Berlin (dpa) – Kaum zu glauben für Jüngere, dass es früher keine Pizza in Deutschland gab. Heute ist Pizza ein Massenprodukt, ein globales Nationalgericht – für jeden Geschmack und Geldbeutel adaptierbar. In der Corona-Krise ist sie in aller Munde.
Millionen bestellten sie nach Hause oder machten sie sich selber. Denn: Pizza geht immer. Die deutsche Tiefkühlindustrie erwartet 2020 „einen neuen Höhepunkt“ im Absatz von TK-Pizza. Jeder Bundesbürger isst pro Jahr durchschnittlich 13 Tiefkühlpizzen. „Tendenz steigend.“
Was 2020 zur Pizza wissenswert ist in einer Übersicht:
– PIZZATAG: Bei irgendeinem Lieferservice ist immer Pizza-Tag und es wird mit Angeboten gelockt. Davon abgesehen gibt es eine Reihe kurioser Feiertage und Marketing-Gags rund um die Pizza. Beispiele: In den USA ist am 9. Februar „National Pizza Day“, den manche auch zum Internationalen Pizza-Tag ausrufen wollen. Am 9. Oktober ist zudem „Bier-und-Pizza-Tag“, der diese Kombination feiern soll, und am 25. Oktober ist „Welttag der Pizzabäcker“ (World Pizza Makers Day).
– PIZZAIUOLO: Die Kunst und Tradition des Pizzabäckers aus Neapel – also des neapolitanischen „Pizzaiuolo“ (auch Pizzaiolo oder weiblich der Pizzaiola) – erkannte die Unesco 2017 als Immaterielles Kulturerbe an. Darauf ist die süditalienische Metropole stolz.
– PIZZERIAPIONIER: 2022 ist es 70 Jahre her, dass in der Bundesrepublik die erste Pizzeria eröffnet worden ist. Der 2015 mit 93 Jahren gestorbene Italiener Nico di Camillo aus den Abruzzen eröffnete sie 1952 mit seiner deutschen Frau Marianne „Janina“ Schmitt in Würzburg. Erst kamen überwiegend amerikanische Soldaten, dann brachten die ihre deutschen Freundinnen mit. Als mit wachsendem Wohlstand die Reisewelle begann, war das „Sabbie di Capri“ (Sand von Capri) für Fans italienischer Küche ein Stück Bella Italia am Main.
– PIZZAKETTEN: Die Fachzeitschrift „Food Service“ erstellt ein Umsatz-Ranking der Pizza-Ketten in Deutschland. Auf Platz eins lag 2019 – vor der Corona-Krise – mit 235 Millionen Euro Umsatz Domino’s, die auch Hallo Pizza übernommen haben. Dahinter lagen die Pizza-Restaurantkette L’Osteria (210 Millionen Euro), gefolgt von der 2020 in die Insolvenz geschlitterten Kette Vapiano, deren wesentliche Teile inzwischen an ein Konsortium unter Führung eines ehemaligen Vorstandsmitglieds verkauft worden sind. Dahinter kamen mit Abstand Ketten wie Call a Pizza, Smiley’s, Pizza Hut und Freddy Fresh.
– 50 JAHRE TIEFKÜHLPIZZA: Mit der Sorte „Pizza alla Romana“ für damals etwa 3 D-Mark („belegt mit echt italienischem Mozzarella- und Provolone-Käse, Mortadella, Tomaten und Paprika“, „backofenfertig im praktischen Alu-Teller“) brachte der Lebensmittelhersteller Dr. Oetker 1970 die erste Tiefkühlpizza in den deutschen Handel. Bis heute boomen TK-Pizzen. So isst jeder Bundesbürger im Jahr laut Branchenverband Tiefkühlinstitut umgerechnet 13 Stück. Vor 10 Jahren waren es erst 10, vor 20 Jahren 5 und vor 30 Jahren 3.
– PIZZATEIG: Er besteht aus Wasser, Salz, Bierhefe und feinem Weizenmehl. Der aufgegangene Teig wird dann als Scheibe mit etwa 25 Zentimeter Durchmesser mit kräftigem Rand ausgezogen und im Holzofen bei mehr als 450 Grad gebacken. Längst haben sich verschiedene Varianten und auch niedrigere Temperaturen etabliert. Im Zuge des Eiweiß- und Low-Carb-Trends gibt es auch Protein-Pizzateig-Rezepte mit Magerquark oder aber Böden aus Blumenkohl, Ei und Käse, Thunfisch oder Huhn sowie natürlich glutenfreie Varianten – ein großer Hype.
– PIZZARUHE: Wie lange der Hefeteig einer Pizza ruhen soll, ist zu einer Art Kulturkampf geworden. Viele angesagte Restaurants werben inzwischen mit 24-Stunden- oder gar 72-Stunden-Teig. Viele Rezepte im Internet sind dagegen eher für einen Pizza-Quickie gemacht, bei dem das Gehenlassen an einem warmen Ort nur 30 Minuten oder ein paar Stündchen dauert. Expertenweisheit: Je länger der Pizzateig langsam gehen könne, desto lockerer, luftiger und geschmackvoller werde er.
– PINSA: Bislang ist Pinsa in Deutschland noch recht unbekannt. Gastronomen sind sich aber sicher, dass der Mehlmixfladen mit langer Gehzeit der nächste Foodtrend wird. Die Pizza-Neuinterpretation ist außen knusprig und innen fluffig. Sie besteht aus Weizenmehl sowie leichtem Reismehl, stabilisierendem Sojamehl und für die Bekömmlichkeit Sauerteig. Auf ein Kilo Pinsateig-Mehl kommt fast ein Liter Wasser, deutlich mehr als bei der klassischen Pizza. Pinsateig soll bis zu fünf Tage im Kühlschrank ruhen, was ihn leichter verdaulich macht. Der Teig mit den Luftblasen kann wie eine Pizza aber auch ohne Tomate, also weiß, oder gar süß oder auch erst nach dem Backen belegt werden. Dass die Pinsa eine etwa 2000 Jahre alte Tradition hat, ist als Flunkerei enttarnt. „All das ist ein frei erfundener Mythos“, klärt Bessem Lamari von der „Pinsa Manufaktur“ in Stuttgart auf. Tatsächlich ist die Pinsa eine Erfindung von 2001, entwickelt vom italienischen Backwarenunternehmen Di Marco.
– SCHOKOPIZZA: Nicht alles rund ums Thema Pizza ist ein Erfolg. Dr. Oetker nahm seine Schokoladen-Tiefkühlpizza („Pizza Dolce al Cioccolato“) 2019 nach etwa zwei Jahren wegen geringer Nachfrage wieder vom Markt. Über die süße Variante des sonst herzhaften Produkts war in sozialen Medien heiß diskutiert worden.
Pizza als Politikum – Margherita und Hawaii
Ist Pizza Margherita eine Fascho-Speise und Pizza Hawaii rassistisch? Provokante Fragen, die viele auf die Palme bringen dürften. Allerdings haben sie Hintergründe:
So ist die Pizza mit Tomate, Mozzarella und Basilikum nach der früheren italienischen Königin Margarethe von Italien (Margherita) benannt. Sie lebte von 1851 bis 1926 und war antiparlamentarisch eingestellt und sehr religiös. Sie galt als Unterstützerin des Faschisten und späteren Diktators Benito Mussolini.
Bei der Pizza Hawaii rief im Sommer die Gruppe Linke PoC/Migrantifa dazu auf, lieber „Pizza mit Ananas“ zu sagen. Der Pizzaname Hawaii sei mit einer „Geschichte des Kolonialismus und der Aneignung verbunden“. Der Name solle einen exotischen Touch verleihen, habe aber nichts mit hawaiianischer Küche oder Kultur zu tun.
Hawai’i sei kriegerisch von den USA annektiert worden. Die lokale Bevölkerung sei von weißen Siedlern mit dem Ananas-Anbau ausgebeutet worden. Als Pizzaname sei Hawaii nicht explizit rassistisch, aber eine Bezeichnung, die „viele koloniale Stereotype“ aufzeige.
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