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Fünfstufige Kennzeichnung für bessere Tierhaltung geplant

Unter welchen Bedingungen hat das Mastschwein gelebt? Ein staatliches Label soll diese beantworten. Foto: Sven Hoppe/dpa
Unter welchen Bedingungen hat das Mastschwein gelebt? Ein staatliches Label soll diese beantworten. Foto: Sven Hoppe/dpa

Unter welchen Bedingungen hat das Schwein gelebt, von dem das Schnitzel oder die Bratwurst stammt? Diese Frage soll künftig ein staatliches Label beantworten. Doch es gibt Kritik – auch in der Ampel-Koalition.

Berlin (dpa) – Cem Özdemir ist Vegetarier – doch den Fleischkonsum möchte der Agrarminister den Deutschen nicht verleiden. „Ich will, dass auch morgen noch gutes Fleisch aus Deutschland auf unsere Tische kommt“, versichert der Grünen-Politiker.

Nach seiner Einschätzung hat die landwirtschaftliche Tierhaltung in der Bundesrepublik aber nur dann eine Zukunft, wenn sie sich am Klimaschutz und dem Tierwohl orientiert. Nach mehreren gescheiterten Versuchen nimmt Özdemir deshalb einen neuen Anlauf, um Fleischprodukte in Deutschland mit einer verbindlichen, staatlichen Tierhaltungskennzeichnung auszustatten.

Die von ihm vorgestellten Eckpunkte sehen ein fünfstufiges Modell vor. Daran sollen Verbraucherinnen und Verbraucher ablesen können, wie viel Platz den Tieren während der Mast zur Verfügung stand und wie komfortabel ihre Ställe waren. Bei der Haltungsform „Stall“ werden lediglich die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt. Bei „Stall+Platz“ bekommen die Tiere 20 Prozent mehr Raum, „Frischluftställe“ sind mindestens auf einer Seite offen, bei „Auslauf/Freiland“ dürfen die Tiere mindestens acht Stunden täglich ins Freie, und die Haltungsform „Bio“ bedeutet größere Auslaufflächen und noch mehr Platz im Stall.

Gesetzentwurf soll vor Jahresende in den Bundestag

Den entsprechenden Gesetzentwurf möchte Özdemir vor der Sommerpause mit den anderen Ministerien abstimmen, damit er vor Jahresende in den Bundestag kommt. Im Laufe des kommenden Jahres soll die Haltungskennzeichnung eingeführt werden. Sie wird dann zur Pflicht für tierische Lebensmittel, die in Deutschland verkauft werden und für die die Tiere in Deutschland gehalten wurden. Allerdings gilt die Kennzeichnungspflicht zunächst nur für frisches Schweinefleisch. Andere Produkte sollen später dazukommen.

Finanzierung der Stallumbauten und Folgekosten

Schon im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP die Einführung einer staatlichen Tierhaltungskennzeichnung vereinbart. Gestritten wird im Ampel-Bündnis allerdings um die Frage, wie die Landwirte bei den Stallumbauten und den Folgekosten unterstützt werden können. Als Anschubfinanzierung ist im Bundeshaushalt bis 2026 eine Summe von einer Milliarde Euro vorgesehen. „Das ist für den Anfang erstmal gut, aber es reicht auch nicht“, räumte Özdemir ein. Für eine darüber hinausgehende Finanzierung gebe es in der Koalition Klärungsbedarf.

Eine Expertenkommission hatte Vorschläge wie eine höhere Mehrwertsteuer oder eine „Tierwohlabgabe“ auf tierische Produkte erarbeitet. Als denkbar gilt ein Aufschlag von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch. Die FDP machte allerdings klar, dass sie derartige Preisaufschläge ablehnt – gerade angesichts der Inflation. Ohne sich einen der Vorschläge zu eigen zu machen, verwies Özdemir darauf, dass es verschiedene Finanzierungsmodelle gebe. „Wenn man zu jedem nein sagt, dann sagt man auch nein zur Tierhaltung in Deutschland.“ Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang dringt auf eine baldige Verständigung in der Koalition.

Viel Kritik und Gegenwind

Ärger droht nicht nur im Ampel-Bündnis. So verweist die Opposition darauf, dass es in den Supermärkten seit Jahren eine freiwillige Kennzeichnung für Schweine-, Rind- und Geflügelfleisch gibt. Die AfD hält das Vorhaben deshalb für überflüssig. Im Gegensatz dazu spricht der Deutschen Bauernverband von einem ersten wichtigen Schritt – sieht aber erhebliche Lücken: So gebe es ohne verbindlichen Zeitplan für die Einbeziehung von Rind und Geflügel „keinerlei Lenkungswirkung“, warnte Bauernpräsident Joachim Rukwied.

Umwelt- und Tierschützern geht das geplante Label nicht weit genug. „Ein Siegel, das nur auf die Haltungsform guckt, ist irreführend und blendet die entscheidenden Probleme aus“, sagte Annemarie Botzki von der Verbraucherorganisation Foodwatch. Die Nutztierhaltung in der jetzigen Form mache die Tiere chronisch krank. Der Greenpeace-Agrarexperte Martin Hofstetter beklagte: „Aspekte wie Transport, Schlachtung oder Tiergesundheit werden überhaupt nicht berücksichtigt.“

Und seitens des Koalitionspartners FDP gibt es nicht nur Kritik an der Finanzierung, sondern auch an der Ausgestaltung der Haltungsformen. „Entgegen den Äußerungen des Ministers gibt es bei den Detailfragen keineswegs Einigkeit, sondern zahlreiche offene Punkte“, betonte der agrarpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker. Doch Özdemir lässt keine Zweifel daran zu, das Vorhaben in den kommenden Monaten durch das Kabinett und den Bundestag zu bekommen. „Wir haben lange genug in Deutschland gewartet“, betonte der Minister. „Die Kennzeichnung kommt.“

© dpa-infocom, dpa:220607-99-576789/4

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