Auch Mediziner fragen sich, was ist angesichts der rein technischen Möglichkeit an Therapien und Operationen auch ethisch zu vertreten, was nicht? Welche Versprechungen oder Empfehlungen sollte ein Arzt seinem Patienten machen und wann sollte er abraten?
Darüber referiert Dr. Philippe Tscholl, Facharzt für Orthopädische Chirurgie, Traumatologie und Sportmedizin am Uni-Klinikum Genf als Experte der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS), auf dem 38. Jahreskongress in Luxemburg.
„Es geht dabei um die chirurgische und nicht-chirurgische Ethik. Wie weit darf die Chirurgie gehen, damit ein Fußballer möglicherweise noch mitspielen kann. Was nutzt es ihm, wenn er hinterher in seinen 30ern schon eine Hüftprothese braucht, die vielleicht schon vor 50 erstmals ausgewechselt werden muss? Dies kann zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität führen“, so die GOTS in ihrer Pressemeldung zu einem der Themen auf der bevorstehenden Jahreskonferenz.
„Wir müssen Patienten realitätsnah aufklären“, fordert Dr. Philippe Tscholl. Nach Kreuzbandrissen beispielsweise schaffen es laut der GOTS-Meldung höchstens 75 Prozent wieder in ihren Sport auf dasselbe Niveau. Auch ein Einsatz künstlicher Gelenke mit 30 oder 40, nur um weiter Tennis spielen zu können, müsse abgelehnt werden.
Und auch mit chronischen Schmerzen oder Entzündungen zu spielen, könne das „Leben danach“ stark beeinflussen. „Das muss den Betroffenen klar vermittelt werden“, heißt es von der GOTS, die anfügt: „Doch Athleten stehen oft unter Druck: Verträge, Sponsoren, Berater haben indirekten Einfluss.“
„Im Freizeitsport fordert ebenso vieles seinen Tribut. Wenn einem Jugendlichen mit 18 schon zum zweiten Mal das Kreuzband reißt, geht es nicht nur um die Möglichkeiten, was operationstechnisch machbar ist. Sondern, darum, dass er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit 30 seinen Sport aufgrund von Verschleisserscheinungen an seinem Gelenk nicht mehr ausführen kann“, so die GOTS mit Blick auf die späteren Folgen einer Verletzung.
„Hier müssen Sportmediziner auch von anderen Zielsetzungen reden oder das Wechseln der Sportart empfehlen“, so die GOTS. Dr. Philippe Tscholl bekräftigt: „Der Traum ist nicht geplatzt in dem Moment, wo ich es als Arzt dem Sportler sage, sondern vorher – in dem Moment, wo er sich verletzt hat.“ Das muss man immer vor Augen haben, so der Mediziner.
Aber nicht nur das chirurgische Ermöglichen der Leistungsfähigkeit müsse hinterfragt werden, sondern auch Medikamenteneinnahmen, Infusionen, Vitamine, Substanzen. „Einige Sportler haben gewisse Formen des Optimierens, die stark fragwürdig sind und denen die Ärzte mit ihrem Fachwissen begegnen müssen – im Interesse der Gesundheit“, so Dr. Philippe Tscholl.