Floyds zusammenkommen. Er werde auch eine Videobotschaft für Floyds Beerdigung aufnehmen.
Der Ex-Vizepräsident werde aber am Dienstag nicht selbst an der Zeremonie teilnehmen. Er wolle die Beerdigung nicht durch zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen stören, die bei seiner Anwesenheit nötig wären, berichteten unter anderem die New York Times und der Nachrichtensender CNN..
Für den designierten Präsidentschaftskandidaten der Demokraten ist der Trip nach Texas die erste größere Inlandsreise seit der Zuspitzung der Coronavirus-Pandemie im März. Biden hat sich seit Floyds Tod bereits mehrfach gegen „systematischen Rassismus“ und die anhaltende Ungleichheit in den USA ausgesprochen.
Biden versprach zudem, als Präsident in seinen ersten 100 Tagen im Amt eine Kommission für Polizeireformen einzusetzen. Zudem solle der Kongress schon jetzt handeln und umstrittene Polizeimethoden wie Würgegriffe bei Festnahmen verbieten. Forderungen, die es auch auf den Demos in den USA gab.
George Floyd dürfe nicht nur einfach ein weiterer Hashtag werden, schrieb Biden auf Twitter. „Wir brauchen Gerechtigkeit und wir brauchen wirkliche Polizeireformen, um sicherzustellen, dass das nie wieder passiert.“ Anstatt wie Präsident Trump das Land zu spalten und „Hass“ zu schüren, werde er sich darum bemühen, die Wunden des Rassismus zu heilen, versprach Biden und legte nach, dass Trumpf die schlechtestmögliche Person sei, um die USA durch die aktuelle Lage zu führen.
Proteste halten an
Unterdessen halten die Proteste an: In vielen US-Städten gingen wieder Zehntausende auf die Straße, um gegen Polizeigewalt, Rassismus und Ungleichheit zu demonstrieren.
In Washington etwa demonstrierte am Sonntag auch der frühere republikanische Präsidentschaftskandidat und jetzige Senator Mitt Romney unter dem Motto „Black Lives Matter“, wie er auf Twitter schrieb. Prominente Republikaner waren bei den Protesten bislang eher eine Seltenheit. Trump verspottete Romney wegen dessen Teilnahme in einem Tweet.
Trump wirkt unterdessen zusehends hilflos. Bei einem Auftritt im Weißen Haus am Freitag redete er über positive Arbeitslosenzahlen und forderte eine Gleichbehandlung aller Bürger durch die Polizei. Während der Präsident weiterhin immer wieder von „Law und Order“ spricht, gibt es gerade aus dem Militär Kritik.
Ausgangspunkt ist der Tod von George Floyd, der am 25. Mai bei einer brutalen Festnahme in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota gestorben war. Ein weißer Polizeibeamter hatte sein Knie fast neun Minuten lang in den Nacken des am Boden liegenden Floyd gedrückt – trotz aller Bitten des 46-Jährigen, ihn atmen zu lassen. Floyd war wegen des Verdachts, mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben, festgenommen worden.
Veränderungen in New York und Minneapolis
In New York wiederum legte am Sonntag Bürgermeister Bill de Blasio Vorschläge für eine Reform der Polizei der Millionenmetropole vor. Beispielsweise solle ein Teil des Budgets des NYPD für Jugend- und Sozialarbeit verwendet werden, sagte de Blasio am Sonntag.
Außerdem sollte der Umgang mit den Disziplinarakten von Polizisten transparenter werden. Es handele sich dabei nur um erste Schritte, die Details müssten noch ausgearbeitet werden, sagte de Blasio.
In Minneapolis will nun eine Mehrheit des Stadtrats Berichten zufolge die örtliche Polizei durch eine neue Organisation für öffentliche Sicherheit ablösen. In seiner gegenwärtigen Aufstellung sei das Minneapolis Police Department nicht mehr reformierbar, erklärten neun von zwölf Stadträten nach Angaben des örtlichen Sender KTSP.
Es gebe aber noch keinen genauen Plan für die neue Organisationsform, hieß es. Die Abwicklung der Behörde dürfte ein „langer und komplizierter Kampf“ werden, schrieb die örtliche Zeitung Star Tribune.
Der Bürgermeister von Minneapolis, Jacob Frey, hatte sich am Samstag bei einer Demonstration gegen eine Abwicklung der örtlichen Polizei ausgesprochen und stattdessen für Reformen geworben. Er wurde dafür prompt ausgebuht und aufgefordert, den Protest zu verlassen.
Für den 28. August ist zudem ein Marsch auf Washington angekündigt, wie ihn Martin Luther King an eben diesem Tag vor 57 Jahren anführte. Es könnte ein neuer Höhepunkt der Proteste in den USA werden. Martin Luther King hatte damals auf der Abschlusskundgebung die legendäre „I have a Dream“ Rede hielt, in der die Gleichberechtigung von Schwarzen und Weißen einforderte. Die Neuauflage könnte eine der größten Demonstrationen in der Geschichte der USA werden.
Hinweis: Der Artikel wurde im Lauf des Tages (08.06.2020) aktualisiert, u.a. mit den Umfrageergebnissen und Konkretisierungen zum Gesetzvorschlag der US-Demokraten.