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Putsch in Mali – Präsident Keita zurückgetreten

Am Dienstag hatten Soldaten bei einer Meuterei in Mali den Staatschef Keïta und weitere Mitglieder seiner Regierung festgenommen. Foto: Ap/AP/dpa
Am Dienstag hatten Soldaten bei einer Meuterei in Mali den Staatschef Keïta und weitere Mitglieder seiner Regierung festgenommen. Foto: Ap/AP/dpa

Mali steckt seit Jahren in einer Krise – nun eskaliert sie: Nach einem Putsch des Militärs zieht Präsident Keita die Konsequenzen, er ist zurückgetreten. Die internationale Gemeinschaft reagiert besorgt – auch die Bundeswehr, die im Land Soldaten hat.

Nach einem Putsch im westafrikanischen Mali ist Präsident Ibrahim Boubacar Keita zurückgetreten. Dies verkündete er am frühen Mittwochmorgen in einer live im Fernsehen ausgestrahlten Ansprache.

„Ich habe mich entschieden, meinen Posten zu verlassen“, sagte er – bekleidet mit einer Maske zum Schutz vor Covid-19. „Ich will nicht, dass Blut vergossen wird, damit ich an der Macht bleiben kann“, fügte der seit 2013 amtierende, zuletzt zunehmend unbeliebte Präsident nach einer Meuterei im Staatsfernsehen.

Die EU und die USA verurteilten den Militärputsch. Die Afrikanische Union setzte die Mitgliedschaft Malis aus bis zur „Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung“, wie es in einer Erklärung des AU-Friedens- und Sicherheitsrates.

Der UN-Sicherheitsrat forderte die Meuterer auf, „alle inhaftierten Staatsbediensteten sicher und unverzüglich freizulassen und unverzüglich in ihre Kasernen zurückzukehren.“

Ungeachtet dessen verkündeten die aufständischen Militärs, nach dem Mali-Präsident Keita zurückgetreten war, ein Übergangskomitee, das demnächst Wahlen abhalten wolle.

Ob der Putsch Konsequenzen für die Bundeswehr in Mali haben würde, war zunächst unklar – laut Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer geht es den Soldaten im Land aber gut. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, der Putsch habe erst einmal keine Auswirkungen auf die Stationierung europäischer Soldaten in Mali.

Keita: „Verpüre keinen Hass“

Der Staat steckt seit Monaten in einer politischen Krise. Die Opposition in Mali forderte bereits zuvor den Rücktritt von Präsident Keita, der nun zurückgetreten ist. Seine Popularität war angesichts von Vorwürfen rund um Korruption und Wahlmanipulationen stark gesunken. Zudem wird er dafür kritisiert, die Gefahr durch den islamistischen Terror nicht in den Griff zu bekommen. Jüngst ist es immer wieder zu großen, teilweise gewalttätigen Protesten gekommen.

Zu der Meuterei kam es am Dienstag in Kati, einer Garnisonsstadt etwa 15 Kilometer von der Hauptstadt Bamako entfernt. Zunächst herrschten große Spannungen und Unsicherheit in dem Land. Die US-Botschaft berichtete von Schüssen und Demonstrationen in Bamako. Dann wurden Präsident Keita, der nun zurückgetreten ist, und andere Mitglieder der Regierung von Mali von den Putschisten festgenommen.

Zuvor hatten mehrere westliche Botschaften vor Spannungen und Unruhen gewarnt und ihren Bürgern vor allem in Bamako geraten, Zuhause zu bleiben. Das Auswärtige Amt sprach eine teilweise Reisewarnung aus.

„Ich verspüre keinen Hass gegen irgendjemanden, meine Liebe zu meinem Land erlaubt es mir nicht“, sagte der 75-jährige Keita in seiner Rücktrittserklärung. Er erklärte die Regierung und das Parlament für aufgelöst. Die aufständischen Militärs verkündeten daraufhin die Einsetzung des Nationalen Komitees für die Errettung des Volkes (CNSP), das innerhalb eines „angemessenen Zeitrahmens“ Wahlen organisieren wolle.

Kalla Ankourao, als Außenminister des Nachbarstaates Niger Mitglied im Vermittlerteam der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas, sprach von einer herben Enttäuschung. „Zwei Monate lang haben wir versucht zu vermitteln und gehofft, dass das malische Volk sich an die Vorgaben der Ecowas, nämlich Demokratie und gute Regierungsführung, halten würde“, sagte er der Deutschen Welle. Der Putsch sei ein brutaler Stopp der Verhandlungen und komme zur Unzeit: „Wir standen so kurz vor der Lösung.“

Ein Sprecher der Putschisten, Ismael Wagué, der bisherige stellvertretende Leiter des Generalstabs der Luftwaffe, warf der Regierung von Mali, die mit Präsident Keita zurückgetreten ist, vor, das Land in „Chaos, in die Anarchie und in die Unsicherheit“ gestürzt zu haben. Wagué verkündete die Schließung aller Grenzen und die Einstellung des internationalen Flugverkehrs.

Unklare Lage in Mali

Am Dienstag hatten Soldaten bei einer Meuterei in Mali den Staatschef Keïta und weitere Mitglieder seiner Regierung festgenommen. Foto: Ap/AP/dpa
Am Dienstag hatten Soldaten bei einer Meuterei in Mali den Staatschef Keïta und weitere Mitglieder seiner Regierung festgenommen. Foto: Ap/AP/dpa

Der genaue Auslöser des Putsches in Mali, in dessen Zuge nun Präsident Keita zurückgetreten ist, war zunächst unklar. Der instabile Krisenstaat wird seit Jahren von islamistischen Terrorgruppen geplagt und Keita wurde oft dafür kritisiert, das Problem nicht in den Griff zu bekommen.

Zudem hatte sich jüngst eine Oppositionsbewegung gebildet, die Keita Korruption und Wahlmanipulationen vorwarf und seinen Rücktritt forderte.

Mehrere Terrorgruppen sind in Mali und anderen Ländern der Sahelregion aktiv, einige von ihnen haben dem Islamischen Staat (IS) und dem Terrornetzwerk Al-Kaida die Treue geschworen. Frankreich unterstützt den Kampf gegen diese Organisationen mit dem Militärkampfeinsatz „Barkhane“, für den rund 5100 Soldaten in der Sahelzone im Einsatz sind.

Zudem unterstützt eine UN-Mission den Friedensprozess in Mali, nachdem der Norden des Landes im Jahr 2012 vorübergehend in die Hände von Rebellengruppen geraten war, bevor Frankreich militärisch eingriff. Auch gibt es in Mali eine EU-Ausbildungsmission.

Bundeswehr erhöht Sicherheitsmaßnahmen

Die Bundeswehr hat die Sicherheitsmaßnahmen für die in dem Land eingesetzten Soldaten verschärft. „Sie verlassen nicht mehr das Feldlager“, sagte eine Sprecherin des Einsatzführungskommandos in Geltow bei Potsdam. Mehr als 900 deutsche Soldaten sind als Teil der UN-Stabilisierungsmission Minusma sowie der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali im Einsatz.

„Die gute Nachricht ist: Unserer Truppe geht es gut. Alle sind sicher, alle sind zurückbeordert in die Liegenschaften“, sagte Kramp-Karrenbauer dem Sender Welt. Auf die Frage, ob die deutschen Soldaten bei einer Zuspitzung der Lage abgezogen würden, sagte die Ministerin, dies werde man gemeinsam mit den Verantwortlichen der UN-Mission und der europäischen Mission und dem Partner Frankreich besprechen.

Im Mai hatte der Bundestag mit großer Mehrheit für eine Ausweitung der Beteiligung deutscher Soldaten an der EUTM-Mission gestimmt. Minusma soll den Friedensprozess in Mali unterstützen, nachdem der Norden des Landes im Jahr 2012 vorübergehend in die Hände islamistischer und anderer Rebellengruppen geraten war, bevor Frankreich militärisch eingriff. Die UN-Mission gilt als der gefährlichste derzeit laufende Auftrag der Bundeswehr.

Kritik aus USA und Europa

Die Meuterei stieß international auf harsche Kritik. Außenminister Maas erklärte: „Wir verurteilen entschieden den Versuch, in Mali eine verfassungswidrige Machtübernahme durch das Militär herbeizuführen. Die verfassungsmäßige Ordnung muss wiederhergestellt werden“, zitierte das Auswärtige Amt via Twitter Maas.

Die Soldaten müssten in ihre Kasernen zurückkehren, die Festsetzung von Regierungsmitgliedern beendet werden. Alle Seiten seien aufgerufen, auf Gewalt zu verzichten. Die Ereignisse seien kein Beitrag für die Stabilität und gesellschaftliche Aussöhnung.

Die USA forderten alle politischen und militärischen Akteure auf, sich für eine Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung einzusetzen, wie Außenminister Mike Pompeo am Mittwoch erklärte. Die Freiheit und Sicherheit der Regierungsvertreter, die im Rahmen der „Meuterei“ vom Dienstag festgenommen worden seien, müsse garantiert werden, forderte Pompeo.

Auch die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union verurteilten Militärputsch. „Wir unterstützen die Bemühungen der Regionalorganisation Ecowas, hier zu einer politischen Lösung zu kommen“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach einem EU-Videogipfel.

„Der Kampf gegen terroristische Gruppen und die Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind untrennbar miteinander verbunden“, erklärte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. „Sich daraus zurückzuziehen bedeutet, Instabilität zu provozieren und unseren Kampf zu schwächen. Das ist nicht akzeptabel“, so Macron. Er forderte die Freilassung von Präsident Keita und Regierungsmitgliedern. „Frieden, Stabilität und Demokratie sind unsere Priorität.“

UN und Afrikanische Union verurteilen Putsch

Auch UN-Chef António Guterres, die Afrikanische Union und das westafrikanische Regionalbündnis Ecowas verurteilten den Putsch. Ecowas hatte in den vergangenen Monaten versucht, in der innenpolitischen Krise Malis rund um den Mali-Präsident Keita, der nun zurückgetreten ist, zu vermitteln.

UN-Chef António Guterres äußerte sich in einer Mitteilung „tief besorgt“ über die Ereignisse in Mali: „Der Generalsekretär verurteilt die Maßnahmen nachdrücklich und fordert die sofortige Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung und Rechtsstaatlichkeit in Mali.“

UN-Sprecher Stéphane Dujarric sagte am Mittwoch in New York: „Je früher wir zurück zu einer verfassungsmäßigen Ordnung mit Klarheit zurückkommen, desto besser wird es vor allem für die malische Bevölkerung, aber offensichtlich auch für die Arbeit der (UN)-Mission sein.“ Die Vereinten Nationen riefen die Sicherheitskräfte im Land zu maximaler Zurückhaltung auf.

Auch der Kommissionschef der Afrikanischen Union (AU), Moussa Faki Mahamat, verurteilte die Festnahmen in einer Stellungnahme. Er rief zu ihrer sofortigen Freilassung auf. Zudem verurteilte er „jeden Versuch einer verfassungswidrigen Änderung“.

Der westafrikanische Staatenverbund Ecowas rief ebenfalls zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung auf. Die Militärs sollten unverzüglich in ihre Kasernen zurückkehren. Der Staatenverbund verurteile jeden nicht der Verfassung des Landes entsprechenden Regierungswechsel „aufs Schärfste“.

Besondere Rolle für Frankreich

Frankreich schloss sich den Aussagen von Ecowas an, wie es in einer Mitteilung des Außenministeriums hieß. Staatschef Emmanuel Macron habe mit Mali-Präsident Keita, der nun zurückgetreten ist, sowie dessen nigerianischen Amtskollegen Mahamadou Issoufou, dem Präsidenten der Elfenbeinküste, Alassane Ouattara, und dem senegalesischen Präsidenten Macky Sall telefoniert, teilte der Élyséepalast mit.

Macron habe seinen Gesprächspartnern uneingeschränkte Unterstützung ausgesprochen. Die frühere Kolonialmacht Frankreich ist in Westafrika massiv im Einsatz gegen Islamistenmilizen vertreten, Mali ist ein Schwerpunkt.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte, der Putschversuch könne „in keiner Weise eine Antwort auf die tiefe gesellschaftspolitische Krise sein, die Mali seit mehreren Monaten getroffen hat“. In Absprache mit Ecowas, der AU und den Vereinten Nationen fordere die EU einen Dialog.

Der Sprecher der Putschisten Wagué versprach, dass alle Abkommen mit nationalen und internationalen Partnern respektiert würden. Zudem versicherte er, dass die UN-Mission Minusma, die französische Mission „Barkhane“ und die G5-Sahel-Gruppe „unsere Partner für die Stabilität und die Wiederherstellung der Sicherheit bleiben“. Die G5-Sahel ist ein Zusammenschluss von Mali, Mauretanien, Niger, Burkina Faso und dem Tschad zur Bekämpfung des Terrorismus in der Region.

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