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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Feuerwehrleute nach schweren Explosionen an einem beschädigten Wohnhaus in Kiew. Foto: Nariman El-Mofty/AP/dpa
Feuerwehrleute nach schweren Explosionen an einem beschädigten Wohnhaus in Kiew. Foto: Nariman El-Mofty/AP/dpa

In Kiew schlagen Raketen ein, im Osten gewinnen die Russen Gelände. Die Ukraine steckt in ihrem Abwehrkampf in einer schwierigen Phase. Präsident Selenskyj fordert schnell mehr Waffen. Die Entwicklungen im Überblick.

Kiew/Moskau/Elmau (dpa) – Erstmals seit drei Wochen ist die ukrainische Hauptstadt Kiew von der russischen Armee wieder mit Raketen beschossen worden.

Nach massiven Raketenangriffen in vielen anderen Regionen gab es am Morgen auch in der Millionenmetropole mehrere Explosionen. Getroffen wurden auch ein neunstöckiges Wohnhaus und das Gelände eines Kindergartens. Die Behörden meldeten mindestens einen Toten sowie Verletzte. Zuvor war es Russland nach wochenlangem Kampf schon gelungen, die Großstadt Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine unter Kontrolle zu bringen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach nach vier Monaten Krieg in einer Videobotschaft von einer moralisch und emotional schwierigen Phase. Vom Westen forderte er zum Auftakt des G7-Gipfels in Bayern abermals mehr Militärhilfe.

Ein gutes Dutzend Raketen Richtung Kiew

Am Morgen schossen die Russen nach ukrainischen Angaben insgesamt 14 Raketen auf Kiew und Umgebung ab. Zuletzt hatte es Anfang Juni ähnliche Attacken gegeben. In dem getroffenen Hochhaus wurden nach Angaben von Bürgermeister Vitali Klitschko ein Mann getötet und mindestens vier Menschen verletzt. In der „Bild“-Zeitung warf er Russlands Präsident Wladimir Putin vor, gezielt zivile Ziele angreifen zu lassen. „Es sieht danach aus, dass Russland bewusst den Start von G7 auf perfide Weise für einen Raketenschlag nutzen wollte.“ Außenminister Dmytro Kuleba forderte angesichts der neuen Angriffe auf Kiew von den G7 schnell zusätzliche Waffen.

Russland konzentriert seine Bodenoffensive seit längerem auf die Gebiete Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine. Nach dem Rückzug der ukrainischen Armee aus Sjewjerodonezk, dem Verwaltungszentrum von Luhansk, steht das Gebiet größtenteils unter russischer Kontrolle. In der Nachbarstadt Lyssytschansk stehen die Russen bereits in den Außenbezirken. Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu besuchte kämpfende Einheiten – wo genau, wurde nicht mitgeteilt.

Toter und Verletzte bei Raketenangriffen auf Tscherkassy

Neben Kiew hat auch die zentralukrainische Region Tscherkassy am Sonntag russische Raketenangriffe gemeldet. Infolge des Einschlags zweier Raketen seien nahe der Gebietshauptstadt ein Mensch getötet und fünf weitere verletzt worden, teilte der Gouverneur des Gebiets Tscherkassy, Ihor Taburez, mit. In sozialen Netzwerken kursierten zudem Videos von einer offenbar beschädigten Eisenbahnbrücke über den Fluss Dnipro. Die ukrainische Eisenbahn kündigte die vorübergehende Einstellung von Regionalbahnen bei Tscherkassy an.

Ukraine will alle Städte zurückerobern

Der ukrainische Präsident Selenskyj kündigte an, alle von Russland eingenommenen Städte zurückerobern zu wollen. Zu den teils schleppenden Waffenlieferungen aus dem Westen sagte er, die Waffen dürften „nicht länger auf Trainingsplätzen oder in Lagerhallen liegen“. Allein am Samstag sei die Ukraine innerhalb eines halben Tages von 45 russischen Raketen getroffen worden sei. „Das bestätigt, dass die Sanktionspakete gegen Russland nicht genug sind.“ An diesem Montag soll Selenskyj per Video zum G7-Treffen zugeschaltet werden.

Nukleares Forschungszentrum in Charkiw unter Beschuss

Im Osten der Ukraine geriet erneut die nukleare Forschungseinrichtung „Neutronenquelle“ in Charkiw unter Beschuss. Dabei seien Gebäude und Infrastruktur wie Lüftungskanäle beschädigt worden, teilte die Nuklearaufsichtsbehörde mit. Der Teil der Anlage, wo der Kernbrennstoff gelagert wird, wurde nicht erwähnt. Es sei keine erhöhte Strahlung festgestellt worden. Die Ukraine machte Russland verantwortlich.

Angeblich Zivilisten aus Chemiefabrik gebracht

Die zuletzt zum Luftschutzbunker umfunktionierte Chemiefabrik Azot in Sjewjerodonezk wird nach Angaben aus Moskau nun von prorussischen Einheiten der Luhansker Separatisten kontrolliert. Unklar war zunächst, wie viele Menschen dort Schutz gesucht haben. Die Separatisten behaupteten, 800 Zivilisten „evakuiert“ zu haben. Wohin sie gebracht wurden, blieb offen.

Kämpfe dauern auch in anderen Landesteilen an

Selenskyj zufolge feuerte Russland am Samstag allein innerhalb einer Tageshälfte 45 Raketen aufs Nachbarland ab. Dabei soll es auch Opfer gegeben haben. Bei einem Angriff auf die westukrainische Stadt Sarny wurden nach Behördenangaben mindestens drei Menschen getötet und vier weitere verletzt ins Krankenhaus gebracht.

Es seien eine Autowaschanlage und eine Werkstatt getroffen worden, teilte der zuständige Chef der Militärverwaltung der Nachrichtenagentur Unian zufolge mit. Er machte Russland dafür verantwortlich.

Russland will atomwaffenfähige Raketen in Belarus stationieren

Russland will in den nächsten Monaten Raketensysteme vom Typ Iskander in das Nachbarland Belarus verlegen. Das versprach Präsident Wladimir Putin dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko – sein enger Verbündeter.

Die Iskander-M könnten „sowohl ballistische Raketen als auch Marschflugkörper aufnehmen – sowohl in konventioneller als auch in nuklearer Ausführung“, sagte Putin. Sie haben Medien zufolge eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern.

© dpa-infocom, dpa:220626-99-803090/10

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