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Erste begrenzte Corona-Impfpflicht beschlossen

Der Bundestag hat den Gesetzesplänen der neuen Koalition von SPD, FDP und Grünen zugestimmt. Beschäftigte in Einrichtungen mit schutzbedürftigen Menschen wie Pflegeheimen und Kliniken müssen bis Mitte März 2022 Nachweise als Geimpfte oder Genesene vorlegen. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Der Bundestag hat den Gesetzesplänen der neuen Koalition von SPD, FDP und Grünen zugestimmt. Beschäftigte in Einrichtungen mit schutzbedürftigen Menschen wie Pflegeheimen und Kliniken müssen bis Mitte März 2022 Nachweise als Geimpfte oder Genesene vorlegen. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Die Ampel-Koalition bessert das Infektionsschutzgesetz erneut nach. Auch die Union stimmt zu – obwohl sie eigentlich mehr will. Der neue Bundesgesundheitsminister Lauterbach macht eine klare Ansage.

Berlin (dpa) – Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie kommt in Deutschland eine Impfpflicht – allerdings vorerst begrenzt auf Gesundheitspersonal. Dies und weitere Neuregelungen im Kampf gegen die Pandemie haben Bundestag und Bundesrat am Freitag mit großer Mehrheit beschlossen.

Beschäftigte in Einrichtungen mit besonders schutzbedürftigen Menschen wie Pflegeheimen und Kliniken müssen nun bis Mitte März 2022 nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind. Neben Ärzten können künftig auch Apotheker, Zahn- und Tierärzte impfen. Möglichkeiten der Länder zu regional härteren Beschränkungen bei sehr hohem Infektionsgeschehen werden ergänzt und verlängert.

Für das Gesetz der Koalition aus SPD, Grünen und FDP votierten im Bundestag 571 Abgeordnete, auch die Union hatte Zustimmung dazu erklärt. Es gab 80 Nein-Stimmen und 38 Enthaltungen. Der Bundesrat nahm die Neuregelungen wenige Stunden später einstimmig an.

In seiner ersten Bundestagsrede als Gesundheitsminister sagte Karl Lauterbach (SPD), die Koalition habe sich Vieles vorgenommen. „Aber das oberste Ziel ist für uns der Schutz der Bevölkerung in dieser Gesundheitskrise. Wir werden daher alles tun, um diese Krise so schnell wie möglich zu beenden.“ Dafür werde die Regierung eng mit den „konstruktiv gewählten Teilen der Opposition“ zusammenarbeiten.

Delta-Welle brechen, Omikron-Welle verhindern

Lauterbach sagte zu den neuen Maßnahmen: „Wir geben das Instrument, was notwendig ist, lokal, aber auch bundesweit, die Delta-Welle zu brechen und die Omikron-Welle so gut, wie wir können, zu verhindern.“ Bei der jetzigen Inzidenz sei die einzige Alternative zur Schließung von Restaurants und Kultureinrichtungen oft die, „dass Ungeimpfte dort nicht hineinkommen.“ Bis Weihnachten müsse die Delta-Welle so weit wie möglich zurückgedrängt werden. Dann müssten Familientreffen nicht nur stattfinden können, „sondern sicher stattfinden können“.

Trotz eines leichten Rückgangs der gemeldeten Neuinfektionen rät das Robert Koch-Institut (RKI) zu stärkeren Anstrengungen zum Eindämmen der Pandemie. Die hohe Infektionsgefahr bleibe angesichts der großen Fallzahl weiter bestehen, schrieb das RKI im Wochenbericht von Donnerstagabend. Die Zahl der neuen Fälle pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen sank nun auf 413,7 nach 422,3 am Vortag. Die Gesundheitsämter meldeten binnen eines Tages 61.288 neue Fälle.

Der Grünen-Experte Janosch Dahmen forderte die Länder auf, die Maßnahmen auch konsequent umzusetzen. „Der Staat darf sich nicht lächerlich machen. Es muss durchgesetzt werden, was beschlossen wird.“ Lauterbach sagte im TV-Sender Bild gefragt nach möglichen Zielen für seine nun begonnene Amtszeit: „Corona ganz zu besiegen wird uns über die absehbare Periode vier Jahre nicht gelingen. Da muss man realistisch sein.“ Es werde immer wieder Virusvarianten geben. Ziel könne aber sein, ein so dichtes und gutes Impfangebot zu haben, dass selbst bei neuen Varianten so gut keine Gefahr bestehe.

Die Union kritisierte, dass es keine Rückkehr zur epidemischen Lage von nationaler Tragweite gebe, die bis vor kurzem Rechtsgrundlage für weitreichende Corona-Maßnahmen war. Die Länder erhielten wieder nicht alle nötigen Befugnisse, sagte Volker Ullrich (CDU). „Wir brauchen jetzt die volle Handlungsfähigkeit des Staates.“ AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla kritisierte die generelle Corona-Politik scharf: „Die Stabilität unserer Gesellschaft ist durch die Unverhältnismäßigkeit politischer Zwangsmaßnahmen deutlich strapaziert.“

Städtetag zufrieden

Städtetags-Präsident Markus Lewe (CDU) unterstützte die kommende Impfpflicht. „Wir hoffen, dass sich nun viele weitere Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern impfen lassen.“ Zugleich setze man auch auf eine Sogwirkung für viele andere, die nicht erst bis zu einer allgemeinen Impfpflicht warten wollen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte indes, in der Altenpflege versorge eine Pflegekraft zwei Menschen. „Verlassen nur zehn Prozent der schon heute hochbelasteten Beschäftigten ihren Beruf, werden 200 000 Pflegebedürftige keine professionelle Hilfe mehr erhalten können.“ Tägliches Testen und Impfen dürften nicht gegeneinander stehen.

Ein Überblick über die beschlossenen neuen Maßnahmen:

– Spezial-Impfpflicht: Beschäftigte in Einrichtungen wie Kliniken, Pflegeheimen und Arztpraxen müssen bis 15. März 2022 Nachweise über vollen Impfschutz oder eine Genesung vorlegen – oder eine Arzt-Bescheinigung, dass sie nicht geimpft werden können. Neue Beschäftigte brauchen das ab 16. März von vornherein.

– Mehr Impfungen: Über Ärzte hinaus dürfen befristet auch Apotheker, Tier- und Zahnärzte Menschen ab zwölf Jahren impfen. Voraussetzungen sind eine Schulung und geeignete Räumlichkeiten oder die Einbindung in mobile Impfteams.

– Regionale Maßnahmen: Bei sehr kritischer Lage können die Länder schon härtere Vorgaben für Freizeit oder Sport anordnen. Nun wird präzisiert, dass Versammlungen und Veranstaltungen untersagt werden können, die keine geschützten Demonstrationen sind – besonders im Sport mit größerem Publikum. Klargestellt wird auch, dass Schließungen der Gastronomie möglich sind. Und: Einzelne Länder hatten kurz vor Auslaufen der „epidemische Lage“ am 25. November noch auf dieser alten Rechtsgrundlage härtere Maßnahmen beschlossen. Diese können nun noch länger in Kraft bleiben, nämlich bis zum 19. März.

– Testpflichten: Für Beschäftigte und Besucher in Arztpraxen, Kliniken und Pflegeheimen wurden schon Testpflichten festgelegt. Nun wird präzisiert, dass Patienten und „Begleitpersonen, die die Einrichtung oder das Unternehmen nur für einen unerheblichen Zeitraum betreten“ nicht als Besucher gelten. Das gilt zum Beispiel für Eltern beim Kinderarzt oder Helfer bei Menschen mit Behinderung.

– Kliniken: Kliniken erhalten wieder Ausgleichszahlungen – etwa für frei gehaltene Betten oder Belastungen durch Patientenverlegung.

– Kurzarbeitergeld: Es wird ermöglicht, das schon bis Ende März verlängerte Kurzarbeitergeld aufzustocken. Ab dem vierten Bezugsmonat werden 70 Prozent der Nettoentgeltdifferenz gezahlt – wenn ein Kind im Haushalt lebt, 77 Prozent. Ab dem siebten Bezugsmonat sind 80 und mit Kind 87 Prozent geplant. Dies gilt für Beschäftigte, die bis Ende März 2021 während der Pandemie Anspruch auf Kurzarbeitergeld hatten.

– Masern-Impfpflicht: Teil des Gesetzes ist auch eine Änderung bei der Masern-Impfpflicht, die seit März 2020 für Neuaufnahmen in Kitas und Schulen gilt. Die Frist zur Nachweis-Vorlage für Kinder, die davor schon dort waren, wird nun bis Ende Juli 2022 verlängert.

© dpa-infocom, dpa:211210-99-327039/9



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