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Geständnis: Stephan E. gab tödlichen Schuss auf Walter Lübcke ab

Stephan E. hat vor Gericht zugegeben, den tödlichen Schuss auf den CDU-Politiker Walter Lübcke abgegeben zu haben. Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters Pool/dpa
Stephan E. hat vor Gericht zugegeben, den tödlichen Schuss auf den CDU-Politiker Walter Lübcke abgegeben zu haben. Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters Pool/dpa

Der Hauptverdächtige im Mordfall Walter Lübcke räumt erstmals vor Gericht den tödlichen Schuss ein, damit kehrt er zu seinem ersten, widerrufenen Geständnis zurück. Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied.

Im Prozess um den Mordfall Walter Lübcke hat der Hauptangeklagte Stephan E. erstmals vor Gericht den tödlichen Schuss auf Kassels Regierungspräsidenten in einem Geständnis eingeräumt.

„In dem Moment sah ich, dass er wieder aufstehen wollte – und da habe ich geschossen“, erklärt er in einem Geständnis, das sein Anwalt Mustafa Kaplan am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht Frankfurt verlas. Gleichzeitig belastete Stephan E. den Mitangeklagten Markus H., der ebenfalls am Tatort gewesen sei und eine entscheidende Rolle gespielt habe.

Der Kasseler Regierungspräsident Lübcke war im Juni 2019 auf der Terrasse seines Wohnhauses im Landkreis Kassel getötet worden. Stephan E. muss sich wegen der Tat vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts verantworten.

Der Generalbundesanwalt wirft dem Deutschen rechtsextremistische Motive vor. Der zweite Angeklagte, Markus H., wird der Beihilfe beschuldigt. Dass Markus H. mit am Tatort war, hatten die Ermittler Stephan E. in einer früheren Aussage nicht abgenommen.

Stephan E. zum Tathergang

Markus H. sei in einer schwierigen psychischen Phase von Stephan E. sein „Mentor“ gewesen, ließ der Hauptangeklagte nun erklären: „Er hat mich radikalisiert und aufgehetzt.“ Demnach war Markus H. es, der Lübcke als Ziel ins Spiel brachte.

Bei Schießübungen habe Markus H. eine Zielscheibe mit dem Bild von Angela Merkel gehabt und erklärt, dass er auch eine Zielscheibe von Lübcke machen wolle. Im Gegensatz zur Kanzlerin „sei Lübcke jemand, an den man rankommen könnte“. Zudem habe, Stephan E. zu Folge, Markus H. den Regierungspräsidenten als „Volksverräter“ bezeichnet.

Nach einer Bürgerversammlung 2015, bei der sich Lübcke für die Aufnahme von Flüchtlingen einsetzte, habe Markus H. erklärt, dass man dem CDU-Politiker einen „Besuch“ abstatten solle. Laut der Erklärung verabredeten sich Stephan E. und Markus H. 2019 dazu. Ziel sei nicht ausdrücklich gewesen, Lübcke zu töten. Aber: „Der Einsatz der Waffe war auf jeden Fall eine Alternative, die wir in Betracht zogen.“

Als Stephan E. und Markus H. Lübcke auf der Terrasse seines Wohnhauses bedrohten, habe er auf einem Stuhl gesessen. Der Politiker habe aufstehen wollen, da habe Stephan E. abgedrückt. „Vielleicht habe ich auch nur auf eine solche Reaktion des Herrn Lübcke gewartet, um zu schießen“, ließ Stephan E. erklären.

Rückkehr zu erstem Geständnis

Gegenüber der Familie des Getöteten ließ Stephan E. Bedauern ausdrücken: „Ich weiß, das, was ich und Markus H. Ihnen angetan haben, war unentschuldbar und falsch.“ Die Tat sei feige und grausam.

Der Anwalt der Familie Lübcke, Holger Matt, erklärte nach der Verhandlung, das „klare Geständnis“ zeige, dass die Tat über einen langen Zeitraum hinweg geplant worden sei. „Mit diesem Geständnis und den Details werden wir uns nunmehr zu befassen haben.“

Mit der Aussage, dass er selbst den tödlichen Schuss auf Walter Lübcke abgegeben hat, kehrt der Hauptangeklagte zu seinem ersten, widerrufenen Geständnis zurück. Die neue Schilderung enthält aber auch Elemente aus dem zweiten Geständnis, in dem der 46-Jährige die Schussabgabe als Unfall darstellte und Markus H. als Schützen.

Als Begründung für die neue Version des Tathergangs verwies Stephan E. auf seine früheren Rechtsanwälte. Erst habe man ihm geraten, Markus H. aus der Tat herauszuhalten, später dann ihn zu beschuldigen.

Auf Nachfrage des Gerichts, wer das zweite Geständnis erfunden habe, nannte Stephan E. den Namen seines abberufenen Pflichtverteidigers Frank H. Stephan E. sagte persönlich: „Die Idee war von Herrn H.“ Man habe mit der Aussage, dass Markus H. der Schütze sei, diesen zu einer Aussage bewegen wollen. Rechtsanwalt H. war auf Nachfrage der dpa zunächst nicht erreichbar.

Nächster Verhandlungstag am Freitag

Außerdem beantwortete der Hauptangeklagte noch Detailfragen des Gerichts zu seinen Besuchen bei Lübckes Haus und dem genauen Tatablauf. Auch in der nächsten Verhandlung am Freitag wird es wieder um Fragen an Stephan E. gehen – möglicherweise auch durch die Nebenklage und die Verteidigung von H.

Begonnen hatte der Verhandlungstag, der das Geständnis von Stephan E. zum tödlichen Schuss auf Walter Lübcke brachte, mit einem weitere Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Thomas Sagebiel.

Björn Clemens, Anwalt von H., begründete diesen mit den kürzlich auf der Internetplattform Youtube veröffentlichten Ausschnitten aus den Vernehmungsvideos von Stephan E. Das in der Verhandlung bereits gezeigte Material war Journalisten zugespielt worden.

Clemens warf dem Senat vor, nichts gegen die Veröffentlichung unternommen zu haben. Damit verfestige sich der Eindruck, es solle ein „öffentlicher Pranger“ geschaffen werden. Der Vertreter des Generalbundesanwalts betonte, die Möglichkeiten dagegen vorzugehen, lägen außerhalb der Zuständigkeit des Gerichts.

© dpa-infocom, dpa:200805-99-44566/10

News vom Prozessstart vom 16. Juni 2020:

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