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Rechtsextreme NSU-Drohmails: Vorübergehende Verhaftung von Ehepaar

Ein Demonstrantin in Wiesbaden zeigt «Solidarität mit den Betroffenen des NSU 2.0». Foto: Arne Dedert/dpa
Ein Demonstrantin in Wiesbaden zeigt «Solidarität mit den Betroffenen des NSU 2.0». Foto: Arne Dedert/dpa

Rechtsextreme NSU-Drohmails gingen vor allen an Politikerinnen und Personen des öffentlichen Lebens in Berlin und Hessen. Nun führt eine Spur nach Bayern und zu einer vorübergehenden Verhaftung.

Ermittlungserfolg und eine vorübergehende Verhaftung in der Affäre um rechtsextreme Drohmails mit dem Verweis „NSU 2.0“: Im bayerischen Landshut wurden eine Wohnung durchsucht und zwei Personen vorläufig festgenommen, wie die Frankfurter Staatsanwaltschaft mitteilte.

Bei den Beschuldigten handele es sich um einen 63-jährigen ehemaligen bayerischen Polizeibeamten, der bereits in der Vergangenheit wegen rechtsmotivierter Straftaten polizeilich in Erscheinung getreten sein soll, und seine 55 Jahre alte Ehefrau.

Das Ehepaar sei verdächtig, mehrere E-Mails mit beleidigenden, volksverhetzenden und drohenden Inhalten an Bundestagsabgeordnete und verschiedene andere Adressaten verschickt zu haben, teilte die Staatsanwaltschaft mit. „Es geht um sechs Mails, die im Juli verschickt worden sind“, erläuterte eine Sprecherin der Behörde.

Es gibt nach Worten der Sprecherin der Staatsanwaltschaft keine Anhaltspunkte dafür, dass der ehemalige Polizist und seine Frau auch im Zusammenhang mit dem Abruf persönlicher Daten von hessischen Polizeicomputern stehen. Das könne sich natürlich im Laufe der Ermittlungen noch ändern, sagte sie.

„Der aktuelle Vorwurf ist das Versenden der Mails und nicht das Abrufen von Daten“, so die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Das hessische Innenministerium wollte sich auf Anfrage nicht äußern und verwies auf die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.

Disziplinarverfahren

Weil die Voraussetzungen für einen Haftbefehl nicht vorgelegen hätten, seien die Beschuldigten wieder entlassen worden, teilte die Staatsanwaltschaft weiter mit.. Gegen den ehemaligen Polizisten, der seit 16 Jahren nicht mehr im Dienst sein soll, sei außerdem ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden.

„Auch ein Beamter im Ruhestand darf sich nicht extremistisch betätigen“, teilte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) mit. Zuvor hatte die Bild-Zeitung darüber berichtet. „Sollte sich der Verdacht bestätigen, drohen dem ehemaligen Beamten harte dienstrechtliche Sanktionen bis hin zur Aberkennung des Ruhegehalts“, sagte Herrmann.

Die Auswertung der sichergestellten Datenträger sowie die weiteren Ermittlungen wegen des Verdachts der Bedrohung, der Volksverhetzung, der verfassungsfeindlichen Verunglimpfung von Verfassungsorganen sowie der Beleidigungen dauerten an. Das Ehepaar war am Freitag festgenommen worden.

69 rechtsexteme Drohmails mit „NSU 2.0“

Vor kurzem war bekanntgeworden, dass Linken-Politikerinnen mit „NSU 2.0“ unterzeichnete Drohschreiben erhalten hatten. Weitere bekannte Empfängerinnen von Drohmails waren die Kabarettistin İdil Baydar und die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz, die im Münchner Prozess um die Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) Opferfamilien vertreten hatte.

Den Ermittlern des hessischen LKA lagen zuletzt Informationen über 69 rechtsextreme Drohschreiben vor. Diese richteten sich nach Angaben von Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) an 27 Personen und Institutionen in insgesamt acht Bundesländern. Neun Personen sollen in Hessen wohnen.

Über Basay-Yildiz, Baydar und die hessische Linken-Fraktionschefin Janine Wissler waren zuvor persönliche Daten von Polizeicomputern in Frankfurt und Wiesbaden abgerufen worden, im Zuge der Affäre trat der hessische Polizeipräsident zurück.

Es gibt mittlerweile bereits eine Serie von mit „NSU 2.0“ unterzeichnete Schreiben. Es ist aber nicht geklärt, ob es sich bei allen Drohungen um denselben Absender handelt. So besteht beispielsweise bei Straftaten, die viel Aufmerksamkeit erregen, die Möglichkeit von Trittbrettfahrern.

Als NSU hatten sich die Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bezeichnet, die zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen ermordeten. Es waren acht türkischstämmige und ein griechischstämmiger Kleinunternehmer sowie eine Polizistin. Ihre Mittäterin Beate Zschäpe wurde 2018 verurteilt.

An der Dursuchungsaktion in Bezug auf rechtsextreme NSU-Drohmails, die in Landshut zur vorläufigen Verhaftung des Ehepaars führten, sollen auch Kräfte des hessischen Landeskriminalamtes und der bayerischen Polizei beteiligt gewesen sein.

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