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Tausende ertricksen sich frühere Corona-Impfung – Ruf nach Strafen

Der Ruf nach Strafen bei ungerechtfertigten Versuchen von Impfungen wird lauter. Foto: Wolfgang Kumm/dpa
Der Ruf nach Strafen bei ungerechtfertigten Versuchen von Impfungen wird lauter. Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Impfzentren klagen über aggressive Impfwillige – und Versuche, sich eine vorzeitige Impfung zu erschleichen. Bundespräsident Steinmeier mahnt: Das Impfen dürfe nicht zur sozialen Frage werden.

Angesichts zunehmender Versuche von Impfwilligen, sich ungerechtfertigt und teils mit falschen Angaben eine vorzeitige Impfung zu verschaffen, wird der Ruf nach Strafen laut.

„Zwar werden Tausende erwischt, aber es fehlt an Sanktionen“, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der dpa. „Sich beim Impfen vorzudrängen, ist weiterhin keine Ordnungswidrigkeit.“

Viele Impfzentren klagen nach einem Medienbericht über Aggressivität von Impfwilligen und zunehmende Versuche, sich eine vorzeitige Impfung zu erschleichen. Das SWR-Fernsehmagazin Report Mainz berichtete von mehreren tausend Fällen.

Allein das Hamburger Impfzentrum meldete demnach zuletzt 2000 Vordrängler in einer Woche. Um vorzeitig an einen Impftermin zu kommen, würden etwa falsche Alters- oder Berufsangaben gemacht, berichtete Report.

In München würden bis zu 350 Vordrängler in der Woche erwischt, in Saarbrücken bis zu 140. Die Redaktion hatte bei den Impfzentren der Landeshauptstädte nachgefragt, allerdings erfassen nicht alle die Zahlen zu Impfvordränglern.

Der Sprecher der Hamburger Sozialbehörde, Martin Helfrich, sagte dem ARD-Magazin: „Die Stimmung wird aggressiver. Den Menschen ist teilweise sehr klar, dass sie nicht berechtigt sind und trotzdem versuchen sie, sich impfen zu lassen.“

Über 35 Millionen Impf-Dosen

Insgesamt haben die Impfstellen mittlerweile mehr als 35 Millionen Impfdosen gegen Corona verabreicht – etwas weniger als 27,3 Millionen bei Erstimpfungen und weitere gut 7,8 Millionen bei Zweitimpfungen (Stand Montag). 32,8 Prozent der Menschen haben mindestens eine Impfung erhalten. Den vollen Impfschutz erhielten demnach bislang 9,4 Prozent der Bevölkerung.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief dazu auf, das Impfen gegen das Corona-Virus nicht zur sozialen Frage werden zu lassen. „Wir müssen immer wieder auch sehen, dass es eine soziale Dimension der Krise gibt, und müssen Vorsorge dafür treffen, dass in der Pandemie die Gräben in der Gesellschaft nicht noch tiefer werden“, sagte er nach dem Besuch einer Hausarztpraxis im Berliner Stadtteil Moabit.

In Stadtteilen wie diesem, die kulturell, religiös und sozial sehr gemischt seien, gebe es oft große soziale Probleme. Die Infektionsraten dort seien teils deutlich höher, sagte Steinmeier. Besonders in solchen Stadtteilen sei „die Beratung und die Behandlung durch Hausärzte wirklich Gold wert“. Sie könnten im Gespräch mit ihren Patientinnen und Patienten Vertrauen dafür schaffen, die angebotenen Impfungen auch in Anspruch zu nehmen, betonte der Bundespräsident.

Um alle Menschen mit der Impfkampagne erreichen zu können, sei es wichtig, verschiedene Möglichkeiten zu suchen. Die Hausarztpraxen seien ein immer wichtiger werdender Bestandteil der Impfkampagne. Man brauche aber gleichermaßen die Impfzentren: „Ich glaube, wir sollten im Moment das eine nicht gegen das andere ausspielen.“ Zudem komme es darauf an, gezielt in die Wohngebiete, Betriebe und Kultureinrichtungen zu gehen, um die Menschen dort aufzuklären und ihnen mit mobilen Einrichtungen Impfangebote zu machen.

Report-Recherchen zeigen demnach, dass die Impfbetrüger sich oft als höher priorisierte Kontaktpersonen von Pflegebedürftigen oder Schwangeren ausgeben. Denn eine pflegebedürftige Person etwa kann zwei Kontaktpersonen benennen, die vorrangig geimpft werden. In einem der SWR-Redaktion bekannten Fall schafften es aber statt zwei acht junge und gesunde Leute, sich als Kontaktpersonen impfen zu lassen.

Aufhebung von Prioritäten

Die Gesundheitsministerkonferenz hob unterdessen am Montag die Impfpriorisierung beim Präparat des Konzerns Johnson & Johnson auf – ähnlich wie zuvor bereits bei dem des Herstellers Astrazeneca.

Beide Impfstoffe können in sehr seltenen Fällen schwere Nebenwirkungen haben. Deshalb ist vor einer Entscheidung für eines der beiden Vakzine bei Menschen bis 60 Jahren ärztliche Aufklärung und eine individuelle Risikoanalyse vorgeschrieben. Regelhaft eingesetzt werden sollen beide Impfstoffe erst bei Personen ab 60.

Allerdings wird der Großteil von Johnson & Johnson in Deutschland voraussichtlich erst dann geliefert werden, wenn die Älteren ganz überwiegend schon geimpft sind: laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zehn Millionen Dosen bis Ende Juli. Anders als beim Wirkstoff von Astrazeneca – und auch den unbeschränkt eingesetzten Präparaten von Biontech/Pfizer und Moderna – reicht bei Johnson & Johnson bereits eine Impfung.

Brysch als Vorsitzender der Deutschen Stiftung Patientenschutz, sagte mit Blick auf den Druck vieler Impfwilliger: “Jetzt werden Vakzine freigegeben. Damit entsteht in den Impfzentren und bei den Hausärzten massiver Druck. Am Patientenschutztelefon erfahren wir von psychischen und physischen Drohgebärden.”

© dpa-infocom, dpa:210511-99-547148/4

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