Stuttgart/Berlin (dpa/tmn) – Betroffene von chronischen Darmerkrankungen mit Stuhlinkontinenz können nicht auf die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel verwiesen werden. Das hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschieden (AZ: L 7 R 3817/19). Darauf weist die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hin. Als direkte Folge der Entscheidung haben Betroffene unter Umständen auch Anspruch auf Erwerbsminderungsrente.
Zum Fall: Eine in der Altenpflege tätige Frau mit Morbus-Crohn-Erkrankung beantragte Erwerbsminderungsrente. Aufgrund der Begleiterscheinung – häufiger blutiger Durchfall – sei sie ständig auf eine Toilette in der Nähe angewiesen. Ohne Führerschein könne sie nur zur Arbeit in der häuslichen Krankenpflege fahren, wenn ihr berufstätiger Mann sie fahre. Der Rentenversicherungsträger lehnte den Antrag ab. Der Frau seien kurze Fahrstrecken im Nahverkehr zuzumuten. Die Betroffene klagte.
In erster Instanz unterlag die Klägerin, doch die Berufung stellt fest: Menschen mit derartigem Leiden kann man das Aufsuchen einer Arbeitsstätte nicht zumuten. Weil sie ständig auf eine Toilette angewiesen sei, könne die Klägerin auch nicht zur Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs verwiesen werden. Hier seien Toiletten entweder gar nicht oder nur in nicht ausreichender Weise vorhanden.
Allerdings: Die Erwerbsminderungsrente wurde nur befristet gewährt. Es sei nicht auszuschließen, dass eine Therapie den Zustand der Klägerin verbessern könnte.
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